"Für die Unternehmen in der Gegend ist die Situation in Vegesack derzeit geschäftsschädigend." Nils Hilmer ist frustriert und regt sich auf. Grund sind die Verkehrsführung und Baustellen in Vegesack und umzu. "Die Autobahn ist einspurig, weshalb es sich dort staut. Die Georg-Gleistein-Straße ist teilweise Einbahnstraße, im Rabenfeld beginnen sie jetzt auch zu bauen. Die Hermann-Fortmann-Straße ist schon länger dicht. Das alles führt dazu, dass man per Auto kaum noch an sein Ziel kommt. Vom Rabenfeld bis zur Ladestraße habe ich mit meinem Anhänger eine halbe Stunde gebraucht." Das war vergangenen Donnerstag. Da war die Straße Am Rabenfeld von der Georg-Gleistein-Straße aus noch befahrbar. Das ist derzeit auch nicht mehr der Fall. "Dann fahre ich vom Rabenfeld aus über Blumenthal nach Vegesack und zur Fähre", so Nils Hilmer.
Täglich zwei Stunden im Stau
So wie Hillmer merkt ein Außendienstmitarbeiter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, an, wie sehr ihn die Sperrungen auf der A 27, einseitig nutzbaren Fahrspuren auf der A 270 und dann auch noch verstopften Umleitungen in Vegesack einschränken: "Täglich brauche ich ein bis zwei Stunden länger, um nach Hause zu kommen. Das geht an die Substanz." Baustellen umzu, versperrte Fahrwege, Umleitungen, die von Fahrzeugen verstopft sind, sofern sie überhaupt vorhanden sind. Da fragt sich so manch ein Mensch, der in den Nordbremer Stadtteil muss: "Wird Vegesack zur schwer erreichbaren Insel?" Gestern morgen hatte auch Malte Prieser vom Kulturbüro Bremen-Nord zu kämpfen, um von Bremen-Stadt zu seiner Arbeitsstätte ins Bürgerhaus zu kommen. "Wenn das so weiter geht, kann ich mir gleich hier einen Schlafplatz suchen."
Auf unsere Nachfrage gibt Linda Neddermann zu: "Die Situation in Bremen-Nord ist im Vergleich zu den Vorjahren tatsächlich relativ angespannt, was die Baustellensituation betrifft. In den Jahren zuvor gab es kaum größere Baustellen mit stärkeren Einschränkungen. Insbesondere der Stadtteil Vegesack ist davon betroffen." Die Pressesprecherin für die Themen Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft und Tierökologie sowie Referentin für Öffentlichkeitsarbeit und Social Media der Freien Hansestadt Bremen, antwortet damit auch auf die Nachfrage, ob mit Blick auf die angespannte Verkehrssituation in Vegesack und umzu Maßnahmen geplant sind, um die verkehrliche Situation in Bremen-Nord zu entlasten.
Infrastruktur ist schlecht
Allerdings kann Linda Neddermann in Sachen Entlastung keine Hoffnung machen. Im Gegenteil: "Die Autobahn GmbH hat nach der Übernahme der Infrastruktur von Bremen mehrere Sanierungsmaßnahmen in die Wege geleitet, die im ganzen Stadtgebiet zu erheblichen Einschränkungen führen", macht sie deutlich. Neddermann liefert auch gleich eine Erklärung hinterher, warum die Situation so ist, wie sie sich derzeit präsentiert: "Die A 270 wird sowohl in 2023 als auch 2024 von Mai bis Dezember nur einstreifig je Richtung zur Verfügung stehen. Zudem müssen Übergangskonstruktionen auf der A 27 im Bereich des ,Ihlpohler Kreisels' saniert werden (auf der A 27 steht in einer Fahrtrichtung nur ein Fahrstreifen zur Verfügung, wechselseitige Arbeiten). Das Aufschieben von Maßnahmen ist im Bereich der Autobahnen nur bedingt möglich, weil die Infrastruktur laut Autobahn GmbH in sehr schlechtem Zustand ist."
Damit nicht genug, denn auch im örtlichen Vegesacker Straßennetz gibt es derzeit Arbeiten der gängigen Bauträger (ASV, DB, Hansewasser, Wesernetz und weitere), die laut Neddermann "momentan und künftig zu Einschränkungen führen".
Entlastung nicht in Sicht
Von Entlastung also keine Spur – im Gegenteil. Das, was aus dem Ressort der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau zu hören ist, scheint die Verkehrssituation sogar noch weiter zu verschärfen. "Die größere Maßnahme in der Georg-Gleistein-Straße mit halbseitiger Sperrung inklusive Umleitung läuft bereits seit 2022 und wird noch bis in den Spätsommer reichen", so Neddermann. Dabei sind die Arbeiten in der Georg-Gleistein-Straße in der 19. Kalenderwoche noch ausgeweitet worden, geht die einseitige Sperrung nun vom Aumunder Marktplatz bis kurz vor die Hammersbecker Straße. "Bis Ende Mai / Anfang Juni ist die Betroffenheit in der Georg-Gleistein-Straße erheblich, da der Knotenpunkt Am Rabenfeld gesperrt ist", macht Neddermann deutlich. Der weitere Hinweis erleichtert kaum: "Danach werden etwas weniger schwerwiegende Einschränkungen greifen, hier stehen die genauen Auswirkungen jedoch noch nicht fest, da Wesernetz noch prüft." Denn: "Neben Abschnitten in der Georg-Gleistein-Straße wird noch in der Kirchheide und der Hammersbecker Straße gebaut werden."
Dann macht Neddermann noch deutlich, dass das Baufeld Georg-Gleistein-Straße sich seit Anfang dieser Woche zwischen Am Rabenfeld und Hammersbecker Straße befindet, inklusive dreiwöchiger Sperrung des Knotenpunktes Am Rabenfeld. "Bis voraussichtlich Ende Juni / Anfang Juli ist dann ,nur' die Fahrbahn einseitig gesperrt und wird umgeleitet." Die Rückstaus und langen Fahrwege werden sich also in den kommenden Wochen in Vegesack und umzu kaum vermeiden lassen. Da hilft es auch nicht, dass Linda Neddermann am Ende ihrer Erläuterungen noch mitteilt: "Das Vegesacker Hauptstraßennetz ist relativ klein und damit sehr schnell ausgereizt, was Sperrungen und Umleitungen betrifft."
Straße dicht nach Gasauströmung
Wenn dann noch Unfälle passieren, macht es die Situation ungleich schwerer – wie Montagmorgen die Autofahrer leidvoll erfahren durften. Gegen 8.30 Uhr ereignete sich ein Auffahrunfall auf der A 270 in Fahrtrichtung A 27 in Höhe der Anschlussstelle Ihletal, an dem drei Fahrzeuge beteiligt waren. Laut Polizei wurden zwei Autos beschädigt und mussten abgeschleppt werden. Wer in Richtung Vegesacker Zentrum wollte und gut durch die Baustelle Georg-Gleistein-Straße gekommen war, hatte gegen 9.40 Uhr das nächste Hindernis vor sich: Die Polizei sperrte ein Teilstück der Straße Fährgrund. Zehn Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr mit gut 50 Kräften waren vor Ort. Bei Baggerarbeiten war es zu Gasausströmungen gekommen. Laut Christian Patzelt von der Feuerwehr Bremen kein ungewöhnlicher Einsatz, insbesondere an Baustellen. "Das haben wir mehrfach die Woche." Auch mit solch hohem Aufwand an Einsatzkräften. "Wir sind auf jeden Fall zur Brandsicherung vor Ort." Präventivmaßnahmen, die auf einem ähnlich gelagerten Zwischenfall aus 2000 fußten, wo der Einsturz eines Wohnheimes und mehrere Todesopfer die Folge gewesen seien, auch Rettungswagen zum "Eigenschutz der Einsatzkräften" seien dabei. Oft hätten laut Patzelt zwar die Mitarbeiter der Baubetriebe solche Gasausströmungen schnell im Griff, auch in Vegesack sei schnell abgedichtet worden. Dennoch dauerte der Einsatz, erst gegen 12 Uhr war der Großteil der Einsatzkräfte laut Patzelt wieder abgerückt.