Fähr-Lobbendorf. „Dann ziehe ich mir mal eben meine Tanzschuhe an.“ Elfriede Rabenstein schaut ein wenig scheu, aber gleichzeitig keck zu ihrem Tischnachbarn. Auch Vittorio Vagnoni hat im Vorraum der Tanzschule Lass erst einmal Platz genommen, um über seine Leidenschaft zu sprechen: das Tanzen. „Er hat mich hierher geschleppt“, lässt Elfriede Rabenstein das Umfeld wissen und lacht dabei. Kurz darauf wird ersichtlich, die 80-Jährige und ihr 82-jähriger Partner haben sichtlich Spaß an der gemeinsamen Bewegung auf dem Tanzparkett.
Seit drei Jahren sind die Witwe und der Witwer gemeinsam in der Tanzschule an der Lindenstraße zu Gast, regelmäßig, jeden Freitag und Sonntag. „Manchmal auch donnerstags“, wirft Vittorio Vagnoni ins Gespräch ein. Sportlich aktiv waren beide schon immer. Elfriede Rabenstein hatte es die Leichtathletik angetan. „Ich hätte zwar gern getanzt, aber mein Mann nicht. So blieben wir auch bei Feiern oft am Tisch sitzen.“ Vittorio Vagnoni ist da ganz anders. „Das Tanzen war schon immer meine Leidenschaft.“ Auch mit seiner Frau habe er viel getanzt, schon als junger Mann in der Tanzschule Lass, beim Vater des derzeitigen Inhabers, Matthias Lass. „Ich habe Matthias auch aufwachsen sehen“, sagt Vittorio Vagnoni. Dann hatte seine Frau einen Bandscheibenvorfall, schlagartig war es mit dem Tanzen vorbei. „Das war so vor zwei, drei Jahrzehnten“. Vagnoni verlegte sich auf seine anderen Hobbys, Tischtennis, Segelfliegen, Wandern.
Über sportliche Aktivitäten hatte sich das jetzige Tanzpaar auch immer mal wieder aus der Ferne im Blick. Als Witwer und Witwe näherten sich die beiden an und Vittorio Vagnoni nahm das in Angriff, wovon er laut eigenem Bekunden über die Jahre immer wieder geträumt hatte: „Endlich wieder tanzen.“ Elfriede Rabenstein gesteht, „er kann das viel besser als ich“, überlässt sich seiner Führung und schon gleiten sie im Tangoschritt über den glänzenden Tanzboden.
Es ist Mittwochabend und die Gruppe, die sich hier zu den Tangoklängen bewegt, ist nicht die Gruppe von Elfriede Rabenstein und Vittorio Vagnoni. „Es ist kein Problem, auch mal auszuweichen, bei anderen Gruppen mit zu tanzen“, erzählt Matthias Lass. Grundsätzlich gebe es in den verschiedenen Gruppen allerdings ein Zusammengehörigkeitsgefühl untereinander. „Zumal, wenn man schon lange zusammen tanzt“, machen die Tanzlehrer Simone und Matthias Lass deutlich. In dieser Mittwochsgruppe, den „Best-Agern“, ist dies beispielsweise der Fall. Es wird auch außerhalb der Casa de la Danza zusammen gefeiert. Auch das Ehepaar Lass wird dazu eingeladen. Im April ist es wieder soweit, da werden zwei 70. und ein 80. Geburtstag in einem gemeinsamen Vormittagsevent gefeiert, „und abends geht‘s zum Tanzen wieder zu Lass“.
Das erzählt Erwin Feind, der im April seinen 80. Geburtstag feiert. Er gehört zu der Tanzgruppe, die gerade auf dem Lasschen Parkett nach Doris Day als auch Ed Shiran den hier so bezeichneten „Smart Walz“ aufs Parkett legt und mit seiner Frau Erika (76 Jahre jung) schon seit 50 Jahren den Bewegungen nach Musik in der Tanzschule frönt. „Ich bin schon als Jugendlicher gern zum Tanzen gegangen“, sagt der noch 79-Jährige.
Verschnaufpausen gehören dazu
Das Ehepaar, das sich beim Tanzen kennenlernte, kaum einen größeren Ball ausließ, häufig das frühere Tanzlokal „Norddeutscher Hof“ an der Breiten Straße in Vegesack aufsuchte und sich mittlerweile einmal die Woche in der Tanzschule Casa de la Danza „mit Freunden trifft“, ist sich sicher: „Tanzen hält fit.“ Zum Beweis steuern beide wieder die Tanzfläche an.
„Wenn es nicht mehr geht, darf auch gern eine Pause gemacht werden. Nichts muss, alles kann“, erzählt Simone Lass, die die Tanzgruppe leitet. Während sich das eine oder andere Senioren-Pärchen tatsächlich eine Verschnaufpause gönnt, nehmen weitere „Gruppen-Fremdlinge“ die Tanzfläche weiträumig in Beschlag. Christine (59) und Wolfgang Schlosser (61) tanzen zu den langsamen Walzerklängen und nutzen dabei mehrfach quer die gesamte Fläche des Parketts. „Wir gehören nicht zu dieser Gruppe“, gesteht das Paar, das seit 15 Jahren gemeinsam tanzt. Willkommen sind die beiden aber ebenso wie Elfriede Rabenstein und Vittorio Vagnoni.
„Tanzen in der Gruppe und das regelmäßige Treffen hier, das hat eben auch einen sozialen Aspekt“, macht Tanzschulbesitzer Matthias Lass deutlich. Dem können die Senioren in der Runde nur nickend zustimmen. „Man lernt hier so viele interessante Menschen kennen“, bestätigt gleich noch der 82-jährige Vittorio Vagnoni und macht den Tanzschullehrern für ihre professionelle Arbeit ein Kompliment nach dem anderen. Derweil zeigt Simone Lass ihre soziale Ader, das Gläschen Sekt zum Abschluss kommt an diesem Abend von ihr, selbstverständlich sind alle Tänzer dazu eingeladen. Beim „Prost“ in die Runde sind sich alle einig: „Tanzen fördert die Gesundheit und Geselligkeit.“
Dazu hat auch Matthias Lass noch etwas beizutragen: „Der demografische Wandel ist kein Geheimnis. Es gibt immer mehr ältere Menschen, die – anders als früher – sehr agil sind und gern am gesellschaftlichen Leben teilnehmen möchten.“
Laut dem vom ADTV geprüften Tanzlehrer belegen zahlreiche wissenschaftliche Studien, dass die Verbindung von Bewegung und Musik äußerst positive Effekte auf die mentale Fitness habe und glücklich mache.
Neues Bewegungskonzept
Die Casa de la Danza bietet ein neues Tanz- und Bewegungskonzept für Menschen ab 55 Jahre, die gern aktiv bleiben möchten: Movita. Dabei geht es neben der Gesunderhaltung von Körper und Geist auch ganz bewusst darum, gemeinsam mit anderen die Freude an Musik und Tanz zu teilen und zusammen eine besondere Zeit zu erleben. Zu „Movita“ kann auch jeder allein kommen, da der Schwerpunkt nicht auf dem Paar- beziehungsweise Partnertanz liege. Weitere Informationen: 04 21 / 66 28 66, 01 74 / 9 01 71 98 und info@tanzen.cc.