Dieses Spiel meines Lebens ist anders. Es gab kein Ergebnis. Es gab keinen Sieger. Es gab keinen Verlierer. Genau genommen. Denn Frank Wyrwich sagt für sich: „Ich bin da für mich als Gewinner rausgegangen.“ Denn der heute 54-Jährige, in Bremen-Nord und umzu wegen seiner Zugehörigkeit zu mehreren Sportvereinen und seiner mehrjährigen Tätigkeit als Taxifahrer bekannt wie eine bunte Kuh, hat am Rande eines Schaukampfes in Minden mit Tennis-Legende Boris Becker gespielt. Nicht gegen ihn. Einfach nur eine knappe Viertelstunde mit ihm lange Bälle spielt. Ein ganz langer Moment, den Frank Wyrwich nie vergessen wird.
„Bei den Schaukämpfen wurde ja nicht auf Sand gespielt und somit waren die Bälle von Boris unmenschlich schnell. Der Ball springt auf und durch den extremen Spin ist er dann auch schon fast neben dir und du bist zu spät am Ball“, beschreibt Wyrwich das Unvergessliche. „Boris hat dann etwas langsamer gemacht und ich bin eher auf Sicherheit gegangen, um einen längeren Ballwechsel möglich zu machen“, sagt Wyrwich. In Minden wurde aber nicht nur Tennis gespielt, sondern auch Geburtstag von Boris Becker gefeiert worden. Frank Wyrwich überreichte Bayern-Fan Becker als Geschenk ein Werder-Trikot, das – wie private Handy-Bilder belegen – Becker an diesem feucht-fröhlichen Abend auch trug.
Frank Wyrwich erinnert sich an viele dieser besonderen Momente, die er mit dem Tennis-Star erlebt hat. Denn er war ganz nah dran an B.B. Als Fahrer begleitete er den dreimaligen Wimbledonsieger mal vom Flughafen zum Schaukampf, mal von einem Schaukampf zum anderen oder mal einfach nur vom Eventort Braunschweig auf einen Abstecher nach Hamburg mit unplanmäßiger Zwischenübernachtung. Die beiden waren laut Wyrwich von Anfang an per Du, hätten ein ganz normales Miteinander gepflegt, wie es Becker mit Menschen, denen er nahe sei, mache. Ganz nah, allerdings nur räumlich, waren sich Wyrwich und Becker schon einmal viel früher gewesen. Da hatte es Frank Wyrwich als junger Mann irgendwie geschafft, in Wimbledon bis in die Trainingsbox von Boris Becker vorzudringen und ein Autogramm abzustauben.
Irgendwie ein wenig frech gelang es ihm auch Jahre später, in Beckers Nahbereich vorzudringen. Als die News von einem Schaukampf von Boris Becker in Bremen die Runde machte, machte sich Frank Wyrwich auf den Weg ins Büro des Veranstalters in der Stadthalle. „Ich würde hier gerne arbeiten, ich würde gerne Boris Becker fahren“, brachte Wyrwich, der über einen Personenbeförderungsschein verfügte, sein Anliegen hervor, mit dem er sich einen Traum erfüllen wollte.
„Ich hatte den Eindruck, dass die gedacht haben, ich sei ein Irrer“, denkt der gelernte Rechtsanwalt- und Notargehilfe an den Moment zurück, als er die Tür von außen schloss. Doch die Tür öffnete sich wieder. Als der Eventmanager sich nämlich im besagten Büro erkundigte, ob ein Fahrer für Becker engagiert sei, da kam Frank Wyrwich ins Spiel.
„Die haben dann gecheckt, ob ich sauber bin. Und das war ich als damaliger Mitarbeiter im Sicherheitsbereich am Flughafen natürlich“, beschreibt Frank Wyrwich den nächsten Schritt zum Becker-Chauffeur. Fortan sei er mit Becker mitgewandert. Damit sei für ihn der eigentlich nicht erreichbare Wunsch in Erfüllung gegangen, „dem Roten Baron so nahe zu kommen.“ An die Fahrt von Hamburg nach Sylt erinnert sich Wyrwich mit einem Schmunzeln, denn da wurde plötzlich er von Becker gefahren.
„Gib mal her, ich fahr jetzt“, hatte Becker nach dem Schlüssel verlangt und den Van schließlich auch auf den Autozug gefahren. Mit einer Bemerkung, die Wyrwich noch heute laut lachen lässt. Im Gedanken an Beckers frühere AOL-Werbung bezüglich des kinderleichten Internetzugangs mit dem Slogan „Bin ich schon drin“, hatte da den Satz „Bin ich schon drauf“ zum Besten gegeben.
Ob bei einem einzelnen Schaukampf oder einem Turnier mit früheren Tennis-Weggefährten, Frank Wyrwich war oftmals der Begleiter und erfüllte am Platz noch obendran die Rolle des Betreuers von Boris Becker. Und so tauchte Wyrwich immer tiefer in die Branche des Event-Managements ein und war mehr und mehr in diesem Bereich tätig.
Acht Jahre lang, von 2000 bis 2008, gehörte Frank Wyrwich, der an der Ausrichtung von Beachvolleyball-, Westernreiten-, Tennis- und Konzertevents beteiligt war, immer wieder zum Staff von Boris Becker. In Bremen begann diese Zeit und in Bremen endete sie auch. Allerdings verlief der Ausklang nicht nach Plan. Für den Schaukampf, musikalisch untermalt von den Scorpions, zwischen B.B. und B.B – also Boris Becker und Björn Borg – sank das Interesse rapide, als das Daviscup-Match zwischen Deutschland und Spanien nach Bremen vergeben wurde. Es folgte die Absage mit Ersatztermin und ohne die Scorpions. Und Borg war auch nicht dabei, dafür neben Becker aber Thomas Muster, Henri Leconte und Stefan Edberg.
„Danach ist der Kontakt abgebrochen. Wir haben uns nur noch zwei, drei Mal bei Veranstaltungen gesehen“, erinnert sich Wyrwich. Geblieben sind ihm aber Erinnerungen. Nicht nur die, als Gegenüber von Boris Becker den Tennis-Schläger geschwungen zu haben. Die signierte Autobiografie von Becker, ein Pullunder und einige T-Shirts aus der Becker-Collection gingen in den Besitz von Frank Wyrwich über.
Schöne Souvenirs für jemanden, der schon immer Becker-Fan gewesen ist und sich später auch tatsächlich als Becker-Bekannter bezeichnen durfte. Und, der noch immer eine Gänsehaut bekommt, wenn er an die großen Becker-Momente denkt. „Für mich gehört er zu den Top Five des internationalen Sports. Er hat im Grunde genommen Unmenschliches geleistet. Und später dann Verpasstes nachgeholt“, meint Wyrwich.