Als Maria Zahnd anfing, im Mütter- und Säuglingsheim St. Theresienhaus zu arbeiten, lag die Leitung der Stationen noch in den Händen der Nonnen aus dem St- Marien-Orden in Osnabrück. Eine gewisse Strenge sei von den Schwestern ausgegangen, erinnert sich die Nordbremerin, die damals noch Maria Vogt hieß. Sie war 16 Jahre alt "und furchtbar schüchtern", als ihre Lehre zur Hauswirtschafterin begann.
50 Jahre ist das her. Fast doppelt so lange gibt es das St. Theresienhaus. 1927 wurde es vom Katholischen Fürsorgeverein gegründet, um in Vegesack ein Heim für "gefallene Mädchen" zu betreiben. So nannte man damals Mütter, die ein uneheliches Kind zur Welt brachten und von den Familien verbannt wurden. Im St. Theresienhaus fanden sie eine Herberge und Unterstützung. Im Lauf der Jahrzehnte habe sich die Fürsorge für junge Menschen gewandelt und den gesellschaftlichen Veränderungen angepasst, sagt Theresienhaus-Leiterin Martina Ulrich. Ab 1989 verließen die Nonnen die Einrichtung und wurden durch ausgebildete Fachkräfte ersetzt. Heute betreuen 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rund 120 Kinder und Jugendliche stationär sowie ambulant 400 Familien in Bremen-Nord und dem Kreis Osterholz, berichtet die Leiterin. Träger der Einrichtung ist die Stiftung Katholische Kinder- und Jugendhilfe im Bistum Hildesheim.
Auch im Ruhestand zur Arbeit
Maria Zahnd könnte jetzt ihren Ruhestand genießen. Arbeiten müsste sie nicht mehr. Aber sie möchte es. Das St. Theresienhaus in Grohn mit seinen Bewohnern und Beschäftigten ist ihr längst zu einer großen Familie geworden. Ein paar Stunden in der Woche erledigt die 66-Jährige dort immer noch als geringfügig Beschäftigte ihre Arbeit. Außerdem engagiert sie sich in der katholischen Gemeinde. Damals war es üblich, dass die Lehrlinge mit im Heim wohnten, erinnert sich die Jubilarin an ihre Anfangszeit im Theresienhaus. Das hatte zu dem Zeitpunkt noch die Adresse Weserstraße 80. Nur ein Katzensprung entfernt von Aumund, wo die junge Auszubildende bei ihrer Familie lebte. "Mit im Haus wohnen? Nein, das kam für mich nicht infrage", erzählt Maria Zahnd. Sie setzte sich durch und kam jeden Morgen zu Fuß zum Dienst. Auch später, als die Schwestern meinten, sie könnten kontrollieren, ob die junge Mitarbeiterin nach der Arbeit in die Disco geht, zeigte sie Grenzen auf. Da hatte sie die Schüchternheit schon über Bord geworfen. Solche Kontrollen, hielt sie den Stationsleitungen entgegen, "verbitte ich mir".
So viele Erinnerungen und Geschichten, die sich in Maria Zahnd angesammelt haben seit sie 1972 im St. Theresienhaus anfing. Noch heute sieht sie sich in der Waschküche stehen, das Treppenhaus putzen und Essen zubereiten. "90 Kinder mussten damals versorgt werden", blickt sie zurück. Frühstück, Mittagessen, Abendbrot, und nicht selten kam auch selbst gebackener Kuchen auf den Tisch. Sie erinnert sich an die Feste, die im parkähnlichen Garten gefeiert wurden, der bis hinunter zur Weser reichte. Auch Gemüse hätten sie dort geerntet.
Gute Seele im Haus
Bis 1988 hatte Maria Zahnd im St. Theresienhaus in der Großküche gearbeitet. Danach wechselte sie in eine selbstständige Wohngruppe mit acht Jugendlichen nebst sechs Mitarbeitern und kümmerte sich dort um den Haushalt. "Die Jugendlichen mussten aber mithelfen", berichtet sie. Zum Beispiel ihre Wäsche selbst waschen – und ihre Erfahrungen damit sammeln, dass Bunt- und Weißwäsche besser nicht zusammen in einen Waschgang gehören, erinnert die Jubilarin sich schmunzelnd an Waschergebnisse in Pink. Sie lacht. "Und beim Fegen gab es runde Ecken." Auch ein Garten gehörte zum Haus. Maria Zahnds "große Leidenschaft".
Er schimmert durch, wenn die Nordbremerin von ihrer Arbeit erzählt: der liebevolle Blick auf die Jugendlichen. "Unsere Hauswirtschaftskräfte sind für die Jugendlichen sehr wichtig", unterstreicht Theresienhaus-Leiterin Martina Ulrich. Neben den pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bilden die Hauswirtschaftskräfte eine Konstante im Alltag der jungen Bewohnerinnen und Bewohner. Für manch einen sind sie "die gute Seele im Haus". Eine, zu der man in die Küche kommt und erzählt, was einem auf dem Herzen liegt. Die Jugendlichen hätten gespürt, sagt Martina Ulrich, "dass Maria Zahnd wertschätzend mit ihnen umgegangen ist und mit Herzblut bei der Sache war".
Das "Große-Familie-Prinzip" habe ihr gut gefallen, blickt die Jubilarin auf ihre Arbeit. Der Kontakt mit den Jugendlichen war zwar auch mal anstrengend, aber ebenso bereichernd, meint Maria Zahnd. Manch ein Jugendlicher von damals spreche sie heute noch auf der Straße an. "Die haben jetzt zum Teil selbst Familie", erzählt sie. "Und wenn sie einen guten Weg geschafft haben, bin ich auch stolz."