Vegesack. 250 Sänger, fünf Chöre aus vier europäischen Ländern und ein großer Saal: Das sind die Zutaten für „Voices for Change“, einem „Erasmus+“-Projekt, das am 1. März mit einem Höhepunkt endet. Bei der Aufführung der Carmina Burana von Carl Orff im spanischen Valencia zeigen die Teilnehmer, was sie sich in den vergangenen neun Monaten musikalisch erarbeitet haben. Mit dabei sind auch 17 Mitglieder von Think Music, dem Chor der Gerhard-Rohlfs-Oberschule in Vegesack. Gemeinsam mit 45 Sängern des Chors Intonation der Hochschule Bremen machen sich die Kinder und Jugendlichen an diesem Freitag auf den Weg nach Spanien.
„Das Ganze ist für die Beteiligten sehr aufregend“, weiß Julio Fernández. Er leitet den Hochschulchor und ist für die enge Zusammenarbeit zwischen der Hochschule und der Gerhard-Rohlfs-Oberschule verantwortlich. Die Aufregung der Jugendlichen ist verständlich, denn für den Schülerchor ist dies die erste Reise ins Ausland. Zudem bleibt nicht viel Zeit, um gemeinsam mit den Teilnehmern aus Spanien, Polen und Litauen zu proben. „Wir kommen am Abend des 28. Februar an, essen schnell etwas und dann beginnt die erste Probe“, erklärt Julio Fernández.
Die Tage bis zur Aufführung seien eng mit Terminen besetzt. Dass alles klappt, darüber macht sich der gebürtige Spanier jedoch keine Sorgen. „Alle Chöre haben sich im Vorfeld abgestimmt und jeder hat das Stück einstudiert.“ Dabei wurde auch beschlossen, in deutschem Latein zu singen. „Würde jedes Land seine eigene Version verwenden, klänge das zusammengenommen eher komisch“, erklärt Julio Fernández mit einem Lachen.
Diese Wahl kommt den Vegesacker Schülern entgegen. Dadurch konnten sie sich ganz auf die Perfektionierung ihres Gesangs konzentrieren, denn bei den meisten saß der Text noch. Bereits im vergangenen Jahr führten sie die Carmina Burana im Theater am Goetheplatz auf, gleich zweimal, gemeinsam mit der Tanzkompanie De Loopers und dem Chor Intonation der Hochschule Bremen. „Das meiste war ein Jahr später noch da“, erklärt Musiklehrer Mikolaj Kapala, der auch Lehrbeauftragter an der Hochschule Bremen ist.
Proben in der Frühe
Nur einige neue Chormitglieder aus der fünften und sechsten Klasse mussten das Stück schnell lernen. Geprobt wird zweimal pro Woche, immer morgens. Dieser Termin wurde bewusst gewählt, da es sich bei Think Music um einen jahrgangsübergreifenden Chor handelt. Nur durch diese frühe Probe können von der fünften bis zur zehnten Klasse alle Mitglieder dauerhaft dabei bleiben.
Gemeinsam mit Freunden Zeit zu verbringen, zu singen und das auch vor der Öffentlichkeit, sind einige der Gründe, warum die Kinder und Jugendlichen im Chor aktiv sind. Sie vereinen insgesamt neun Nationalitäten auf der Bühne. Viele besitzen zwei Staatsbürgerschaften. „Singen ist meine Leidenschaft“, erklärt Emma Meinhardt. „Hier habe ich die Möglichkeit, mehr daraus zu machen.“ Damit meint sie unter anderem die Auftritte im Bürgerhaus oder der Glocke, die der Chor regelmäßig absolviert.
Die Bewältigung solcher Auftrittssituationen bringt die Schüler nach Meinung von Schulleiterin Kathrin Borges auch anderswo weiter. „Wer so etwas meistert, bringt die gleiche Disziplin auch in andere Bereichen ein.“ Auf jeden Fall hilft sie manchen dabei, über ihren Schatten zu springen. „Ich bin hier viel selbstbewusster geworden“, berichtet Zehntklässlerin Jasmin Lopes-Santos.
Organisiert wurde das Projekt „Voices for Change“ von einer Kollegin in Valencia erklärt Julio Fernández. Ein dreiviertel Jahr wurde geplant und geprobt. Das nicht immer ganz ohne Probleme, den um die Weihnachtstage herum begann die Suche nach einem neuen Veranstaltungsort. Am Konzertsaal Paulau de la Música in Valencia, in dem die Aufführung eigentlich stattfinden sollte, waren Statikprobleme festgestellt worden. So musste man auf ein Kulturzentrum ausweichen. Trotzdem sei die Veranstaltung bereits jetzt komplett ausverkauft. Einen Livestream oder eine Aufzeichnung der Aufführung für Freunde und Verwandte zu Hause wird es nicht geben. „Die Übertragungsrechte liegen beim Schott Verlag und sind leider sehr teuer“, bedauert Julio Fernández.
Kathrin Borges freut sich über die großen Chancen, die die Teilnahme an dem Projekt ihren Schülern bietet. „Das ist, was Schule leisten kann.“ Die Schüler bekämen die Möglichkeit, international unterwegs zu sein und junge Menschen aus anderen Ländern kennenzulernen. Der Name der Schule werde außerdem über die Grenzen Bremens hinausgetragen. So haben die Mitglieder der hauseigenen Schülerfirma Crazy Factory T-Shirts gestaltet, die die Chormitglieder bei ihrem Auftritt tragen werden.
All dies hätte die Schule allein niemals stemmen können. Deshalb wird ein Teil der Kosten durch die Hochschule, ein anderer durch Zuschüsse von Stiftungen und Sponsoren getragen. Begleitet werden die Kinder und Jugendlichen aus Vegesack von Mikolaj Kapala und einer Lehrerin aus dem siebten Jahrgang. In Valencia sind alle Chöre in einem Hotel untergebracht. Kinder, Jugendliche und Erwachsene nehmen neben den Proben an verschiedenen Ausflügen und Veranstaltungen teil. „Niemand wird ausgeschlossen und alle Altersklassen mit einbezogen“, betont Julio Fernández. Das Schaffen eines Gemeinschaftsgefühls sei ein wichtiger Aspekt des Projektes, das laut Ausschreibung einen Beitrag zu europäischer Zusammengehörigkeit leisten will.