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Deutscher Camping Club-Präses im Interview "Camping boomt – dieses Jahr ist es der Wahnsinn"

Michael Woltmann hat sein erstes Zelt mit zwölf Jahren bekommen. Der Camping-Club-Präses weiß, was jeder Camping-Anfänger garantiert falsch macht...Seine Tipps lesen sie hier.
20.07.2021, 13:38 Uhr
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Von Patricia Brandt

Herr Woltmann, wozu braucht es einen Deutschen Camping Club?

Michael Woltmann: Auch Camper brauchen eine Interessenvertretung. Autofahrer haben den ADAC, Berufstätige ihre Gewerkschaften und wir vertreten die Interessen all derjenigen, die Urlaub mit eigener Übernachtungsmöglichkeit machen wollen, angefangen vom Zelt bis zum Reisemobil. Wir richten Forderungen an die Politik, bündeln Infos. Wir haben eigene Zeitschriften und Campingführer, die zeigen, wo man am besten Campen kann.

Welches sind denn die besten drei Campingplätze im Nordwesten?

Das ist eine heikle Frage (lacht), es gibt so viele schöne Plätze. Besonders kinderfreundlich ist meiner Meinung nach das Südsee-Camp in Wietzendorf in der Lüneburger Heide. Sehr schön ist der Bremer Campingplatz am Stadtwaldsee, weil die Anlage recht modern ist; und seniorenfreundlich ist Röders Park in Soltau, mit speziellem Sanitär für Senioren und parkähnlicher Anlage.

Welche Mindeststandards muss ein Campingplatz heute bieten?

Es gibt noch Menschen, die davon ausgehen, dass Campingurlauber mit der eigenen Klorolle unterm Arm zur Toilette gehen. Dem ist aber nicht so. Campingplätze werden von allen möglichen Institutionen getestet und die guten haben vier oder fünf Sterne. Sie bieten zum Beispiel Restaurants und besonderen Service wie Animation oder Wellness.

Gehört WLAN zum Mindeststandard oder ist das schon Luxus?

Die meisten Plätze haben WLAN. WLAN gehört heute auch bei Drei-Sterne-Plätzen zum normalen Niveau. Wenn auch nicht immer flächendeckend auf dem gesamten Platz. Viele Vier- und Fünf-Sterne-Plätze bieten darüber hinaus noch Extras wie besonders niedrige Duschen oder Toiletten für Kinder. Bei der Auswahl des Campingplatzes sollte auch immer eine Rolle spielen, ob man auf dem Platz selbst kochen möchte oder ob es eine Gastronomie am Platz gibt.

Wie sieht es in Bremen-Nord aus? Muss man das Potenzial, das sich hier bietet, nicht stärker nutzen? Den Fluss zum Beispiel als Erlebnisraum für Camper anbieten?

Wenn geht dies nur in Zusammenarbeit mit den Campingplatzbetreibern, denn Wildcamping ist nicht gestattet in Deutschland. Man darf sich nicht einfach ans Flussufer stellen. Und wo es naturverbunden zugeht, da gibt es auch recht hohe Auflagen. Beispiel Camping in Farge am Bunker Valentin. Da gibt es keine Stromversorgung und keine Trinkwasserversorgung. Da ist man auch nicht mehr im Drei- oder Vier-Sterne-Bereich. Da ist man als  Campingplatzbetreiber und als Camper einfach mit anderen Herausforderungen konfrontiert. Aber natürlich ist es möglich, Wasser auf dem Gaskocher zu kochen und den Kaffee oder den italienischen Espresso von Hand aufzugießen.

Also sind neue Campingmöglichkeiten am Fluss kein Thema für den Club? 

Ich wünsche mir natürlich mehr Möglichkeiten, denn Campen boomt. Es boomte schon vor Corona-Zeiten und dieses Jahr ist es der Wahnsinn. Im Prinzip ist es in diesem Sommer nicht mehr möglich, ohne Reservierung auf deutschen Campingplätzen Urlaub zu machen; es sei denn, es wird spontan etwas frei.

Auf den Campingplätzen sind immer häufiger Wohnmobile zu sehen. Ist Zelturlaub ein aussterbendes Ferienmodell?

Nein, im Gegenteil. Zelten ist im Kommen. Es stimmt zwar, die Zulassungszahlen für Wohnmobile steigen enorm. 22 Prozent Zuwachs sind es im Vergleich zu 2020 bisher, wobei auch 2020 schon ein Rekordjahr war. Aber die Verkäufe bei Zeltanbietern steigen ebenfalls. Und die Elektromobilität verstärkt den Trend zum Zelt noch. Denn die E-Mobile reichen nicht immer aus, um einen Anhänger zu ziehen. Da wird die Verkehrswende Veränderungen auch beim Camping bewirken. Allerdings gibt es auch schon Wohnwagen, die Sie ans E-Bike hängen können. Für Flusstouren ist das eine tolle Sache.

Ganz neu ist Glamping, glamouröses Camping. Angeboten wird Glamping bereits in Schlafstrandkörben an der Ostsee und in Igluhuts am Bodensee. Warum gibt es kein Glamping an der Weser? Sind die Bremer zu bodenständig fürs Glamping?

Es gibt zumindest in der Nähe von Bremen Glamping. In Worpswede vermietet jemand Tiny-Häuser. Ich denke, dass es in Bremen an Fläche für solche Angebote fehlt.

Ich weiß, dass Sie ihr erstes Zelt mit zwölf Jahren geschenkt bekommen haben. Was macht jeder Anfänger im ersten Camping-Urlaub garantiert falsch?

Die meisten nehmen zu viel mit. Am Ende stellt sich immer heraus, man hätte nur ein Drittel von allem gebraucht; zwei Unterhosen, zwei T-Shirts, eine Hose und Rei in der Tube. Das reicht. Auch Wohnwagen sind oft überladen. Dann kommt man in eine Polizeikontrolle und die Polizei stellt fest, dass man wirklich zu viel eingepackt hat. Und das wird teuer und unsicher. In Österreich zahlt man bis zu 5000 Euro bei Überladung. Da ist die Urlaubskasse leer und man kann gleich wieder umdrehen.

Was ist Ihr bester Camping-Tipp?

Einfach mal ausprobieren. Es gibt keinen schöneren, kinderfreundlicheren Urlaub als zu Campen. Und zu Pandemiezeiten keinen sichereren. Denn man bewegt sich nur innerhalb der eigenen Familie – wie in einer Ferienwohnung.

Was hat sich durch Corona auf den Plätzen geändert?

Aktuell ist das Campen wegen der gesunkenen Zahlen fast schon wie früher. Allerdings dürfen die Betreiber mancherorts nur 60 Prozent des Campingplatzes belegen. Am besten ist es, vor der Fahrt auf der Homepage des jeweiligen Campingplatzes nachzusehen, welche Bedingungen gelten. Die variieren auch von Land zu Land.

Das Interview führte Patricia Brandt.

Zur Person

Michael Woltmann

Der Bremer Versicherungsfachmann Michael Woltmann (43) ist als Vizepräses des Deutschen Camping-Clubs (DCC) Experte für Camping. Der Familienvater wohnt in Wilstedt.

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