Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

"Wissenschaft für alle" Bei Long-Covid ist individuelle Behandlung wichtig

In der Reihe "Wissenschaft für alle" referierte Sonia Lippke von der Jacobs University zum Thema Long-Covid. Was die Wissenschaftlerin vermittelte.
17.11.2022, 16:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Jörn Hildebrandt

„Mindestens 36 Millionen Menschen sind in Deutschland an Corona erkrankt, von ihnen sind 35 Millionen genesen, doch es sind auch 155.000 Tote zu beklagen“, sagt Sonia Lippke, die als Professorin für Gesundheitspsychologie und Verhaltensmedizin an der Jacobs University in Grohn arbeitet.

Im Gustav-Heinemann-Bürgerhaus hielt sie im Rahmen der Reihe „Wissenschaft für alle“ einen Vortrag mit dem Titel „Sport, Corona und Long-Covid“. In dieser Wissenschaftsserie kooperieren Jacobs University und Bürgerhaus, indem einmal monatlich Professoren dieser Universität in allgemein verständlicher Form über ihre Forschung berichten.

Von einer Corona-Erkrankung haben sich Menschen schnell oder auch langsamer erholt, „doch zehn bis 13 Prozent der Betroffenen leiden unter den Langzeitfolgen, die als Long-Covid bezeichnet werden“, sagt Sonia Lippke. Sie führt aus, was Long-Covid eigentlich genau ist, und wie sich die Erkrankung auf Mensch und Gesellschaft ausgewirkt hat. „Insgesamt hat Corona Menschen durch die Lockdowns inaktiver gemacht, aber auch häufiger allein sein lassen“, sagt Sonia Lippke. Sie unterscheidet das Alleinsein – den Zustand, nicht von anderen Menschen umgeben zu sein – von  Einsamkeit und sozialer Isolation. „Dem Alleinsein lassen sich auch positive Seiten abgewinnen, wie zum Beispiel Kreativität oder Selbstregulation“, sagt sie, „während Einsamkeit ein subjektives Empfinden ist. Und bei der sozialen Isolation handelt es sich um eine objektive, messbare Größe. Was das Thema Einsamkeit betrifft, sind die Folgen von Corona noch längst nicht überwunden: „Zwar zeigt sich in 2022 wieder ein positiver Trend, doch wir sind noch nicht wieder auf dem Niveau von 2019“, sagt Sonia Lippke.

Long-Covid sei insgesamt eine vielseitige Erkrankung, zu der unter anderem Erschöpfung, Riech- und Schmeckstörungen oder auch kognitive Beeinträchtigungen gehören, wenn man sich zum Beispiel „benebelt“ fühlt. Die Schwere der Erkrankungen reiche von Symptomen, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen, bis zu geringen gesundheitlichen Einschränkungen. Und auch die Gründe für Long-Covid seien vielfältiger Natur: „Es kann sein, dass Viren oder Virenteile im Körper verblieben sind, dass es zu chronischen Entzündungen gekommen ist, aber auch zu Gewebeschäden oder Gerinnungsstörungen“, sagt Lippke.

Lesen Sie auch

Wichtig sei, dass es einen Zusammenhang zwischen Long-Covid und körperlicher Aktivität gibt: „Indem die Erkrankten weniger Sport treiben, verschlimmern sich meist ihre Symptome. Damit kann eine Angst vor Anstrengung die Folge sein, und so entsteht leicht ein Teufelskreislauf“, sagt sie.

Zu den wichtigen Therapiezielen bei Long-Covid-Patienten gehört deshalb, zu Sport und Bewegung anzuregen, um Muskelkraft und Ausdauer zu trainieren – wobei manchmal ein einfacher Spaziergang schon reichen kann. „Es geht auch darum, Bewegungsängste abzubauen“, sagt Sonia Lippke. Zu Sport und Bewegung gehört jedoch auch die notwendige Erholung, was häufig vernachlässigt werde – dies sei aber genauso wichtig wie die körperliche Aktivität selbst. Long-Covid kann sich äußerst verschiedenartig ausprägen, und die Betroffenen sind je nach Alter und Kondition für unterschiedliche Formen der Bewegung geeignet – deshalb müsse auf eine individuelle Behandlung geachtet werden.

Lesen Sie auch

In einem Projekt mit der Dr. Becker Klinikgruppe hat Sonia Lippke einen Ansatz entwickelt, wie Menschen mit Long-Covid geholfen werden kann, und wie Betroffene sich selbst am besten helfen können. Die Studie zeigt, wie man sich motiviert, körperliche Aktivität in angemessenem Ausmaß auszuüben und worauf es für das Wohlbefinden ankommt. Sonia Lippke hat auch Long-Covid Patienten nach ihren Wünschen befragt: „Viele wollten sich gehört fühlen und wieder leistungsfähiger werden. Besonders wichtig ist beim Heilungsprozess jedoch die Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt sie. Für die Patienten würde es Unterstützung zum Beispiel durch den Hausarzt geben, aber auch in Rehabilitationszentren. Ebenso können digitale Hilfsmittel wichtige Anleitungen vermitteln, zum Beispiel in Form von Atemübungen. Denn für viele Erkrankte sei richtiges Atmen entscheidend, um die Lungenfunktion wieder aufzubauen.

Angesichts der Neuheit von Long-Covid würden sich viele Ärzte ratlos oder hilflos gezeigt haben, so Sonia Lippke. Sie hat deshalb ein Empfehlungsblatt für Ärzte entwickelt, das den Betroffenen, die lange mit den Covid-Folgen zu kämpfen haben, helfen soll.

Info

Den nächsten Vortrag in der Reihe „Wissenschaft für alle“ mit dem Titel „Herausforderungen einer nachhaltigen Zukunft in Bremen und der norddeutschen Küstenregion“ hält Professorin Andrea Koschinsky von der Jacobs University am Mittwoch, 7. Dezember, 19 Uhr, im Gustav-Heinemann-Bürgerhaus, Kirchheide 49. Der Eintritt ist frei.

An der Jacobs University wird an einer Studie gearbeitet, die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf die körperliche Aktivität von älteren Menschen untersucht. Wer älter als 60 Jahre ist, wird eingeladen, an dieser Studie teilzunehmen und kann sich unter folgendem Link melden: https://www.unipark.de/uc/celine_gasruud/3911/

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)