Herr Feder, sind unsere heimischen Pflanzenarten nicht durch Neophyten bedroht, indem ihnen massiv Konkurrenz gemacht wird?
Jürgen Feder: Dass es durch diese pflanzlichen Neubürger zu Artenrückgängen kommt, ist Quatsch. Der Rückgang der Biodiversität ist allein der Gleichmacherei unter den zahlreichen Lebensräumen durch den Menschen verschuldet. Vor allem die Nährstoffeinträge durch die Landwirtschaft und die Entwässerungen haben die Biotopvielfalt nivelliert – dass Neophyten verstärkt auftreten, ist nur die Folge davon.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Der Japanische Staudenknöterich, der sich an vielen Standorten auch in Bremen-Nord stark ausgebreitet hat, profitiert von den hohen Stickstoffgaben aus der Landwirtschaft. Eigentlich ist er aus Gärten in viele Biotope eingewandert, doch diese schnellwüchsige Art konnte sich aufgrund ihrer Robustheit und enormen Wuchskraft stark ausbreiten und beschattet die Standorte. Der Staudenknöterich liefert sich besonders an Flussufern wie der Weser ein 'Elefantenrennen' mit anderen hochwüchsigen Arten, wie dem Schlitzblättrigen Sonnenhut oder der Riesen-Goldrute.
Die Ausbreitung aus Gärten ist ein wichtiger Faktor, der Neophyten zu festen Bestandteilen unserer Landschaft werden ließ – spielen nicht auch der zunehmende Verkehr und der Warentransport eine Rolle?
Selbstverständlich, hinzu kommt aber zum Beispiel auch der Faktor Versalzung, vor allem entlang von Straßen, die im Winter mit Salz bestreut werden, und von der Arten wie der Krähenfuß-Wegerich profitieren. Insgesamt machen sich starke Pflanzenarten breit, weil wir ihnen den Lebensraum bieten. Und der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung vieler Arten noch zusätzlich. In Bremen-Nord hat sich zum Beispiel der Schmalblättrige Doppelsame, auch als Salatpflanze Rucola bekannt, stark entlang der Verkehrswege ausgebreitet. Diese Art, die ebenfalls aus Gärten stammt, braucht Wärme. Sie profitiert vom Klimawandel, der zum Beispiel auch die Kontraste zwischen Tag und Nacht stärker werden lässt, was besonders kontinentale Arten brauchen.

Hat sich in Lesum eingeschlichen: der Sonnenhut.
Trockene Sommer mit ausbleibenden Niederschlägen begünstigen wohl vor allem Neophyten, die aus dem Mittelmeerraum stammen?
Ja, aber auch aus ferneren Regionen mit mediterranem Klima, wie den Küsten Südafrikas – zum Beispiel das Schmalblättrige Greiskraut, das sich von der Bremer Wollkämmerei inzwischen über ganz Deutschland ausgebreitet hat. Interessant ist dabei, dass stärkere Nährstoffeinträge die fehlende Feuchtigkeit offenbar kompensieren können. So ist der bei uns heimische Gewöhnliche Wasserdost, der in Nordamerika als Neophyt auftritt, deutlich häufiger geworden. Er ist spät im Jahr eine wichtige Nektarquelle für blütenbesuchende Insekten – so wie viele Neophyten inzwischen eine wichtige Rolle auch für die Fauna spielen.
Nicht nur für Blütenbesucher – bieten Neophyten, die hoch und dicht wachsen, nicht auch Vögeln Brutmöglichkeiten?
Bestes Beispiel ist die Armenische Brombeere, sicherlich eine in Gärten problematische Art. Aber sie bietet durch ihr Dornengestrüpp einen gut geschützten Lebensraum für Kleinvögel.
Insgesamt würden Sie also für Toleranz gegenüber den Neubürgern in der Pflanzenwelt plädieren?
Absolut, denn diese Arten lassen sich letztlich nicht bekämpfen. Sie halten dem Menschen den Spiegel vor – letztlich sind sie die Konsequenz einer umfassenden Biotopzerstörung.