Während der Corona-Pandemie hat sich auch die Bestattungskultur verändert. Diese Beobachtung macht der Nordbremer Bestattermeister Henrik Stühmer. "Der Kontakt zu den Hinterbliebenen läuft aktuell zunehmend online", bedauert er. "Die Menschen benötigen eigentlich den Raum, um zu trauern, aber wir müssen uns anpassen, beispielsweise bei der Digitalisierung. Beerdigungsgespräche laufen derzeit oft über Skype oder Zoom, weil die Leute wegen Corona nicht herkommen können oder wollen", erklärt der 29-Jährige. "An sich möchte ich lieber persönlich mit ihnen sprechen, denn online ist leider nicht so einfach zu erkennen, was den Hinterbliebenen während der Trauerzeit gut tut."
Auch Grabstätte, Urne oder Sarg würden inzwischen häufiger online aus der Ferne ausgewählt. Ich habe deshalb alle verfügbaren Grabstellen auf den Nordbremer Friedhöfen aus verschiedenen Perspektiven fotografiert, damit sich die Kunden via Internet eine Stelle aussuchen können", erzählt Stühmer. Zudem seien alle Sargmodelle in einer digitalen Präsentation zu sehen. "Es ist ernüchternd, aber manche Angehörige sitzen aktuell in Australien oder Neuseeland fest und können nur zur eigentlichen Beisetzung herkommen. Viele Urnen stünden bis dahin aufgrund der Pandemie monatelang im Tresor des Institutes unter Verschluss.
Vermutlich werde die Bestattungskultur – nicht zuletzt durch den digitalen Schub – künftig "immer anonymer", prophezeit der Fachmann. Dieser Trend manifestiere sich in Bremen-Nord schon länger bei der Auswahl der Grabstätten. "Früher hatten wir 80 Prozent Erdbestattungen, heute sind es 80 Prozent Feuerbestattungen." Beliebt seien beispielsweise teilanonyme Gräber, die lediglich die Namen der Verstorbenen auf Bronzeplaketten zeigen. Hier entfällt die Pflege.
Friedwälder liegen im Trend
Aber auch rein anonyme Gräber lägen zunehmend im Trend. "Hier werden die Menschen ohne namentliche Kennzeichnung beigesetzt", sagt der 29-Jährige und vermutet, dass diese Bestattungsform auch nach der Pandemie häufiger gewählt wird, weil sich die Familienstrukturen zusehends verändern, die Angehörige in anderen Städten wohnen oder das Grab nicht pflegen möchten. Kirchliche Beisetzungen werden kontinuierlich weniger, betont er. Stattdessen gäbe es immer mehr konfessionslose Besetzungen mit freien Trauerrednern. Steigender Beliebtheit erfreuten sich indes auch Friedwälder. Stühmer: "Aber die städtischen und kirchlichen Friedhöfe steuern mit Baumgräbern bereits dagegen."
In Bremen ist es auch möglich, die Asche im eigenen Garten zu verstreuen, "das haben wir zwar mehrmals im Jahr, aber längst nicht so oft wie erwartet", sagt der Bestatter. Gegebenenfalls hole er die Asche in der Urne vom Krematorium ab und händige sie jenem Menschen aus, der sich eidesstattlich verpflichtet hat, die Asche ordnungsgemäß auf dem genannten Grundstück auszubringen.
Nach der Kremation, wiege die Asche eines Toten, seiner Kleidung und des Sarges nebst Ausstattung zwischen 3,5 und 5 Kilogramm. Mögliche Edelmetalle aus Zahnersatz oder Schmuck blieben im Krematorium zurück. "Sie werden für wohltätige Zwecke gespendet oder sind dann Eigentum des Krematoriums. Stühmer: "Wir empfehlen, den Schmuck als Andenken vorher abzunehmen."
Zu beobachten sei, dass es - quer durch die Gesellschaft - immer häufiger Beisetzungen ohne Trauerfeier gebe. "Das macht mich traurig, denn die Würde des Menschen hört mit dem Tod nicht auf", sagt der 57-jährige Volker Stühmer. Mitunter gäbe es tatsächlich keine Angehörigen, aber manchmal sei auch Geld das Motiv, auf eine Feier zu verzichten. "Und das ist leider deutlich mehr geworden", bedauert der Nordbremer.
"In Bremen-Nord ist der Anteil der Beisetzungen ohne Trauerfeier konstant hoch", bestätigt Christian Stubbe, Vorsitzender des Bestatterverbandes Bremen. Diese Tendenz zeichne sich aber schon seit zehn Jahren ab und habe nichts mit Corona zu tun. Mitunter seien Streitigkeiten in den Familien das Motiv. Oder sie leben zu weit entfernt.
Die Pandemie ist für Christian Stubbe allerdings Anlass gewesen, in seinem eigenen Beerdigungsinstitut Livestreams von Trauerfeiern anzubieten. Wenn die Angehörigen nicht vor Ort sein können, werde die Zeremonie auf Wunsch via Kamera und Richtmikrofon über die Homepage des Instituts übertragen. Dort sei die Feier eine Woche einsehbar, und die Familie erhalte einen USB-Stick mit der Aufnahme.
"Im Winter und Frühjahr haben wir sechs bis sieben Streams von Trauerfeiern gemacht, weil die Menschen nicht persönlich teilnehmen konnten", erzählt der Bestatter. Während des Lockdowns hätten in Frankreich einmal mehr als 100 Menschen den Livestream einer Trauerfeier verfolgt, da sie nicht zur Beerdigung ihres Landsmannes nach Deutschland reisen durften. Und das Streamen behalten wir auch nach Corona bei", betont der 61-Jährige, schließlich sei das Equipment kostspielig und das Angebot haben sich absolut bewährt.