„Ich habe immer Rauschgift dabei“, sagt Claudia U., während sie ein Päckchen Marihuana im Auto versteckt. Ihr Partner, der gebürtige Rumäne Crawford, sitzt derweil hinter Gittern. Polizisten vom Revier Vegesack beobachten die Szenerie. Tiefenentspannt. Doch plötzlich sind alle hellwach: Crawford wird entlassen. Sofort saust er zum Auto, springt rein, packt sich das Rauschgift und wedelt begeistert mit dem Schwanz.
Claudia U. ist stolz auf ihren vierbeinigen Kollegen und belohnt ihn mit seinem Lieblingsspielzeug, einer Stoffwurst mit zwei Henkeln. Der Holländische Schäferhund schnappt sofort zu, springt hoch, zieht an der Leine und wartet auf weitere Aufgaben, schließlich ist er ein Champion der Bereitschaftspolizei in Huckelriede, wo Bremens Diensthundestaffeln stationiert sind.
Der temperamentvolle Schutz- und Stöberhund ist auf Rauschgift spezialisiert. Häufig ist er auch in Bremen-Nord unterwegs. „Crawford will Drogen finden, um sein Lieblingsspielzeug zu kriegen“, erklärt Claudia U. „Er macht diese Arbeit unheimlich gerne und hat sich einiges selbst beigebracht.“ Kürzlich habe der Rüde 16 kleine Kugeln Kokain in vier Metern Höhe gewittert und angezeigt. Bei der Durchsuchung eines Mehrfamilienhauses habe er einen Kellerraum entdeckt, in dem größere Mengen Drogen lagerten.
Schon nach etwa acht Wochen zeigt sich, ob ein Hund für den Polizeidienst geeignet ist. Crawfords Züchterin lebt in Rumänien und weiß als Diensthundeführerin, worauf es ankommt. So wurde auch Crawfords Bruder Califax zum Polizeihund ausgebildet.
In Bremen gibt es derzeit elf Diensthundestaffeln. Die Vierbeiner sind allesamt Schäferhunde, vor allem deutsche und belgische. Crawford ist in Bremen der einzige Holländer. Claudia U.: „Schäferhunde sind am besten geeignet. Hunde anderer Rassen werden zu schnell müde, sind nicht so lernfähig oder haben nicht so gute Nerven.“
Auftritt im Bremer Tatort
Seit 2013 begleitet der siebenjährige Rüde die 37-jährige Diensthundeführerin Claudia U. auf Schritt und Tritt. Er wohnt sogar bei ihr. Irgendwo auf dem Land, weit weg von den Einsatzgebieten in Bremen. In seiner Freizeit arbeitet der durchtrainierte, hübsche Rüde auch mal als Modell oder tritt im Bremer Tatort auf. „Ich hab auch mitgespielt“, sagt Claudia U., während sie ihren Partner krault.
Der steht auf Liebkosungen und macht das unzweifelhaft klar. Wird er mal nicht zwischen den Ohren, auf dem Rücken oder unterm Hals gestreichelt, streckt er auf dem Rücken liegend eine Pfote in die Luft, um sie tätscheln zu lassen. Eine echte Schmusebacke, die im Mittelpunkt stehen möchte.
Aber Crawford kann auch anders. Auf Kommando kann er sofort jemanden zur Strecke bringen, und entscheidet in bedrohlichen Situationen selbstständig. „Er würde mich immer schützen und kann unglaublich böse werden“, sagt die Polizistin. So sei es keine gute Idee, ihr beispielsweise auf die Schulter zu schlagen, denn das wäre für den Hund ein Alarmsignal. „Man muss diese Tiere beaufsichtigen. Und ich sorge natürlich dafür, dass keiner zu Schaden kommt.“ Anders sieht das allerdings aus, wenn sich ein Krimineller wehrt oder angreift. Claudia U.: „Crawford hat in solchen Situationen schon mehrfach zugebissen.“ Die Täter seien dann ganz schnell friedlich und kompromissbereit.
Diensthundeführer sind im Spät- oder Nachtdienst unterwegs – nach einem bedarfsorientierten Dienstplan. Generell jeweils zwei Beamte mit einem Hund. Wittert der Hund irgendwo Marihuana, Speed, Amphetamine, Ecstasy oder Heroin, schlägt er an. Drogen am Menschen zeigt er aber nicht an, weil er auch als Schutzhund ausgebildet ist und bei Gegenwehr zubeißen würde.
Für Claudia U. war Diensthundeführerin der Traumberuf schlechthin. „Ich wollte das von klein auf, musste aber lange darauf warten, denn der Job ist sehr begehrt“, sagt die 39-Jährige. Derzeit werden weitere Staffelteams geschult, wobei in Bremen nur Rüden ausgebildet werden, so die Expertin. „Als Diensthundeführer geht man körperlich schnell kaputt, weil man die Tiere beim Training gut festhalten muss, obwohl die Hunde tüchtig ziehen“, erzählt die Polizistin. „Das geht auf Knochen und Gelenke. Man muss deshalb Eignungstest bestehen und absolut fit und gesund sein.“
Aber auch der Hund durchläuft eine harte Schule und muss ständig weiter trainiert werden. So lernt er, läufige Hündinnen, Leckereien oder andere Verlockungen komplett zu ignorieren. „Crawford lässt sich durch nichts ablenken“, versichert Claudia U. Aber er braucht Erfolge. Findet er im Einsatz nichts, wird daher nach getaner Arbeit ein Marihuana-Päckchen versteckt, damit der Hund sich freut und seine Belohnung bekommt.
Eine große Herausforderung für Diensthunde sind laute Geräusche, Menschenmassen, Rolltreppen oder Gitterroste. Ob sich Hunde für die Ausbildung eignen, entscheidet sich daher erst nach einer dreiwöchigen Probezeit. Schließlich kostet die Ausbildung viel Zeit und Geld. Ein ausgebildeter Hund sei „ein paar Tausend Euro wert“, so die Polizistin.
Wenn er nicht gerade nach Drogen sucht, stöbert Crawford mit Leidenschaft Alltagsgegenstände auf: Schlüsselbunde, Handys, Brieftaschen, Werkzeuge oder Kleidungsstücke, die vermeintliche Täter auf der Flucht verloren haben könnten. „Er sucht aber auch auf eigene Faust nach Gegenständen mit menschlicher Witterung. So hat er aber auch schon etliche Portemonnaies gefunden, die Leute irgendwo verloren haben“, sagt Claudia U. „Dann ermitteln wir die Besitzer oder schicken die Gegenstände zum Fundamt.“
Während des Vegesacker Hafenfestes habe Crawford bei einem Spaziergang im Stadtgarten einer Frau geholfen, ihr Handy wiederzufinden. Und für ein älteres Ehepaar aus Bremen-Nord stöberte er im Dunkeln den Autoschlüssel auf.
Crawford ist zwar erst sieben Jahre alt, hat aber schon einen grauen Bart. Acht bis neun Stunden ist er jeweils im Einsatz. Schon mit acht bis zehn Jahren wird er in Pension gehen, weil Diensthunde großen Belastungen ausgesetzt sind. „Sobald er Gebrechen hat, werde ich ihn aus dem Dienst nehmen“, versichert Claudia U. „Dann bekomme ich einen neuen Diensthund.“ Crawford darf dann täglich bis zu 18 Stunden schlafen, die heiß geliebten Salatgurken verspeisen und mit seinen Besitzern kuscheln.