Sie ist ein wenig atemlos am Telefon. „Leichte Halsentzündung“, gesteht Friseurmeisterin Karin Vogt vom gleichnamigen Salon aus Aumund. Das liegt allerdings kaum daran, dass sie gerade ununterbrochen sprechen muss. „Wenn, dann nur kurz“, stimmt sie auf unsere Nachfrage einem telefonischen Gespräch zu. „Wir haben heute Hotline“, lautet die Erklärung. Und tatsächlich dauert es eine längere Geduldsphase über ständige Besetztöne bis die Leitung endlich kurz mal frei ist.
Die frühesten Termine für die Kunden über die an diesem Tag erstmals geschaltete Hotline im Friseursalon Vogt gibt es allerdings erst in 14 Tagen. „Einen Tag zuvor haben wir schon die Stammkundschaft abtelefoniert, damit es heute keine Engpässe gibt“, sagt Karin Vogt. Die Wochen des Lockdowns hinterlassen Spuren, „alle sind überfällig“, scherzt Vogt und freut sich, bald wieder helfen zu können.
Warten auf finanzielle Hilfe
„Endlich sehen wir wieder eine Perspektive“, erklärt auch Stefan Schiebe, Geschäftsführer der Friseurinnung. „Es gab keinerlei Hilfen und auch keine Aussicht, wie lange der Lockdown noch dauert. Für Friseure war es eine schlimme Situation“, erläutert Schiebe. Während andere Handwerksbetriebe mit dem Lockdown im November schon ihre Betriebe geschlossen hatten und Hilfen anfordern konnten, die bis 75 Prozent der Vorjahreseinnahmen ausmachten, galt das laut Stefan Schiebe für das Friseurhandwerk nicht. Die Schließung der Geschäfte sei erst im Dezember erfolgt, Überbrückungshilfen damit lediglich in Höhe von 90 Prozent der Betriebskosten möglich. „Diese Hilfen können wir erst seit ein paar Tagen beantragen“.
Das bedeute, „dass die Friseure gut zehn Wochen keinerlei finanziellen Einnahmen mehr haben“, macht Schiebe deutlich. Da sei die Verzweiflung nicht nur unter den 76 Innungsbetrieben groß, sondern bei allen rund 400 bei der Bremer Handwerkskammer eingetragenen Friseurbetrieben, ist Schiebe sicher. „Viele stehen mit dem Rücken zur Wand.“ Zumal die Situation – selbst mit der Öffnung am 1. März – nicht einfacher werde. „Überbrückungshilfe kann man zwar beantragen, aber das geht nur über den Steuerberater. Das wird sich hinziehen.“
Obermeister Heiko Klumker, der auch Landesinnungsmeister ist und durch Videokonferenzen Kontakte mit Friseuren in ganz Deutschland pflegt, ist stolz auf das Engagement der Kollegen. „Es gab viele Veranstaltungen, beispielsweise die Aktion ,Licht an, Licht aus' und das 24-Stunden-Statement, um zu zeigen, wir sind noch da.“
Wie Schiebe sieht Klumker in der Schwarzarbeit ein Riesenproblem. „Wir wissen, dass das stattgefunden hat“, so Schiebe. Doch Roß und Reiter wollte nie jemand nennen, „und ohne genaue Meldung können wir dem nicht nachgehen“, so Schiebe. Er ist sich sowieso sicher, „dass es nicht die Unternehmer selbst, sondern eher die Mitarbeiter waren“. Denn die hätten durch Kurzarbeit oder Verlust des Arbeitsplatzes noch mehr Sorgen. „Verstehen Sie mich nicht falsch, Schwarzarbeit ist falsch, aber in manchen Fällen ist die Verzweiflung so groß, da kann man es fast verstehen.“ Im Übrigen seien auch an die Innung Meldungen herangetragen worden, dass in einigen Salons Betrieb herrsche. „Das waren allerdings nur Auszubildende und der Lehrherr. Dass ein Azubi im Salon an Übungsköpfen arbeiten kann und der Ausbilder ihn dabei begleitet, das ist erlaubt“, macht Schiebe deutlich.

Obermeister Heiko Klumker sagt, dass es vielen Friseuren finanziell nicht gut geht.
Die Kosten laufen weiter
Zum Thema Schwarzarbeit hat auch Obermeister Klumker eine Meinung: "Da viel darüber gesprochen wurde, war es vielleicht auch ein so großes Problem, dass es als Druckmittel funktionierte, und so die Bundesregierung die Öffnung zum 1. März für die Friseure beschlossen hat." Die Öffnung ist im Übrigen für Klumker noch kein Grund, euphorisch zu sein. "Ein Kunde auf zehn Quadratmetern, das ist eine Einschränkung, die kleinere Salons besonders trifft", sagt Klumker und sieht, ähnlich wie viele Kollegen bundesweit, die Berufsgenossenschaft in der Pflicht, hier nachzubessern. "Die Kosten laufen weiter, Hilfen gibt es nicht oder sie kommen zu spät, Friseure fangen schon mit Verlusten an und schaffen es durch diverse Auflagen nicht, Umsatz zu machen, den sie doch so dringend brauchen. Zudem wissen wir alle nicht, wie lange uns dieses Szenario noch durch das Jahr begleitet." Klumker ist sicher: "Der eine oder andere Salon wird das nicht schaffen und Insolvenz anmelden müssen." Damit sieht er ein weiteres Problem: "Mitarbeiter werden arbeitslos."
Das könnten viele werden, denn auch die großen Friseurketten „Klier“ (drei Filalen in Bremen, zwei in Bremerhaven) und „Ryf“ (drei Filialen in Bremen) haben laut Schiebe angekündigt, rund die Hälfte ihrer Filialen bundesweit zu schließen. Was für die einen zum Problem wird, könnte für andere ein Glücksfall bedeuten, beispielsweise für Friseurmeisterin Karin Vogt. Den Andrang ihrer Kunden mit Öffnung zum 1. März bewältigt sie nämlich mit längeren Öffnungszeiten, „von montags bis sonnabends“, und einem kleineren Team, „derzeit sechs Mitarbeiter, ursprünglich waren es zehn“. Doch Karin Vogt beklagt, dass gut Qualifizierte ihres Handwerks oder Auszubildende schwer zu finden seien. „Und die Personen, die mir das Arbeitsamt avisiert hatte, waren entweder gar nicht geeignet oder sind zum Großteil erst gar nicht erschienen.“
Alois Vornhagen vom gleichnamigen Friseursalon in Blumenthal überlegt noch: „Ob wir abends länger geöffnet bleiben, kann ich noch nicht sagen, beim letzten Mal hat sich das nicht rentiert.“ Dafür wird er den Montag zusätzlich öffnen. Dass ihm die Kunden bald ausbleiben, davon geht er nicht aus: „Einen Tag in der Woche bin ich im Salon, um mit dem Auszubildenden zu üben. Da gab es immer mal Anrufe, bis zu fünf Personen haben sich durchschnittlich gemeldet. Heute waren es 50, also das Zehnfache.“
Doch auch, wenn die Kunden nun ab dem 1. März die Friseursalons stürmen und die vier Friseurinnen und drei Auszubildenden von Alois Vornhagen an ihrem freien Tag noch zusätzlich arbeiten, „die Verluste werden wir nie wieder auffangen“, mach der Firmenchef deutlich und ärgert sich ein wenig, dass „die Leute gar nicht wissen, dass wir Friseure ohne Hilfen dastehen“. Er sei schon lange dabei, aber solch einen Rückschlag habe er noch nie erlebt. „Sicher gab es mal ruhigere Monate, aber dass man gar kein Geld verdient, das macht mich fassungslos.“ Und dabei buche das Finanzamt fleißig ab, müssten die Löhne in Vorleistung bezahlt werden, Erstattungen vom Arbeitsamt gebe es erst im Nachhinein, und ein Kleinkredit von der Bank – sofern man den überhaupt bekomme – sei am Ende auch keine Lösung.
Ausfall der Technik
Friseurmeister Torsten Dembny aus Lesum kennt nur einen Weg: „Nach vorne schauen.“ Auch, wenn ihm und seinem 20-köpfigen Team derzeit „die hochdigitalisierte Welt ständig einen Strich durch die Rechnung macht“. Denn regelmäßig falle in Lesum das Internet und damit das Telefon im Salon aus. „Dabei habe ich schon zwei Mitarbeiterinnen abgestellt, die täglich sechs bis acht Stunden am Telefon mit Kunden sprechen.“ Wer als Kunde nicht durchkomme, versuche es per Mail. „80 bis 100 Anfragen pro Tag“, gibt es so laut Torsten Dembny. Das Problem: Per Mail gibt es keine Termine. Dennoch, Torsten Dembny und sein Team versuchen derzeit alles, um die Kundenwünsche zu befriedigen.
Aber er bittet gleichzeitig um Geduld, denn auch für seinen vergleichsweise großen Salon in Lesum gibt es Auflagen. „Damit ich alle Mitarbeiter aus der Kurzarbeit bekomme, werden wir ab 1. März in zwei Schichten arbeiten, von montags bis freitags wird von 8 bis 20 Uhr geöffnet sein, sonnabends von 8 bis 16 Uhr“, verspricht Dembny. Er gesteht aber schon jetzt, dass bei dem derzeitigen Andrang die Terminvergabe schon weit bis in den März reiche.
Hilfe der Bremer Handwerksinnungen
Geschäftsführer Stefan Schiebe und Innungs-Obermeister Heiko Klumbker haben für die Mitglieder der Bremer Friseurinnung eine besonders erfreuliche Nachricht. „Wohl dem, der in der Innung ist, denn der kann sich nun auf eine besondere Form der Solidarität freuen“, macht Klumbker deutlich. Stefan Schiebe erzählt auf Nachfrage unserer Zeitung von dieser Solidargemeinschaft, die sich vor ein paar Tage getroffen hat.
„Es gibt 25 Handwerksinnungen in Bremen“, so erklärt Stefan Schiebe. Man sei immer miteinander in Kontakt, tausche sich untereinander aus. In Zeit der Corona-Pandemie selbstverständlich mit entsprechenden Hygiene- und Abstandsvorschriften beziehungsweise über Videokanäle. In dieser Solidargemeinschaft sei es nun aufgefallen, „dass es die Friseure besonders schlimm getroffen hat“, so Schiebe. Seit Wochen gibt es keine Hilfe, das versprochene Überbrückungsgeld, das ja gerade erst beantragt werden könne, decke zudem gerade mal 90 Prozent der Betriebskosten. „Das heißt, Betriebsinhaber selber gehen völlig leer aus. Dazu kommen noch die Auszubildenden, die ja auf jeden Fall weiter beschäftigt werden sollen, als gebe es keinen Lockdown“, erläutert Schiebe den Hintergrund.
Die „Solidargemeinschaft Bremer Handwerksinnungen“, so bezeichnet sie Schiebe voller Dankbarkeit, hat nun einen Topf aufgelegt. „Jede Handwerksinnung wird in diesen Topf den gleich hohen Betrag einzahlen.“ Das Geld wird an die Mitglieder der Friseurinnung ausgezahlt. „Das werden keine Riesensummen sein“, sagt Schiebe und rechnet pro Friseur mit 600 bis 1000 Euro. „Aber diese Unterstützung kann helfen, den Kühlschrank aufzufüllen, zumindest das Gröbste aufzufangen und zeigt gleichmaßen Anerkennung für die schwierige Situation der Friseure“, so Schiebe.