Vegesack. "Sie werden händeringend erwartet – nicht nur von den Betrieben, sondern auch von den Kunden." Mit diesem Blick in die Zukunft begrüßte Schulleiter Peter Kaus die 150 Auszubildenden, die sich Montagmorgen zur Einschulung in Vegesack einfanden. Er sprach von Eigenverantwortung, davon, dass die Auszubildenden erkennen müssten, dass sie für sich selbst lernen, sich Wissen und Kompetenzen für ihre Zukunft aneignen, Berufsschullehrer dabei lediglich Hilfestellungen geben. Er versprach den Auszubildenden ein Berufsbild mit gesellschaftlicher Anerkennung und Zukunft, machte aber gleich deutlich: "Verschonen Sie uns mit Schülerallüren aus der siebten oder achten Klasse. Warum Sie zu spät sind, interessiert niemanden, nur, dass Sie zu spät sind, wenn Sie zu spät sind."
150 Auszubildende im ersten Lehrjahr zur Dualen Ausbildung als Anlagenmechanikerin und Anlagenmechaniker Sanitär Heizung Klima sowie Elektronikerin und Elektroniker Energie- und Gebäudetechnik, "die Zahl der Auszubildenden hat mit dem Bauboom zugenommen", erzählt Schulleiter Peter Kaus an diesem Vormittag auf Nachfrage. An der Berufsschule, an der noch vor rund sechs Jahren Zweizügigkeit mit rund 60 Schülern vorherrschte, seien es mittlerweile drei bis vier Klassen mit durchschnittlich 100 Auszubildenden pro Jahrgang. In diesem Jahr für die neuen Ausbildungslehrgänge sind es vier Klassen.
Rund 500 Auszubildende
"Die Unterrichtseinheiten der beiden Ausbildungsgänge ähneln sich in vielen Dingen, sind mit der weiteren technischen Entwicklung auch immer enger miteinander verzahnt", berichtet der Schulleiter und nennt das Stichwort "Smarthome". Die Anzahl der Schnittmengen werde immer größer, und der Schulleiter blickt schon in die Zukunft, "eigentlich brauchen wir dafür einen neuen Ausbildungsberuf". Vom Ansatz der beiden Ausbildungsgänge her seien die Unterrichtseinheiten aber immer noch getrennt, selbst, wenn es übereinstimmende Lehrinhalte gebe und Kaus das Ziel "gemeinschaftlicher Unterricht" durchaus für erstrebenswert hält.
Insgesamt betreut das Schulzentrum Vegesack rund 500 Auszubildende über die dreieinhalb Lehrjahre verteilt. Aus rund 300 Bremer Handwerksbetrieben kommen die jungen Menschen nach Vegesack. "Der überwiegende Teil ist männlich", erzählt Peter Kaus. Das zeigt sich auch beim Blick in die Reihen der neuen Berufsschüler. Im Übrigen gebe es für die Berufsschule kein Maximum bei der Aufnahme von Auszubildenden, "das richtet sich immer nach der wirtschaftlichen Lage und wie viele Auszubildenden die Betriebe einstellen", so Kaus. Seit drei, vier Jahren sei dies eine stets ansteigende Zahl.
Mehr Plätze als Interessenten
Das berge allerdings auch Probleme. "Der wachsenden Zahl an Ausbildungsplätzen stehen immer weniger geeignete Interessenten gegenüber." Probleme, die sich laut Kaus nur durch gemeinschaftliche Anstrengungen lösen ließen. "Die Betriebe geben immer mehr Flüchtlingen eine Chance auf entsprechende Ausbildung." Um junge Menschen genau auf diesen Weg vorzubereiten, gibt es eine zweijährige Vorbildung in Berufsbildenden Schulen. Allerdings: "Zwei Jahre, in denen die Sprache leidlich, mit mehr oder weniger Erfolg gelernt wird, sind auch nicht immer ausreichend, um in einem technischen Beruf mit zusätzlichen Fachausdrücken zu lernen. Damit kommen sowohl auf Berufsschulen als auch Ausbildungsbetriebe zusätzliche Anstrengungen zu", berichtet Kaus.
Um diesen und weiteren Anforderungen gerecht werden zu können, gebe es seit einiger Zeit allerdings auch vermehrt Kooperationen zwischen Berufsschule und Ausbildungsbetrieben. "Wir haben den sogenannten runden Tisch ins Leben gerufen, reden mehr miteinander. Es zeigt sich an verbesserten Schülerleistungen schon ein positiver Effekt", so Kaus. Dabei helfe nicht nur das gemeinsame Ausloten, wo Synergieeffekte genutzt und wie theoretische und praktische Inhalte besser miteinander verbunden werden können. Auch der soziale Aspekt spiele eine Rolle. "So mancher Auszubildender vergisst beispielsweise, das Berufsschule auch Arbeitszeit ist. Wer zu spät kommt, wird gemeldet."
"Interessiert Euch für die Zukunft"
Thomas Kurzke, Präses der Handwerkskammer Bremen und Bremerhaven hatte zur Einschulung mahnende Worte für die Auszubildenden: "Wir haben nicht nur mit klassischen Problemen wie dem Fachkräftemangel zu tun. Auch durch die Corona-Pandemie wird es gravierende Änderungen geben, wir werden alle viel lernen müssen." Er wünschte den Auszubildenden "lehrreiche und spannende Jahre" sowie viele hilfreiche Menschen an ihrer Seite.
Neben dem Abteilungsleiter duale Bildungsgänge, Frank Marshall, weiteren Lehrern und Angestellten, die sich den Auszubildenden vorstellten, begrüßte auch Elektroinnungsmeister Dieter Siever die neuen Berufsschüler. "Ich habe angefangen, als es noch keine ,Hilti' gab, da wurden Löcher noch mit Schlageisen in die Wand gehauen und Holzwolle diente als provisorischer Dübel." Sein kurzer Abriss über 40 Jahre Berufserfahrung "auf Ölplattformen, diversen Baustellen, Superyachten" sollte die Vielseitigkeit, aber auch die schnelle Veränderung und Erweiterung technischer Möglichkeiten aufzeigen. Sein Tipp: "Interessiert Euch für die Zukunft, Ihr verbringt den Rest Eures Lebens darin."