Vegesack. Martin Mader muss lernen, neue Wege zu gehen. In seiner Buchhandlung Otto & Sohn hat sich einiges verändert. "Die Gänge sind jetzt schmaler und komplett anders aufgebaut", sagt der 60-Jährige. Stichwege sind verschwunden. Doch Mader ist froh, dass er seinen Buchhandel nach rund vierwöchiger Schließung im Zuge der Corona-Pandemie am Montagmorgen überhaupt wieder für Kundschaft öffnen durfte.
Mit dem Zuspruch der Kunden am ersten Vormittag ist er zufrieden. "Es kommen mehr, als ich gedacht hab. Die Leute sind froh, wieder raus zu können." Einige sind sogar so glücklich, dass sie ihren Händler großzügig unterstützen. Mader berichtet von einer Kundin, die Montagmorgen gleich einen Gutschein im Wert von mehr als 250 Euro gekauft hat. Aus dem Vegesacker Buchhändler ist während der Schließzeit ein Youtuber geworden. Per Video hat Mader Bücher beworben und über Neuerscheinungen informiert. Telefonisch hat das "Otto & Sohn"-Team Bestellungen entgegengenommen und anschließend ausgeliefert. Die Umsätze seien gegenüber dem vergleichbaren Zeitraum im Vorjahr zurückgegangen, sagt Mader. Aber immerhin habe er durchgehalten.
Die Umgestaltung des 350 Quadratmeter großen Ladens an der Breiten Straße ist noch im Gange. „Hier kommt ein Schild mit ,Bestseller-Allee' hin“, sagt der Inhaber, während er mit den Händen vor einem Bücherregal ein imaginäres Schild aufhängt. Während der Wegweiser erst in Maders Fantasie existiert, ist der Kassenbereich bereits zu einem Kunstwerk mutiert. „Wir haben Bilderrahmen als Spuckschutz aufgehängt. Das ist wohl der schönste Spuckschutz weltweit“, schwärmt Mader.
Am Eingang stehen Desinfektionsspender. Eine Mitarbeiterin hat Schutzmasken fürs Team genäht. Und auf dem Fußboden kleben silberfarbene Streifen. Wer hinter ihnen steht oder sitzt, dem dürfen andere Kunden nicht zu nahe kommen. Mader hat auf diese Weise vier „Lesespots“ eingerichtet. Im größten haben Eltern und Großeltern die Chance, eine halbe Stunde lang ungestört mit ihren Kindern und Enkeln in Büchern zu schmökern. Auch für Paare und Einzelpersonen gibt es Lesespots.
Gegenüber der Buchhandlung hat Gerrit Becker sein Fotostudio an diesem Tag ebenfalls wieder eröffnet. Er hat während der Corona-bedingten Schließung ein Online-Bestellsystem aufgebaut und die Ausdrucke ausgeliefert. Jetzt ist er froh, wieder auf den Auslöser drücken und Passbilder sowie Bewerbungsfotos machen zu dürfen. Zudem hat Mitarbeiterin Vanessa Schütte ein neues Angebot erdacht: Ringfoto Becker produziert und verkauft jetzt personalisierte Schutzmasken. Einige Mundschutze mit Firmen-Logos von Pflegediensten und Discountern hat Gerrit Becker als Demo-Exemplare neben der Kasse platziert. Im hinteren Bereich des rund 200 Quadratmeter großen Ladens liegt ein Stoffballen mit 15 Metern weißem Kunststoff bereit. Weitere 3,5 Kilometer Stoff lagern in einem Abstellraum. Vanessa Schütte verbringt nun viel Zeit zwischen Computer und Nähmaschine.
Auch Cord Sonnekalb vom gleichnamigen Bürotechnik-Ausstatter ist recht zufrieden mit den ersten Stunden nach Wiedereröffnung seines Geschäfts an der Reeder-Bischoff-Straße. „Wir sind zum Glück auch ein Handwerksbetrieb, sodass wir während der vergangenen vier Wochen weiter arbeiten konnten“, sagt der Geschäftsführer. „Die Werkstatt war offen. Aber jetzt ist es einfacher.“ Zum Schutz seiner Kunden trägt er eine Mund-Nasen-Maske. Vor dem Kassentresen ist ein weiß-rotes Flatterband gespannt, damit der Abstand gewahrt bleibt. Und nach jedem Kundenbesuch werden Türgriff, EC-Karten-Gerät und Ladentheke desinfiziert.
Die Kaufhauskette Woolworth wendet einen Kniff an, um ihr Geschäft an der Gerhard-Rohlfs-Straße öffnen zu können. Sie hängt knapp 300 Quadratmeter ihrer 1059 Quadratmeter umfassenden Verkaufsfläche ab, um die Mindestgröße nicht zu überschreiten. Heimtextilien, Spiel- und Schreibwaren, Tierbedarf sowie Teile des Dekorations- und Wäsche-Sortiments können somit derzeit nicht erworben werden.