Claudia Bernhard: Es geht uns um eine ganze Reihe von Zahlen und Faktoren, die wir uns noch einmal genauer anschauen wollen.
Aber die Situation muss doch schon mal bewertet worden sein, wenn es einen Plan gibt, die Versorgung der Frühgeborenen am Klinikum Mitte zu konzentrieren und einen Teil der Nordbremer Frühchenstation abzuziehen...Die Frage ist doch, welche Zahlen sich seit 2016, als das Konzept für eine Konzentration der Versorgung in Mitte vorgestellt wurde, womöglich verändert haben. Mittlerweile wurden Geburtshilfekliniken im Umland geschlossen. Deshalb werden wir die Frühchenversorgung im Land erneut untersuchen. Es kann also sein, dass die neue Bewertung zu anderen Resultaten kommt als die alte.
Was genau soll denn jetzt noch einmal überprüft werden und von wem?Wer die wissenschaftliche Bewertung vornehmen wird, ist noch nicht endgültig entschieden. Es kann sein, dass ein Team der Universität die Situation der Frühchenversorgung im Land Bremen noch einmal prüft. Es geht uns zum Beispiel um die Entwicklung der allgemeinen Geburtenzahlen, aber auch die der Risikogeburten, um den demografischen Wandel genauso wie um die Präferenzen von werdenden Müttern und eine hochqualitative Versorgung.
Dann müssen wir überlegen, wie wir damit umgehen. Für die Zentralisierung der Frühchenversorgung im Klinikum Mitte hat es mittlerweile Geld aus dem Krankenhausstrukturfonds der gesetzlichen Krankenversicherungen gegeben. Dieser Aspekt müsste dann bei einer weiteren Planung berücksichtigt werden.
Es könnte also sein, dass die Frühchenstation in Nord so bleibt, wie sie ist?Zum jetzigen Zeitpunkt kann das nicht völlig ausgeschlossen werden.
Die Ergebnisse einer neuen Bewertung sollen in der zweiten Hälfte nächsten Jahres vorliegen. Was dauert daran so lange?Für eine erneute Bewertung haben wir momentan keine Haushaltsmittel. Die müssen wir erst im neuen Haushalt darstellen. Die Bewertung dauert also nicht lange, sie kann nur nicht so schnell beginnen, wie wir uns das wünschen würden.
Und wann könnte sie beginnen?Ich gehe davon aus, dass sie Mitte nächsten Jahres startet.
Die Argumentation halte ich für falsch. Die Ergebnisse der Bewertung werden früh genug vorliegen – nämlich noch vor einem möglichen Abzugstermin eines Teils der Frühchenversorung aus Nord. Der könnte nach derzeitigen Stand frühestens Anfang übernächsten Jahres möglich werden. Für die Fortführung der Level II Versorgung am Klinikum Bremen-Nord wären zunächst keine weiteren Investitionen nötig.
Die Nordbremer Linksfraktion hat immer gesagt, dass die Frühchenstation nicht verkleinert werden darf. Was sagen Sie?Ich sage, dass das von der neuen Bewertung abhängt. Ich kann mich nicht einfach hinstellen und erklären, etwas bleibt – egal, wie eine Einschätzung von Experten ausfällt. Ich bin aber dafür, dass wir uns noch einmal alles genau anschauen, um eine Entscheidung zu treffen, die sämtliche Belange der Frühchenversorgung berücksichtigt.
Wie viele Versorgungsplätze für Frühgeborene soll es denn am Klinikum Mitte geben – und wie viele gibt es momentan im Bremer Norden?Am Klinikum Mitte werden es am Ende 36 Versorgungsplätze sein, und im Bremer Norden haben wir momentan elf.
Eltern, Mediziner und Pflegekräfte befürchten, dass die Zahl der Plätze in Mitte nicht ausreichen wird, wenn die in Nord wegfallen...
Wir machen bei vielen Neu- und Umbauten die Erfahrung, dass sie schon wenige Jahre später zu klein geworden sind. Deshalb überprüfen wir die Situation ja auch so genau.
Was halten Sie denn davon, in Nord ein Backup zu belassen, falls die Zahl der Versorgungsplätze am Krankenhaus in Mitte tatsächlich nicht ausreicht?Im Grunde ist es immer nützlich, ein Backup für den Fall der Fälle zu haben. Als es im Klinikum Mitte den Keimskandal gab, war es gut, dass es Ausweichstandorte wie den Nordbremer gab. Allerdings ist ein Backup auch immer eine Kostenfrage. Die Versorgung von Frühgeborenen ist Gerätemedizin auf höchstem Niveau. Zudem müssen spezielle Anforderungen an Ausbildung und Anzahl von Fachpersonal erfüllt werden. Das ist jetzt schon schwierig zu erfüllen.
Der Gesprächstermin ist momentan noch in der Abstimmung. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Wochen zusammenkommen werden.
Hinter einer Petition der Initiative stehen so viele Frauen und Männer wie hinter kaum einer anderen Petition: mehr als 10.000 Menschen. Welche Bedeutung hat das bei weiteren Verhandlungen über die Frühchenstation?Selbstverständlich ist es von Bedeutung, was 10.000 Menschen fordern. Darum machen wir uns die Entscheidung, was werden soll, auch keineswegs leicht. Mir geht es dabei nicht nur um die Frühchenstation, sondern auch darum, unterschiedliche krankenhausplanerische Aspekte zu berücksichtigen: Wir müssen eine qualitativ hochwertige, bedarfs- und patientengerechte Versorgung sicherstellen.
Und welche Bedeutung hat das neue Millionen-Defizit, das dem Klinikverbund droht, wenn es darum geht, was in Nord nun passieren soll?Das Defizit macht die Sache auf jeden Fall nicht leichter. Wir sind für eine wohnortnahe Versorgung von Patienten angetreten. Die Herausforderung ist, dass eine Geburtshilfe, die über das bisherige Gesundheitssystem kaum wirtschaftlich getragen wird, durch andere Finanzierungen abgesichert wird.
Die Fragen stellte Christian Weth.
Claudia Bernhard (58)
ist im August zur Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz ernannt worden. Sie gehört seit 2007 der Linkspartei an. Bernhard hat zwei Kinder und wohnt seit 1991 in Bremen.