"Unsere Mitarbeiter haben beschlossen, dort nicht mehr arbeiten zu wollen", sagt Erwin Bienewald zur Lage des Maribondo-Supermarktes in Vegesack. Bienewald ist Leiter der Stiftung "Maribondo da Floresta", die den Markt in der Lindenstraße verantwortet. Grund für die Entscheidung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei im Besonderen die Angst vor Überfällen. Sie hätten deshalb darum gebeten, sich an eine andere Stelle zu versetzen, Ende März soll es so weit sein.
Eine Entscheidung, die Sorgen auslöst: "Wenn der Markt schließt, leidet unsere Nahversorgung", sagt Dorothea Knust. Sie wohnt in unmittelbarer Nähe zum Supermarkt habe mit Nachbarn, "die auch höheren Alters sind", gesprochen, die ihre Befürchtungen teilen. Ohne den Maribondo an der Lindenstraße müsse sie zu Einkaufsmärkten fahren, die jenseits der Autobahn 270 liegen – eine direkte Busverbindung gibt es für sie dorthin nicht. Ein schneller Einkauf für wenige Artikel sei nicht mehr möglich.
Dringlichkeitsantrag im Beirat
Die SPD-Beiratsfraktion Vegesack hat sich dem Thema angenommen und einen Dringlichkeitsantrag für die nächste Beiratssitzung am heutigen Montag verfasst. Heike Sprehe von der SPD hofft, dass das Geschäft bleibt und zeigt sich optimistisch, dass die Diskussion zu einem schnellen Beschluss führt. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zum Antrag negative Voten geben wird", sagte Sprehe. Im Anschluss könne man die senatorischen Stellen informieren.
"Für die Nahversorgung ist Maribondo ein großer Anker, der wegfällt", sagt der Leiter des Ortsamts Vegesack, Gunnar Sgolik. Das Ortsamt habe die Möglichkeit, "auf Missstände hinzuweise und in die kommunalpolitischen Ränge zu drängen." Doch seien dem Ortsamt die Hände ein Stück weit gebunden. aber Sgolik sieht auch Investoren und Eigentümer in der Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass sich neue Gewerbe ansiedeln.
Laut Bremens Nahversorgungskonzept sei die Versorgung ausreichend, wenn ein Abstand von 700 bis 1000 Metern Fußweg zum nächsten "filialisierten" Lebensmittelmarkt zurückgelegt werden muss. Eine höhere Distanz zeige eine nicht optimale Situation an. Es gelte grundsätzlich, "dass die Ansiedlung von Einzelhandel privatwirtschaftliche Entscheidungen sind, auf die die öffentliche Hand nur wenig Einfluss hat", teilt Christoph Sonnenberg mit, Pressesprecher der Wirtschaftssenatorin. Der Erhalt des Maribondo-Supermarktes wäre für die Einkaufssituation vor Ort zwar sinnvoll, jedoch handle es sich um eine eben solche Entscheidung der Stiftung.
Supermarkt schreibt rote Zahlen
Hätte man ausschließlich auf die Zahlen geschaut, wären die Türen des Geschäfts schon deutlich früher geschlossen worden. "Wir machen ständig Minus, wirtschaftlich macht das keinen Sinn.", sagt Erwin Bienewald von der Maribondo-Stiftung. Vor allem die vielen Diebstähle würden dem Geschäft teuer zu stehen kommen. Sich dagegen mit Sicherheitspersonal zu wehren, würde weitere hohe Kosten bedeuten. Anwohnerinnen und Anwohner forderten solche kleinen Läden, dort in ausreichender Menge einkaufen, würden sie nicht, so Bienewald: "Man holt bei uns vielleicht einen Liter Milch, den Großeinkäufe machen die Leute hier aber nicht." Ein paar aufrechte Stammkunden kämen noch zum Einkaufen vorbei, die besten Stammkunden jedoch seien die Diebe.
Die Schließung stehe nun an, weil die Mitarbeiter sich immer weniger sicher fühlen würden. Daher werde noch überlegt, den Laden optional von morgens bis 13 Uhr geöffnet zu lassen. Seitens der Vermieterin sei es auch möglich, den Mietvertrag zu verlängern. Dabei gibt es angesichts der eh schon roten Zahlen jedoch ein Problem: Zwar sei der Mietpreis derzeit in Ordnung, angesichts einer kurzen Öffnungszeit, wäre dieser aber zu hoch.
Dass der Markt nach circa 15 Jahren schließt, versetzt Bienewald selbst nicht gerade in große Trauer: "Für uns ist das eher positiv, weil wir einfach Geld sparen." Das grundsätzliche Problem kleinerer Läden sei, dass fast nur ältere Menschen das Angebot wertschätzen würden. Diese Stammkundschaft breche aber mit der Zeit weg, das zeige auch die Entwicklung: "Zu Anfang hatten wir einen doppelten oder vielleicht dreifachen Umsatz im Vergleich zu heute."
Neue Arbeitsplätze
Drei Mitarbeiter seien zuletzt in Rente gegangen, unter anderem auch der Marktleiter. Alle der sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Lindenstraße haben eine sogenannte Behinderung oder Beeinträchtigung und sind im Inklusionsbetrieb tätig. Im Dringlichkeitsantrag der SPD-Beiratsfraktion heißt es, dass die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ein wichtiger Baustein zur Teilhabe sei. Der Erhalt sei von Bedeutung, da passende Arbeitsplätze keine Selbstverständlichkeit seien. Die Mitarbeiter müssten zwar nicht befürchten arbeitslos zu werden, ganz einfach sei eine Versorgung mit neuen Jobs aber nicht. "Die Betriebe sind an die Menschen angepasst und nicht die Menschen an die Betriebe", sagt Bienewald. "Klar können die in der Schulkantine arbeiten, aber was bringt das, wenn die das nicht können oder wollen?"