Herr Voß, was ging Ihnen so durch den Kopf, als endlich der so lang ersehnte erste Saisonsieg feststand?
Tyrese Voß: Ich habe nur eine unglaubliche Erleichterung gespürt. Wir hätten eigentlich schon früher in der Saison den ersten Sieg verdient gehabt und jetzt tatsächlich und dann auch noch auswärts zu gewinnen, ist einfach ein geiles Gefühl. 14 Spiele lang haben wir darauf gewartet, da fiel uns allen ein großer Stein vom Herzen.
Was haben Sie nach dem ersten Jubel zuerst gemacht. Da lief doch sicherlich das Handy heiß?
Ja klar. Mein Vater war ja mitgefahren, aber ich habe natürlich gleich in unsere Familiengruppe geschrieben und meine Mutter und meine Oma haben sich mit mir gefreut. Und auch aus den verschiedenen WhattsApp-Gruppen, in denen ich noch aktiv bin, haben viele direkt gratuliert. Das tat natürlich unheimlich gut.
Konntet Ihr danach auch ordentlich feiern?
Auf jeden Fall. Wir waren ja seit Freitagabend in Dresden und sind dann nach dem Spiel dort noch gemeinsam auf den Weihnachtsmarkt gegangen. Dort wollten wir unbedingt mit einem Sieg auflaufen und das hat uns natürlich zusätzlich angespornt.
Mit welchem Gefühl habt Ihr Euch am Freitagmittag auf den Weg gemacht. Nach dem 2:2 bei Viktoria Berlin zum Rückrunden-Auftakt, sollte ja endlich der erste Sieg eingefahren werden?
Wir hatten uns vorher versprochen, auf jeden Fall alles reinzuwerfen, aber die Voraussetzungen waren nicht gerade optimal. Unter der Woche konnten wir auf dem hart gefrorenen Platz nicht zusammen trainieren, mussten uns also individuell vorbereiten. In der Kabine war kurz vor dem Anpfiff aber eine absolut positive Stimmung. Es war deutlich zu spüren, dass jeder bereit war, gleich im Spiel hundert Prozent zu geben.
Und das habt Ihr auch sofort umgesetzt?
Ehrlich gesagt, hatten wir keinen guten Start. Erst nach 20 Minuten waren wir dann aber gut im Spiel. Und mit jeder guten Aktion stieg unser Selbstvertrauen. Nach der 1:0-Führung ging es dann ja Schlag auf Schlag weiter und innerhalb von sieben Minuten war das Spiel entschieden.
Blicken wir mal ein wenig zurück. 14 Spiele lang ohne Sieg. Wie haben Sie diese lange Durststrecke überstanden? Wie haben Sie sich immer wieder motiviert?
Ich meine, jedes Spiel fängt für mich bei Null an. Und allein die Tatsache, in der höchsten deutschen Liga zu spielen, ist für mich schon Ansporn genug. Für mich ist das ein echtes Privileg, in dieser Klasse zu spielen und immer wieder zu versuchen, 100 Prozent zu geben. Davon träumen viele junge Fußballer. Wer in dieser Liga keine Lust hat, ist am falschen Ort.
Hattet Ihr es Euch so schwer vorgestellt, in der Bundesliga Fuß zu fassen?
Natürlich wussten wir, dass es nicht leicht werden würde. Aber wir wollten unseren Fußball spielen. Und ich meine, dass wir meistens mitgehalten haben und dass wir wirklich einen guten Ball spielen, den man sich ansehen kann. Manchmal waren wir aber noch zu unclever und kassierten auch unglückliche Tore.
Mit welchen persönlichen Zielen sind Sie in die Bundesliga-Saison gestartet?
Ich wollte so viel wie möglich Einsatzzeit haben und in dieser höchsten Spielklasse so viel wie möglich für mich mitnehmen. Mich weiter zu entwickeln, hat für mich die höchste Priorität. Wir erhalten hier von unseren Trainern viel Feedback und ich fühle mich auf dem richtigen Weg. Ich denke, ich habe schon einen Schritt gemacht.
Sind Sie eher ein in sich gekehrter Typ, oder machen Sie ihrem Ärger und Ihrer Enttäuschung auch schon mal lautstark Luft?
Erst einmal kann ich grundsätzlich nicht so gut verlieren. Nach einer Niederlage brauche ich schon eine gewisse Zeit, um das erst einmal mit mir auszumachen. Danach tauschen wir uns natürlich in der Mannschaft gegenseitig aus.
Wie war denn während der bisherigen Saison die Stimmung in der Mannschaft?
Immer sehr gut. Alle waren immer optimistisch, haben den Kopf oben getragen. Auch, wenn von außen natürlich schon auch mal Kritik kam. Aber bei uns glaubt jeder an unser Team.
Apropos Kritik: Wie kommen Sie damit klar?
Soweit gut, denn alle meine Freunde und Verwandten stehen immer hinter mir. Aber natürlich kommt in der Schule schon mal ein blöder Kommentar. Das ist auf die Dauer natürlich nicht schön. Aber wir spielen nun einmal in der Bundesliga und dann muss man lernen, damit klarzukommen.
Sie spielen im offensiven Mittelfeld, sind gemeinsam mit Torwart Emmanuel Mawuli Mensah Mannschaftskapitän. Wie definieren Sie Ihre Rolle in der Mannschaft?
Ich hoffe, das hört sich jetzt nicht zu abgehoben an, aber ich sehe mich schon als eine Art Teamleader. Ich versuche, immer voran zu gehen und auch in schwierigen Situationen, wenn wir zum Beispiel schon nach zehn Minuten zurückliegen, alle mitzuziehen. Vor allem auch natürlich die Spieler aus dem jüngeren 2008er-Jahrgang. Ich bin davon überzeugt, dass man alle mit seiner eigenen guten Leistung mitnehmen und verbessern kann. Außerdem versuche ich als Kapitän, natürlich auch anderen Feedback zu geben und kann mich äußern, ohne gleich anzuecken.
Mit vier Punkten aus zwei Spielen seid Ihr sehr gut in die Rückrunde gestartet. Was ist aus Ihrer Sicht jetzt noch möglich?
Ich glaube immer daran, dass wir es noch schaffen, einen Abstiegsplatz zu verlassen. Und auch die gesamte Mannschaft hat dieses Ziel fest vor Augen. Am nächsten Sonnabend beenden wir dieses Jahr mit einem Heimspiel gegen den Chemnitzer FC. Es gäbe für uns natürlich nichts Geileres, als dieses letzte Spiel vor der Winterpause zu gewinnen und dann im nächsten Jahr weiter anzugreifen.
Das Interview führte Rainer Jüttner