Shanties von klassisch bis modern in der Fußgängerzone, Irish Folk und keltischer Punk auf der maritimen Meile – an diesem Wochenende ist Vegesack voller Musik. Beim Festival Maritim wird im Bremer Norden die Sea Music gefeiert.
Für Haro Woldhuis von "Armstrong's Patent" ist das Stelldichein der Chöre und Bands aus verschiedenen Ländern "wie eine große Familie". Die Gruppe aus den Niederlanden ist seit gut 20 Jahren dabei. Warum sie immer wieder gerne zum Festival nach Vegesack kommt? Es sei die Begeisterung des Publikums an den Liedern, sagt der Sänger. "Wenn die Leute ihren Spaß, haben auch wir unseren Spaß."
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Das zeigt sich am Sonnabend in der Fußgängerzone. ""Wollt ihr alle mitmachen?", fragt Haro Woldhuis vor dem Stadthaus in die Runde. Und wie sie wollen. "Don't haul on the rope, don't climb up the mast" – zu den Klängen von "The Last Shanty" wird mitgesungen, ziehen die Hände imaginäre Seile, erklimmen imaginäre Masten. 18 Akustikgruppen ziehen am Vormittag durch die Straßen der Einkaufsmeile. An fünf Plätzen wird gesungen und musiziert, überall versammeln sich Zuhörer in Scharen um die Gruppen, die abwechseln von einem Auftrittsort zum nächsten ziehen.
Shanties von klassisch bis modern
In der Breiten Straße singen die "Hooks and Crookes" aus Irland, fünf ältere Herren mit Schiffermütze, von der Sehnsucht nach Shenandoah. Ian Bruce und seine Gruppe mischen in der Reeder-Bischoff-Straße rockige und Blues-Klänge zu Flöte, Gitarre und Percussioninstrumenten. Wenige Meter weiter auf dem Duckwitz-Platz gibt die Gruppe Hart Backbord, die das Festival 1999 mitgegründet hat, klassische Shanties zum Besten.
Aber auch Neulinge finden schnell ihre Fans. Mitten in der Gerhard-Rohlfs-Straße stehen fünf Sängerinnen in blau-weißen Ringelshirts. Die "Silver Darlings" aus England ziehen die Zuhörer mit a-capella gesungenen und humoristisch dargebotenen Liedern in ihren Bann. Sängerin Laura Tanner erklärt, was es mit dem Namen der Gruppe auf sich hat: In der Region, aus der kämen, habe der Heringsfang eine lange Tradition. Silver Darlings seien die Frauen genannt worden, die den auch als "Silber des Meeres" bekannten Hering an Land verarbeiteten. Vom Festival und seiner Atmosphäre zeigt sich die weibliche Shanty-Crew begeistert. "Es ist wundervoll, jeder ist freundlich, alles ist gut organisiert. Wir kommen gerne wieder."
Gute Stimmung bei Bands und Fans
So geht es auch vielen Besuchern. Rolf Schwengels aus Arsten ist Festival-Maritim-Fan. "Ich bin seit 24 Jahren dabei", erzählt er. Mit seiner Partnerin Anita Prinz lauscht er "Armstrong's Patent", die vom Sedanplatz zur Breiten Straße weitergezogen sind. Das Paar hat es sich in eigens mitgebrachten Klappstühlen in der ersten Reihe bequem gemacht. "Der enge Kontakt zwischen den Zuhörern und der Musik ist einfach toll. Die Gruppen verbreiten gute Stimmung", findet Rolf Schwengels. Seiner Partnerin gefällt der abwechslungsreiche Musikmix des Festivals. "Von Folklore bis Punk ist hier alles zu hören." Ihre Lieblingsgruppe, das 1. Bremer Ukulelenorchester, haben sie an diesem Vormittag auch schon gehört. Im vergangenen Jahr habe sie auf dem Festival einen Ukulelen-Workshop mitgemacht, erzählt Anita Prinz. Diesmal liebäugelt sie mit Irish Dance.
In der Gerhard-Rohlfs-Straße ist Rosmarie Brachfeld hin und weg. "Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern, keine Angst, keine Angst Rosmarie", singt die Gruppe Fishergirls Friends zum Dahinschmelzen harmonisch den Heinz-Rühmann-Gassenhauer. "Das war so schön, wie Sie meinen Namen gesungen haben", bedankt sich Rosmarie Brachfeld hinterher bei einem der Sänger. Auch ihr Mann Horst ist begeistert, weil die Gruppe mit "Seemann, deine Heimat ist das Meer" das Lieblingslied seines Vaters gesungen hat. Das Ehepaar kommt seit vielen Jahren zum Festival, schätzt nach eigenen Worten die unterschiedlichen Musikrichtungen. Eine Lieblingsgruppe hatten sie bislang nicht. "Das hat sich heute geändert", sagt Hort Brachfeld mit Blick auf die Fishergirls Friends.

Tortilla Flat aus der Schweiz spielte Dudelsack-Rock.
Am Nachmittag geht es an der Weser weiter. Auf der maritimen Meile zwischen Hafen und Signalstation spielt auf neun Bühnen die Musik. Da gibt es dann die ganze Palette, von Dudelsack-Rock und Folk-Punk bis zu maritimem Metal. Vor der großen Bühne am Hafenwald sind die Bänke schon am frühen Nachmittag voll besetzt. Am Utkiek und im Stadtgarten lassen sich die Menschen von der Musik treiben, vorbei an Ständen mit Schmuck, Sonnenhüten, Lederwaren, Fisch- und anderen Essbuden. Am Utkiek schießt eine Maschine Seifenblasen auf die Flaneure – zur Freude nicht nur kleiner Besucher. Andere Besucher lassen sich in Liegestühlen im Stadtgarten unter Bäumen oder in der Beachbar neben der Signalstation von Klängen umwehen. Mit Blick auf die Weser, wo der Finkenwerder Kutter "Astarte" mit Fahrgästen schippert und punkt 18 Uhr das Feuerlöschboot 1 Wasserfontänen in den Himmel spritzt.
Anders als im vergangenen Jahr, als das Programm am zweiten Tag vorzeitig beendet werden musste, haben die Veranstalter am Sonnabend weniger Pech mit dem Wetter. Nach ein paar Tropfen am Nachmittag fällt erst am Abend etwas mehr Regen. Arrangieren sich die Besucher anfangs noch damit, verlagert sich das Geschehen später eher in die umliegenden Kneipen.

Triddana aus Argentinien mischten keltische Melodien mit Metal.
An diesem Sonntag treten die Bands noch bis abends auf der maritimen Meile auf. Dort endet das Festival um 22.15 Uhr mit einem Shanty-Slam und einem Höhenfeuerwerk.
Nach Angaben der Polizei ist das Festival bisher ohne nennenswerte Zwischenfälle verlaufen, wie Polizeisprecher Bastian Demann am frühen Sonntagnachmittag auf Nachfrage mitteilt. "Bis jetzt ist es ein absolut ausgelassenes Volksfest mit absolut friedlicher Stimmung."