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Fußball-Bremen-Liga Frontmann Widerwillen

Nach dem Werle-Rücktritt zeigt Bremen-Ligist SAV mittlerweile unter Issam El-Madhoun spektakulären Fußball
07.01.2024, 17:23 Uhr
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Von Jens Pillnick

Issam El-Madhoun ist alle andere als der klassische Frontmann. Der 43-Jährige ist zurückhaltend, arbeitet lieber abseits des Rummels. Nun steht er aber doch ganz vorn. Aus dem Co- und Interimstrainer ist der Trainer geworden, der die Geschicke beim Fußball-Bremen-Ligisten SG Aumund-Vegesack leitet. "Ich bin schon so lange im Verein. Da konnte und wollte ich die Bitte nicht ablehnen", sagt der Speditionskaufmann, dem nach sechs Spieltagen die Verantwortung übertragen worden war. Erst für ein paar Spiele, dann bis zur Winterpause und schließlich bis zum Ende der Spielzeit 2023/24. Der überraschende Rücktritt von Markus Werle nach sechs Spieltagen hatte alle Planungen über den Haufen geworfen.

Ein Rücktritt, der für die SAV um Abteilungsleiter Bernd Siems zur Unzeit kam, denn es stellte sich heraus, dass im September – und offenbar bis jetzt – schlichtweg kein Trainer auf dem Markt war, der das Anforderungsprofil erfüllte. Der soll laut Issam El-Madhoun aber zeitnah präsentiert werden, um die Kaderplanung mit Unterstützung des jetzigen Coaches, der unter anderem von Miguel Garcia tatkräftig unterstützt wird, steuern zu können.

Aus der zweiten in die erste Reihe

Turbulent. Das ist das Adjektiv, mit dem Issam El-Madhoun die Zeit vom Saisonstart am 15. August bis jetzt beschreibt. Nach einem Auftakt mit drei Siegen und drei Niederlagen geriet die SAV Mitte September in die Schlagzeilen, denn nach dem 1:2 beim SC Vahr-Blockdiek erklärte Markus Werle nach 15-monatiger Tätigkeit seinen Rücktritt. Mit dem Issam El-Madhoun aus der zweiten in die erste Reihe vortrat. Notgedrungen. Denn der Job, nach dem sich viele Trainer in Bremen-Nord und umzu die Finger lecken würden, ist für Issam El-Madhoun, dessen Familie 1986 wegen des Krieges im Nahen Osten nach Deutschland kam, nicht die Erfüllung. "Das ist auch eine Typsache. Als Cheftrainer muss man Entscheidungen treffen, die für manche Personen nicht schön sind", beschreibt Issam El-Madhoun, warum er mit der Cheftrainerrolle fremdelt. Issam El-Madhoun hätte damals versucht, Markus Werle zum Weitermachen zu überreden und der Trainer-Mannschaft-Beziehung noch eine Chance zu geben. Vergeblich. Werle hätte dem Interimstrainer schließlich viel Glück gewünscht.

Dass ihm der Einstieg in verantwortlicher Position gelungen sei, macht er ganz bescheiden am wenigsten an sich selbst und dem Stab fest. Spieler wie Christian Böhmer, Abdullah Basdas, Lennart Kettner, Lokman Abdi und Sebastian Kurkiewicz hätten in dieser Situation sehr geholfen. Unter dem Strich hätte sich das Team alles selbst erarbeitet – zu 90 bis 95 Prozent: "Miguel und ich hatten nur einen kleinen Anteil daran.“ Bis die Neuorientierung nach dem Werle-Aus gefunden war, dauerte es die eine oder andere Woche. El-Madhouns 4:0-Debüt gegen die Leher TS folgten in der Liga Niederlagen gegen den Blumenthaler SV (2:5), die SV Hemelingen (1:5) und die BTS Neustadt (1:4). Und damit, das gibt El-Madhoun ganz offen zu, "die Angst vor dem freien Fall. Wie ihn dann Brinkum erlebte."

Und genau das Brinkum-Spiel bedeutete die Wende. Das 6:3 war der Startschuss einer Serie, die bis zur Winterpause hielt: 5:1 gegen FC Oberneuland, 3:1 gegen KSV Vatan Spor, 4:1 gegen ESC Geestemünde, 4:0 gegen OSC Bremerhaven und 7:2 gegen FC Union 60. "Wir haben die Ruhe bewahrt", nennt Issam El-Madhoun einen weiteren Grund, warum die SAV den Turnaround schaffte und nach dem Brinkum-Sieg (El-Madhoun: "Das war der Dosenöffner") viel Selbstvertrauen entwickelte und die Qualität auf den Platz brachte. El Madhoun: "Wir haben Dynamik entwickelt und wirklich guten Fußball gezeigt."

Klar, dass Issam El-Madhoun und seine Spieler diese Dynamik ins Jahr 2024 transportieren und möglichst nahtlos an die famosen Vorstellungen anknüpfen wollen. Ab Dienstag, 9. Januar, wird dafür gearbeitet, dann steht mit unverändertem Personal der Trainingsauftakt auf dem Programm. Zusätzlich beflügelt werden dürfte die Vorbereitung davon, dass der erste Gegner im Kalenderjahr 2024 ein besonderer ist: SV Werder Bremen II. "Gut, dass wir dieses Ziel haben", setzt Issam El-Madhoun darauf, dass jeder von der ersten Minute an Vollgas gibt, um gegen die Ausnahmemannschaft der Liga in der Startelf zu stehen. "So oft kommt man nicht in den Genuss, auf Platz 11 zu spielen", sagt Issam El-Madhoun. Und gibt zu, dass das natürlich auch für ihn als Trainer gelte. Die Medaille hat allerdings auch eine Kehrseite. "Es ist davon auszugehen, dass die Serie kaputtgeht", schätzt Issam El-Madhoun die Aussichten gegen einen Gegner, der alle 16 Partien gewonnen und dabei ein Torverhältnis von 111:11 erreicht hat, realistisch ein. Das Hinspiel hatte die SAV mit 1:5 verloren.

"Es kommen auch andere Zeiten"

Auch insgesamt betrachtet ist Issam El-Madhoun kein Trainer, der aufgrund der sechs Siege am Stück Traumschlösser baut: "Es kommen auch andere Zeiten. Ich bin nicht erst seit gestern dabei." Die Zielsetzung für die kommenden Monate lautet dementsprechend: "Wenn wir zwischen Platz vier und acht landen, ist alles in Ordnung." Und total in Ordnung ist nach Aussage des 43-Jährigen auch die Gemeinschaft. Er gehe davon aus, dass die meisten Spieler über die laufende Saison hinaus bleiben würden. Doch zunächst einmal gilt es, sich für die Partie gegen Werder II am 10. Februar bestmöglich zu präparieren. Dazu hat Issam El-Madhoun vier Testspiele vereinbart, die allesamt auf dem Vegesacker Kunstrasen ausgetragen werden sollen: gegen den FC Worpswede (Di., 16. Januar, 19.30 Uhr), den 1. FC Burg (Di., 23. Januar, 19.30 Uhr), den FC Verden 04 (So., 28. Januar, 13 Uhr) und den TuS Harsefeld (So., 4. Februar, 15 Uhr).

Ab sofort fiebern also alle im SAV-Lager dem Spiel gegen Werder II am 10. Februar (14 Uhr) auf Platz 11 entgegen. Aber eben nicht nur das: Denn auch die Trainerfrage für die Spielzeit 2024/25 wird alsbald geklärt werden müssen. "Wenn unser Präsident Bernd Siems einen Trainer hat, wird er ihn auch schnell präsentieren, weil es ja sowieso herauskommt", sagt Issam El-Madhoun. Kandidaten gibt es ganz sicher schon, doch bisher ist es den Verantwortlichen der SAV gelungen, dass deren Namen noch nicht öffentlich gehandelt werden.

Zur Person

Issam El-Madhoun (43)

hat beim Fußball-Bremen-Ligisten SG Aumund-Vegesack Mitte September 2023 als Interimstrainer die Nachfolge von Markus Werle angetreten. Seit 2014 war er bei der SAV als Co-Trainer im Einsatz. In eben diesem Jahr endete seine Spielerlaufbahn (abgesehen von Aushilfseinsätzen), weil sich die Rückkehr aufs Spielfeld nach einem doppelten Wadenbeinbruch als schwierig erwies. Issam El-Madhoun spielte ab der C-Jugend für den SV Grohn, den er auch im Herrenbereich nie verlassen hätte, wenn nicht personell bedingte "Unruhe" aufgekommen wäre. Nach zwei Jahren beim SV Türkspor schloss er sich im weiteren Karriereverlauf der SAV an.  

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