Es hatte verblüffende Ähnlichkeit mit einem dieser typischen Sportlerfilme: ein Athlet muss aus diversen Gründen ewig lange auf seinen ersten Einsatz in der Mannschaft warten, bestreitet dann endlich sein erstes Spiel und wird in der allerletzten Sekunde zum Helden des Tages. Klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Für Dustin Lübber wurde dieses Szenario jedoch Realität. Der Winter-Neuzugang von der SG Aumund-Vegesack II musste lange auf seine Freigabe warten und erzielte am Mittwochabend bei seiner Premiere im Trikot des Fußball-Landesligisten SV Grohn mit seinem Treffer in der Nachspielzeit das entscheidende 3:2 beim Tabellenschlusslicht BSC Hastedt. Dass die Nordbremer diese drei Punkte erst nach einem 0:2-Rückstand und in Unterzahl einfuhren, gab der Partie zusätzliche Würze.
Apropos Würze: Reichlich Pfeffer bot diese Begegnung bereits vor dem Anpfiff, was allein schon an der Tabellenkonstellation lag. Denn für die Hastedter war dies bereits eine der letzten Möglichkeiten, im Abstiegskampf doch noch den rettenden Strohhalm zu ergreifen. Zusätzliche Motivation gab den Kickern vom Osterdeich echte Fußball-Prominenz an der Seitenlinie. Denn diesmal saß nicht Safak Dinkci auf der Hastedter Trainerbank, sondern sein Sohn Eren, Profi des SV Werder Bremen, der bekanntlich an den FC Heidenheim ausgeliehen worden war und im Sommer zum SC Freiburg wechselt. "Das war natürlich schon ein Schmankerl am Rande und man konnte mal das eine oder andere Wort miteinander wechseln", sagte Grohns Spielertrainer Jan-Philipp Heine, der aufgrund seiner Knieverletzung nicht auf dem Feld stand.
Und er sah eine starke Hastedter Anfangsphase, auf die sich die Grohner zwar eingestellt hatten, sich letztlich jedoch nur ein paar Minuten lang an den abgesprochenen Matchplan hielten. "Wir wussten, dass uns Hastedt früh anlaufen würde, dennoch wollten wir mit spielerischen Mitteln dagegen halten, womit wir uns aber sehr schwer taten", sagte Heine. Die Hastedter spielten gut gegen den Ball und setzten die Grohner unter Druck. "Mit ihrem Einsatz und ihrer Laufbereitschaft hatten sie sich die Führung auch verdient", erkannte der SVG-Spielertrainer an. Dennoch halfen die Grohner beim ersten Treffer der Gastgeber ungewollt mit. Der Plan sah vor, den Gegner auf einer bestimmten Höhe des Feldes anzulaufen, doch bereits nach drei Minuten stand die Abwehr zu hoch, ging gleichzeitig nicht richtig zur Sache. Celal Gencer war allein gelassen und im Rückwärtslaufen machtlos – und prompt lag der Ball nach einem Schuss von Khalil Maarouf im Grohner Tor.
Gelb-Rot für Ismail Zivoli
Nachdem sich beide Teams im weiteren Verlauf neutralisiert hatten, stellten die Grohner nach der Pause auf ein 4:4:2-System um und für Edin Mehmedi kam Muhammet Özkul. Beide Maßnahmen fruchteten und die Grohner übernahmen das Kommando. Trotzdem trafen die Hastedter erneut. "Aus unserer Sicht ein klares Abseitstor", sagte Jan-Philipp Heine. Eine vermeintliche Fehlentscheidung mit Folgen. Denn Ismail Zivoli sah zunächst die Gelbe Karte, nachdem er sich offenbar zu sehr darüber aufgeregt hatte. Sekunde später sah er dann nochmals Gelb, nachdem sich Referee Joshua Lommes mit seinem Linienrichter ausgetauscht hatte. "Der Linienrichter wollte Ismail wohl noch einmal die Situation erklären, doch der winkte ab und drehte ihm den Rücken zu. Jedenfalls waren wir schon sehr irritiert über diese Entscheidung", sagte Heine.
Die Grohner haben im Saisonverlauf aber gelernt, mit solchen Situationen umzugehen. Und wo sonst das Spiel zumeist einen unheilvollen Verlauf nahm, erwacht mittlerweile der Kampfgeist. "Die Fehlentscheidungen haben was mit den Jungs gemacht. Sie fühlten sich ungerecht behandelt und wandelten ihren ganzen Ärger in positive Energie um", erkannte Heine. Fortan ging es mit maximalem Tempo Richtung Hastedter Tor. Verdienter Lohn war der Grohner Anschlusstreffer, den Yasin Chaaban nach einem feinen Zusammenspiel über die rechte Seite erzielte (70.). Kurz vor Ende der regulären Spielzeit setzte dann mit Abdo Alan der zweite Winter-Neuzugang von der SAV II, der ebenfalls erstmals zum Einsatz kam, ein Zeichen. Sein Eckball kam zu Yasin Chaaban, der vom zweiten Pfosten aus per Kopfball den Ausgleich erzielte. "Der war nicht einfach zu nehmen. Ball rollte praktisch unter der Latte entlang und ging dann ins Tor", freute sich Heine.
Seine Freude sollte in der Nachspielzeit noch größer werden. Nach einem schönen Spielzug über links, setzte sich Mazn Dawd Ali Ali durch, legte zurück auf Dustin Lübber und der schob den Ball aus elf Metern zum 3:2 ein. "Das war natürlich das Sahnehäubchen. Wir haben heute eine tolle Moral beweisen und haben uns aus einer schwierigen Situation wieder befreit", sagte Heine.
Sonnabend beim FC Huchting
Diese gute Stimmung soll auch in die beiden abschließenden Saisonspiele mitgenommen werden. Am Sonnabend reist der Tabellenneunte zum FC Huchting (14.30 Uhr). Im Hinspiel lieferten die Nordbremer beim 6:3-Sieg eines ihrer besten Spiele ab. "Wir wollen Huchting in der Tabelle noch üb erholen und peilen zum Abschluss zwei Siege an", sagt Heine. Er selbst wird nicht mehr aktiv eingreifen. Nach seiner Knieverletzung will er jetzt abwarten, ob eventuell eine Operation nötig ist. "Bis dahin gehe ich kein Risiko ein. Ich will ja schließlich auch in der nächsten Saison noch spielen", kündigt er an.
BSC Hastedt – SV Grohn 2:3 (1:0)
SV Grohn: Celik; Mehmedi (55. Özkul), Chidi, Zivoli, Lübber, Ali, Alan, Kilic, Samorski, Chaaban, Gencer
Tore: 1:0 Khalil Maarouf (3.), 2:0 Khalil Maarouf (54.), 2:1 Yasin Chaaban (70.), 2:2 Yasin Chaaban (90.), 2:3 Dustin Lübber (90+4)
Schiedsrichter: Joshua Lommes
Zuschauer: 70 RTR