Zugegeben, die Auswärtsfahrten in der Bremer Fußball-Landesliga sind im Gegensatz zu denen der niedersächsischen Vereine Katzensprünge. Aber dass die Spieler eines Bremer Landesligisten (von ihrer Heimspielstätte gerechnet) 30 Kilometer zurücklegen, um das Donnerstagstraining zu absolvieren, ist schon eine Besonderheit.
Eine Besonderheit, die für den SV Grohn gilt. "Die "Husaren", die in der Landesliga gerade als einzige ungeschlagene Mannschaft für Furore sorgen, machen sich nämlich donnerstags auf den Weg von Bremen-Nord nach Pennigbüttel. Dort stellt ihnen der dortige SV Komet seine Anlage zur Verfügung. "In alter Verbundenheit mit Malte Jaskosch", erklärt Grohns Spielertrainer Jan-Philipp Heine, wie diese ungewöhnliche Lösung gefunden wurde. Jaskosch hatte beim SV Grohn von Juli 2012 bis Januar 2014 eine kurze, aber überaus erfolgreiche Zeit, arbeitete eng mit Jan-Philipp Heine (als Spieler) zusammen und pflegt regelmäßigen Kontakt mit dem heutigen Teammanager Torben Reiß.
Ein Trainingstag in Pennigbüttel kam als Lösung daher, weil der SV Grohn mit einer schwierigen Trainingssituation zu kämpfen hat. Im Gegensatz zu fast allen benachbarten Vereinen steht ihm kein Kunstrasenplatz zur Verfügung, und die Herbst- und Wintermonate werden Jahr für Jahr zu einer Bewährungsprobe. Training auf Schlacke ist schließlich nicht jedermanns Sache. Um einem Motivationsverlust in den feuchten, kalten und dunklen Monaten entgegenzuwirken, kämpft der SV Grohn seit Jahren um einen Kunstrasenplatz. Derzeitiger Stand: 2023 soll er ihn erhalten. Und so haben die Verantwortlichen um den Vorsitzenden Murtaza Celik und Teammanager Torben Reiß in den vergangenen Jahren immer wieder nach Alternativen in der näheren Umgebung gesucht und sie auch gefunden.
Kostspielige Alternativen allerdings. Ob auf der Anlage des SV Eintracht Aumund oder der SG Aumund-Vegesack – eine angemietete Trainingseinheit wird den "Husaren" laut Trainer Jan-Philipp Heine mit 25 bis 50 Euro in Rechnung gestellt. Für einen halben Platz wohlgemerkt. Eine Situation, die auf Dauer nicht glücklich machte. Nun nehmen die Grohner also den zeitlichen Aufwand und die ständig steigenden Spritkosten in Kauf, um – so lange es die Witterungsverhältnisse zulassen – in Pennigbüttel zu trainieren. Und das unter geradezu paradiesischen Zuständen. "Außer Bällen und Leibchen ist alles vor Ort. Wir trainieren ab 19.30 Uhr auf Rasen unter richtig guten Bedingungen", erklärt Jan-Philipp Heine, der sich für die Verwirklichung diese ungewöhnliche Lösung bei seinen Spielern abgesichert hat: "Natürlich kann man nicht verschweigen, dass der Aufwand groß ist. Aber wir betreiben ihn gerne, jeder will das." Kostenfrei ist der Trainingsabend in Pennigbüttel natürlich nicht, Heine spricht aber von einer "guten Vereinbarung."
Um das Thema Aufwand ging es bei den "Husaren" kürzlich in anderem Zusammenhang. Nach dem Sieg gegen OT Bremen hatte Jan-Philipp Heine nämlich eine dritte Trainingseinheit ins Gespräch gebracht und sie anbieten wollen, um die Leistungsgrenze der Mannschaft zu erkunden. Die Beratungen mit den Spielern führten laut Heine allerdings zu dem Ergebnis, dass es aus vielerlei Gründen aus dem privaten und beruflichen Bereich so bleiben soll, wie es ist. Für Heine kein Beinbruch: "Dann nutzen wir die Zeit eben noch intensiver und hängen auch mal ein paar Minuten dran." Außerdem, so erinnerte er sich, hätte sich beim SV Grohn im Aufstiegsjahr mit der Einführung der dritten Trainingseinheit "vieles verschlechtert."
Zurück zur Lösung Pennigbüttel, die auch ihre Tücken hat. Schließlich ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass der Rasenplatz in Herbst und Winter nicht durchgehend nutzbar sein wird und den Grohnern – neben dem Dienstagstraining – ein zweiter Übungsabend auf Schlacke droht. Umstände, über die Jan-Philipp Heine natürlich alles andere als erfreut ist: "Ein klarer Wettbewerbsnachteil." Und dass Nachbarn darüber klagen, dass die Kapazität ihres Kunstrasenplatzes nicht reiche, bezeichnet er als "einen Luxus, den wir gar nicht haben." In Zeiten des Erfolges (sechs Siege und zwei Unentschieden, ein Punkt Rückstand auf Platz eins) lässt sich der fehlende Luxus verschmerzen. Heine: "Bisher ist es fast egal, die Jungs haben Bock." Aber was geschieht, wenn es gegen die Schwergewichte der Liga zwei, drei Niederlagen am Stück gibt und einen Euphorie-Knick gibt? "Läuft's nicht, kann es ein Riesenproblem werden", weiß Heine, der natürlich alles dransetzen wird, den Flow noch lange beizubehalten.