Schönebeck. Den Namen Mittelsbüren gibt es noch. Doch das Dorf, das ihn einst trug, nicht mehr. Ende der 1950er-Jahre musste es der Ansiedlung der Klöckner-Hütte, heute Arcelor Mittal, weichen. 1957 wurde ein Großteil der Bauernhöfe und Grundstücke im Rahmen einer Versteigerung verkauft. 31 Häuser wurden bis Ende 1958 abgerissen. Nur die Kirche, das Schulgebäude, eine Gaststätte und ein paar Häuser sind übriggeblieben.
An das verschwundene Bauerndorf, das sich einst an der Weser im Werderland entlangzog, erinnert jetzt eine Ausstellung mit Ölbildern von Hans Theodor Hallier (1908 bis 1982). Der Kunstmaler hatte das Ende des Dorfes miterlebt: Vier Jahre, von 1954 bis 1958, wohnte und arbeitete er in Mittelsbüren.
Die Gemälde, die seit Sonnabend im Schloss gezeigt werden, sind private Leihgaben ehemaliger Mittelsbürener, die meisten stammen aus der Sammlung der Familie Heumann. „Um Geld zu verdienen, bot Hans Theodor Hallier den Dorfbewohnern damals an, ihre Häuser und die Umgebung zu malen“, erzählt der Museumsvereins-Vorsitzende Holger Schleider. Als Erinnerung an die Heimat, die sie aufgeben müssen.
Einige Werke von Hans Theodor Hallier waren schon 2007 im Schönbecker Schlosskeller zu sehen, im Rahmen einer damaligen Ausstellung über das alte Dorf Mittelsbüren. In der großen Schlosshalle erwecken jetzt 31 Bilder des Malers Mittelsbüren noch einmal zum Leben. In zumeist impressionistischen Ansichten hat Hans-Theodor Hallier die Idylle des Dorfes und der Landschaft festgehalten. Da schweift der Blick über den Hafen von Mittelsbüren, in dem Boote dümpeln, auf ein Haus in der Ferne. Hinter Bäumen ist die Spitze der Moorlosen Kirche zu erspähen. Die Kirche ragt immer wieder in seinen Gemälden im Hintergrund empor. So auch in der Darstellung vergnügt Badender in der Weser am Mittelsbürener Sandstrand.
Andere Bilder zeigen den Ort und die Landschaft zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten. Von Hochwasser umspülte Weidenbüsche auf dem Außendeichgelände beugen sich der Macht des Herbststurmes. In einer expressionistischen Abendstimmung schlängelt sich das Dorf als Schattenkulisse an der Weser unter einem Himmel, in dem sich nach einem Sturm das Licht wieder Bahn bricht. In einer Winteransicht gleitet ein Stückgut-Frachter auf der Weser dahin, zu sehen sind nur die Aufbauten, die über den Deich ragen. Dazwischen immer wieder Bilder von Bauernhäusern, die heute nicht mehr stehen.
Der Maler wohnte im Obergeschoss des Hauses Mittelsbüren 17, in dem sich die Gaststätte „Zur Erholung“ befand. Etliche Motive seiner Bilder entdeckte er beim Blick aus dem Fenster. So entstand auch das mit lockerem Pinselstrich gemalte Bild vom Deichweg und dem Mittelsbürener Groden im Sommerlicht. Unter Bäumen, deren Laub in hellen Tönen leuchtet, spazieren zwei Menschen.
Geboren wurde Hans Theodor Hallier in Tokio, wo sein Vater Rektor der Militärakademie war. Die Kunst war ihm von seiner Mutter in die Wiege gelegt. Maria Emilie Hallier war die Tochter des Weimarer Landschaftsmalers Theodor Hagen, Professor der Großherzoglichen Kunstschule in Weimar und Mitbegründer der „Weimarer Malschule“. Sie selbst gab Mal- und Zeichenunterricht. Der Sohn Hans-Theodor studierte von 1930 bis 1936 an der Kunstakademie in Weimar.
Nach dem Krieg, in dem er als Soldat diente, kam Hallier nach Bremen. 1954 zog er mit seiner Mutter und seiner damaligen Lebensgefährtin nach Mittelsbüren um. Bitterarm soll er zu jener Zeit gewesen sein. In Mittelsbüren erhoffte er sich Aufträge von Familien, die durch die Ansiedlung der Klöckner-Hütte ihr Dorf verlassen müssen. Mit der Auflösung des Dorfes 1958 musste auch der Maler umziehen. Zunächst lebte er in Grambke, später in Heiligenrode bei Stuhr, wo er am 8. Juni 1982 starb. In der Ausstellung im Schloss sind auch einige Landschaftsbilder aus seiner späteren Schaffenszeit in Heiligenrode zu sehen, ebenso eine Ansicht der Mühle am Wall in Bremen. Zwei Fotografien, die während seines Aufenthaltes in Mittelsbüren entstanden, zeigen den Maler bei der Arbeit an der Staffelei im Freien und mit einem fertigen Werk.
Die Ausstellung ist bis zum 23. August im Heimatmuseum Schloss Schönebeck, Im Dorfe 3-5, zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch und Sonnabend von 15 bis 17 Uhr, Sonntag von 10.30 bis 17 Uhr.