Mal eben über den Wochenmarkt bummeln, Obst und Gemüse kaufen und auch Fisch. Tja, und dann brachte Annegret Achner eines Tages nicht nur lauter Lebensmittel nach Hause, sondern auch noch die Idee für einen Krimi, der ihr 2019 das Bremer Autorenstipendium bescherte. Das hat der Chance, für das Buch einen Verlag zu finden, ordentlich Schub gegeben, blickt die Autorin zurück. Jetzt ist der Krimi in der Edition Falkenberg erschienen. Titel: Beifang Blaue Balje.
Ungewöhnlich ist es nicht, dass Annegret Achner von unterwegs Ideen und Anregungen für ihre Texte mitbringt. Bei der früheren Lehrerin, die bis 2008 Oberstufen- und Berufsschüler in Deutsch und Englisch unterrichtet hatte, paaren sich die offenen Sinne und das Interesse an politisch-gesellschaftlichen Themen mit der Freude am Nachfragen. So war das auch auf dem Wochenmarkt. Überfischung, Fischpiraterie in Nord- und Ostsee, Slow-Fish und Nachhaltigkeit – das hatte Annegret Achner schon innerlich beschäftigt, als sie die Fischhändlerin über den Tresen hinweg darauf ansprach und Einblicke gewann. Was zur Folge hatte, dass sie über Fischpiraterie „noch mehr wissen wollte“, Kontakt zum Meeresschutzbüro und zu Sea Shepherd in Bremen knüpfte und aus dem Rechercheprojekt die Idee für einen Kriminalroman erwuchs.
Geschrieben hatte sie zu dem Zeitpunkt schon eine Menge. Hauptsächlich Kurzgeschichten. Das Wesentliche auf wenigen Seiten erzählen, das ist es, was Annegret Achner reizt. Zu lesen sind ihre Erzählungen über Books on Demand und auf ihrem Blog. „Es ist sehr schwer, für Kurzgeschichten einen Verlag zu finden.“ Wer es versucht, erhält nicht selten keine Antwort oder diese: „Wenn Sie nach einem Jahr nichts von uns gehört haben, dann betrachten Sie es als erledigt.“ Die Autorin schenkt Tee nach und erzählt, wie es dann doch noch geklappt hat.
Bei der Rotenburger Edition Falkenberg hatte Annegret Achner ebenfalls versucht, mit ihren Kurzgeschichten Interesse zu wecken. Die Antwort der Verlegerin: „Leser wollen lieber längere Geschichten.“ Die war dann 2019 in Arbeit und zudem mit dem Bremer Autorenstipendium belohnt. Gute Aussichten also für einen erneuten Versuch. Diesmal mit Erfolg. Der Verlag wollte den Friesland-Krimi drucken. Und die Autorin musste feststellen, dass es „viel mühsamer ist, länger dranzubleiben“ und eine Geschichte über 190 Seiten zu erzählen. „Ich fange dann an, mich zu langweilen und denke: Ich habe doch schon alles gesagt“, berichtet Achner und schmunzelt. Dem Krimi merkt man das nicht an. Im Gegenteil – die Geschichte um Krabbenfischer Knudsen, dem zusammen mit Neffe Enno und Praktikant Jan an Bord der Margaretha eine Leiche ins Fischernetz gerät, ist ein spannender Page-Turner geworden. Mit einem hintergründigen Thema, mit sympathischen Figuren und stimmigen Dialogen. Annegret Achner ist ihrem knappen Stil auch auf Romanlänge treu geblieben, was der Geschichte ein erfrischendes Tempo gibt.
Dieser Stil atmet ihr Wesen. Die noch nicht ganz 74-Jährige ist innerlich und äußerlich in Bewegung. „Wer rastet, der rostet – da ist schon etwas dran“, sagt sie. Und so hatte sich die aus dem Ruhrgebiet stammende Lehrerin, die 1974 nach Bremen-Nord kam und zwischendurch für fünf Jahre in Portugal unterrichtete, „nach fast vierzig Berufsjahren und der Korrektur einer unendlichen Zahl von Deutschaufsätzen“ selbst ans Schreiben gemacht. Nicht ohne sich professionell fortzubilden. Annegret Achner belegte Schreibkurse bei der erst kürzlich verstorbenen Autorin Ria Neumann sowie bei Donna Leon in der Schweiz. Einer „charismatischen Frau, die uns beigebracht hat, hinauszugehen auf die Straße, Leute anzusprechen und um Informationen zu bitten, und die zusätzlich gute Referenten hatte“. Auch an der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel erlernte die Autorin das Handwerk des Schreibens.
Sie gehöre nicht zu denen, die ihre Geschichten bis ins Kleinste planen, beschreibt Annegret Achner ihre Arbeitsweise. Das Thema entfaltet sich beim Schreiben, „und die Figuren entwickeln ein eigenes Leben - manchmal anders als erwartet“. Dass sie nun an ihrem nächsten längeren Buch arbeitet, hätte die Autorin vermutlich auch nicht erwartet. Aber sie hat „große Freude an der Recherche und der Begegnung mit so vielen unterschiedlichen Menschen“. Eigentlich, sagt die passionierte Seglerin und Großmutter von „vier Enkeljungs“, habe sie mit den VHS-Kursen, die sie gibt und selbst besucht, mit Radfahren und Schwimmen „genug um die Ohren“. Wenn da nicht die Lust wäre, ihren Themen auf den Grund zu gehen und mit ihren Fragen spannendes Material zusammenzutragen, das erzählt werden will.