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Tele-Sprechstunde bei Nordbremer Ärzten Nicht alles geht per Video

Immer mehr Ärzte bieten Videosprechstunden an und ersparen ihren Patienten damit den Weg in die Praxis. Die Behandlungsmethode lässt sich allerdings nicht bei allen Krankheitsbildern anwenden.
10.06.2020, 06:39 Uhr
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Nicht alles geht per Video
Von Aljoscha-Marcello Dohme

Bremen-Nord. Immer mehr Menschen nutzen die sogenannte Telemedizin. Sie gehen nicht mehr zu ihrem Arzt in die Praxis, sondern suchen das Gespräch mit ihm im Rahmen einer Videosprechstunde. In Niedersachsen wurden im ersten Quartal des Jahres laut Kassenärztlicher Vereinigung 13 800 Kontakte dieser Art abgerechnet. Zum Vergleich: Im vierten Quartal 2019 waren es nur 75.

Eine solche Auswertung liegt für Bremen erst Ende Juli vor. Dennoch lässt sich auch hier eine gestiegene Nachfrage feststellen. „In Bremen und Bremerhaven gibt es etwa 1850 Ärzte und Psychotherapeuten“, sagt eine Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen (KVHB). Damit die Mediziner Videosprechstunden anbieten dürfen, ist eine Genehmigung der KVHB notwendig. „Zum Stichtag 26. Februar haben wir insgesamt sechs Genehmigungen erteilt. Aktuell liegt die Zahl bei 411“, heißt es aus der Schwachhauser Heerstraße. Das Gros der Genehmigungen sei dabei für Psychotherapeuten erteilt worden.

Zu den Psychotherapeuten, die eine entsprechende Genehmigung bekommen haben, gehört auch Katja Sabotta. Das Thema Telemedizin hat die Vegesacker Psychotherapeutin bereits vor der Corona-Krise beschäftigt. Damals hat sie den Gedanken allerdings wieder verworfen, ihre Patienten auch per Videochat zu behandeln. „Am besten ist es, wenn man persönlich und direkt mit Patienten arbeiten kann. Ist es einem Patienten nicht möglich, in die Praxis zu kommen, kann ich auch Hausbesuche machen“, sagt Sobotta.

Am Anfang irritierend

„Vor dem Hintergrund der Pandemie ist die Videotherapie für mich aber eine Möglichkeit, um überhaupt mit bestimmten Patienten Kontakt zu halten, die ich sonst über Wochen vielleicht nicht hätte sehen können.“ Schließlich sei es für ihre Patienten wichtig, dass die Therapie fortgesetzt wird. Deshalb habe sie sich noch im März dazu entschieden, doch Videosprechstunden anzubieten.

Auch wenn sie der Behandlungsform zunächst skeptisch gegenüberstand, kann sie ihr mittlerweile etwas abgewinnen. „Ich war doch überrascht, wie schnell man vergisst, dass man über das Video spricht. Am Anfang war das ein wenig irritierend, weil man sich selbst in einem kleinen Feld in der Ecke sieht und auch die Wohnung des Patienten“, sagt Sobotta. Doch dann sei sie auch schnell im Gespräch gewesen.

Neben Psychotherapeuten nutzen auch Hausärzte die Videotherapie. Nach der Statistik der KVHB stellen sie die zweitgrößte Gruppe derer, die im Land Bremen Telemedizin anbieten. Seit Mitte April empfängt auch der Lesumer Hausarzt Peter Heinsohn seine Patienten sowohl real in seiner Praxis als auch virtuell im Internet. „Wir haben wie viele Ärzte festgestellt, dass die Patienten uns nicht aufsuchen konnten oder wollten“, erzählt er. Eine Alternative sei das Telefongespräch gewesen. Doch dabei würden viele Informationen verloren gehen. „Wir kennen unsere Patienten als Hausärzte. Wenn wir sie sehen, dann haben wir auch eine Vorstellung, wie es ihnen geht. Man sieht, wie der Allgemeinzustand ist“, sagt Heinsohn. Deshalb empfindet er die Videosprechstunde als eine gute Möglichkeit der Kommunikation, gerade in Zeiten der Corona-Pandemie.

Pro Woche führt der Mediziner derzeit zwischen zwei und drei Videosprechstunden durch. Dass er nicht mehr Menschen virtuell behandelt, liege auch daran, dass viele seiner Patienten älter sind. „Viele haben schlichtweg das nötige Equipment nicht“, erzählt Heinsohn. „Da gibt es viele Hindernisse. Für junge Leute ist das überhaupt kein Problem. Und das ist auch die Gruppe, die wir damit ansprechen wollen.“

Auch wenn Peter Heinsohn seine Patienten im Videochat sehen und mit ihnen sprechen kann, verlaufen die virtuellen Behandlungen trotzdem anders ab, als wenn die Menschen zu ihm in die Praxis kommen. „Die hausärztliche Medizin ist auch eine haptische Medizin. Man muss Patienten anfassen und ihnen auf die Schulter klopfen. Man muss sich etwas angucken, befühlen und abhören. Das fällt bei der Videosprechstunde natürlich alles flach“, sagt Heinsohn. „Das ist eine Medizin, die ausschließlich auf der Beobachtung ruht. Viele Erkrankungen lassen sich damit auch gar nicht beurteilen. Wenn jemand eine Herzschwäche hat, dann muss man ihn abhören. Das geht während einer Videosprechstunde nicht. Insofern hat die Videosprechstunde auch Limitationen.“ Besonders gut ließen sich dagegen dermatologische Erkrankungen diagnostizieren und entsprechende Behandlungsschritte einleiten. Ob der Patient etwa eine Gürtelrose hat, oder nicht, ließe sich sehr gut auf dem Bildschirm erkennen.

Auch Katja Sobotta wendet die Videosprechstunde nur bei bestimmten Erkrankungen an. „Ich mache auch Trauma-Behandlungen. Eine Technik sieht dabei vor, dass man direkt nebeneinandersitzt und den Patienten ganz eng begleitet. Das funktioniert in der Videobehandlung einfach nicht“, sagt Sobotta. Auch bei akuten Krisen würde sie das Gespräch von Angesicht zu Angesicht vorziehen. Gleiches gelte für Patienten, die suizidal sind. „Ich muss sicherstellen, dass der Patient nicht einfach das Videotelefonat beendet. In diesem Fall wüsste ich nicht, was er jetzt macht und wie es ihm geht. Es muss sicher sein, dass jemand aus einem Impuls heraus nicht den Kontakt abbricht. Das kann ich in der Praxis besser steuern und händeln, weil ich viel mehr Informationen habe, etwa Mimik, Gestik und Körpersprache“, sagt sie. Im direkten Kontakt würde sie viel mehr mitbekommen, als wenn der Patient nur zugeschaltet ist.

Über die Pandemie hinaus

Trotz der insgesamt positiven Erfahrungen, die Katja Sobotta mit der virtuellen Sprechstunde macht, sieht sie auch weiterhin Nachteile. Kommen die Patienten zu ihr in die Praxis, werde die Therapiestunde durch Materialien, Karten und Figuren lebendig. Darüber hinaus kämen auch ein Flipchart und die Hände zum Einsatz. „Das geht bei der Videobehandlung natürlich ein Stück verloren, weil man manchmal auch nur den Oberkörper sieht“, sagt Sobotta, die pro Woche zwischen fünf und sechs Videotherapien durchführt.

An der Videotherapie will die Psychotherapeutin festhalten, auch nach der Corona-Krise. Wie auch schon jetzt will sie genau abwägen, mit welchen Patienten sie virtuell in Kontakt tritt. „Wenn sich ein Patient etwa das Bein gebrochen hat und deshalb einen Monat nicht herauskann, würde das eine Therapiepause bedeuteten. Die Videotherapie würde es ermöglichen, die Sitzungen trotzdem durchzuführen“, sagt Sobotta.

Peter Heinsohn will ebenfalls auch über die Pandemie hinaus an der virtuellen Sprechstunde festhalten. „Patienten, die zum Beispiel einen Schlaganfall erlitten haben, sind nicht so mobil. Organisatorische Dinge, wie etwa ein Reha-Aufenthalt, lassen sich auch prima im Rahmen einer Videosprechstunde klären“, sagt er.

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