Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Instrument des Jahres "Ausatmen in schön" in Aumund

Sie haben es immer dabei, aber eine Tasche oder einen Koffer benötigen sie dafür nicht. Wenn die Sängerinnen und Sänger aus dem Chor Pop Voices zur Probe zusammenkommen, "spielen" sie das Instrument des Jahres.
14.02.2025, 17:38 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Ulrike Schumacher

Die Tuba war es schon, die Mandoline auch und ebenso die Orgel. Sie trugen allesamt den Titel "Instrument des Jahres", den die Landesmusikräte der teilnehmenden Bundesländer – darunter auch Bremen – seit 2008 jährlich vergeben. Sie rücken damit für zwölf Monate ein Instrument ins Rampenlicht, das Beachtung verdient oder es schwer hat, musikalischen Nachwuchs zu finden. "Ziel ist es, Neugier und Aufmerksamkeit auf die vielfältigen Facetten dieses Instruments zu lenken und dessen kulturelle Bedeutung zu feiern", sagt Kristin Niemann, Pressereferentin beim Landesmusikrat Bremen. Das erste Instrument, das sich 2008 mit dem Titel schmücken konnte, war die Klarinette. Gefolgt von Kontrabass, Fagott und Harfe.

Ohne Unterricht und Übung dürfte es schwierig sein, all diesen Instrumenten einen passablen Ton zu entlocken. Das Instrument des Jahres 2025 hingegen kann jeder "spielen". Auf Anhieb. Es ist das älteste Instrument der Welt. Alle tragen es mit sich, und wer nicht aus gesundheitlichen oder anderen Gründen daran gehindert ist, kann es jederzeit zum Klingen bringen. Instrument dieses Jahres ist die Stimme. Und die kann vieles: flüstern, sprechen, summen oder schreien und alle möglichen anderen Töne ausstoßen. Singen kann sie natürlich auch. Zum Beispiel in einem Chor.

Dienstagabend, Gemeindesaal der Christophorus-Gemeinde in Aumund – draußen vor der Tür ist Winter, im Saal aber scheint die Sonne. Oder besser gesagt: ertönt die Sonne, was so klingt: "die So, die So, die Sohohonne". Der Nordbremer Chor Pop Voices hat Probe und macht sich dafür warm. Chorleiter Stephan Kniese, der den Chor auf den Tag genau vor 28 Jahren gegründet hatte, lässt die rund 50 Sängerinnen und Sänger ein wohlklingendes "Oh" und ein schrilles "Iiiiih" singen, lässt sie murmeln und "mit den Augen lächeln". Die Töne verraten, ob es gelingt. Wer mit den Augen lächelt, klingt anders als jemand, der grimmig schaut.

Arbeit für Stimme und Körper

Das Aufwärmen vor der eigentlichen Probe bedeutet auch: Arme, Füße und Hüfte kreisen lassen, Arme und Beine von oben nach unten abklopfen, sich strecken und gähnen. Das Einsingen ist ein Wechselspiel aus Spannung und Entspannung. Zur Sonne im Saal passt auch der Strand. Den haben nun alle in Gedanken vor Augen und stellen sich vor, dass sich die nackten Füße immer tiefer in den Sand eingraben. Singen hat viel mit inneren Bildern zu tun. Und mit dem Körper, aus dem die Töne kommen. Oder im Idealfall ausgeatmet werden. "Singen ist Ausatmen in schön", wissen die Sängerinnen und Sänger.

Klingt nach einer geschmeidigen Aktion. Sofern niemand tiefer darüber nachdenkt, wie Stimme entsteht – nämlich in einem "spannenden Zusammenspiel aus Muskeln, Stimmlippen und Knorpel im Kehlkopf", beschreibt der Landesmusikrat, wie das Instrument des Jahres funktioniert. Stimme sei "der durch die Stimmlippen im Kehlkopf eines Menschen erzeugte und im Vokaltrakt – sprich Mund, Rachen und Nasenhöhlen – modulierte Schall", weiß das Internet. Stimmlippen hin, Knorpel her, der Chor lässt die Töne einfach raus und erfüllt den Saal mit einem harmonischen Miteinander unterschiedlichster Singstimmen. Wenn sie das Instrument beschreiben sollten, das sie immer bei sich tragen, kommen die Sängerinnen und Sänger auf Attribute wie "praktisch, stimmungsaufhellend, individuell" oder "in Gemeinschaft ideal". Es gebe kein anderes Instrument "von so großer Bandbreite", sagt jemand. "Und es ist ein Instrument für Geist, Seele und Körper", fügt eine Sängerin hinzu. "Ich gehe hier nach der Probe raus und bin glücklich."

Berührendes Gemeinschaftserlebnis

Die Gründe, warum sie alle in einem Chor zusammenkommen, sind ebenso zahlreich: "Gemeinschaft spendet Energie, beim Singen vergisst man alles um sich herum, das gemeinsame Singen hat etwas Emotionales und Berührendes." Es sei auch friedensstiftend, merkt eine Sängerin an. Und Singen mache mutig, erzählt ein Sänger. "Vor allem, wenn man seine Stimme vor Publikum präsentieren muss." "Singen erfrischt", sagt ein anderer. Stephan Kniese lobt seinen Chor, dass dieser sich auf die Teamarbeit einlässt. Er hört den einzelnen Stimmen beim Probenbeginn an, wie der Sängerin oder dem Sänger gerade zumute ist. All diese unterschiedlichen Stimmungen in einen gemeinsamen Klang zu bringen, gehört zu seinen Aufgaben. "Ich möchte, dass alle hier mit einem guten Gefühl rausgehen."

Und welche Pflege benötigt das Instrument des Jahres? "Unser Stimmapparat ist sehr empfindlich", sagt der Chorleiter. Sein Tipp: "keine scharfen Gewürze, nicht rauchen und keinen Alkohol". Im Chor brandet Gelächter auf. Interessant ist, was Stephan Kniese hinzufügt: "Wir singen auch, wenn wir nicht singen." Beispiel Oper: Wer dort einem Sänger zuhöre, der auf der Bühne steht und seinen Gesang noch übt, "kann heiser werden, obwohl er gar nicht selbst singt". So sensibel sei der Stimmapparat.

"Die Stimme verbindet uns Menschen auf der ganzen Welt. Das soziale und das musikalische Instrument sind schwer abgrenzbar ineinander verwoben", preist der Landesmusikrat den Titelträger. Es sei das Instrument, das uns zu Menschen macht. Und auch im Tierreich erlebe man "die farbenfrohsten und faszinierendsten Klänge". Das Instrument des Jahres sei in vielfacher Hinsicht ein sehr außergewöhnliches.

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)