In Bremen-Nord leben Menschen aus der ganzen Welt. In unserer Serie "Blick über den Tellerrand" stellen wir einige von ihnen und Gerichte aus ihren Heimatländern vor. Heute bereitet Rosalyn Harrison aus Sambia Sardellen mit Spinat in Erdnussbutter, Maismehl und Bohnen zu.
Schönebeck. Manchmal benötigt der Mensch eine Auszeit – auch vom Wissenschaftsbetrieb. Diesen kleinen Luxus gönnt sich Rosalyn Harrison. Die 29-Jährige arbeitet in der Verwaltung der Jacobs University Bremen, genauer der Zulassung.
"Ich wollte mal etwas anderes machen", räumt sie ein. Rosalyn Harrison hat ihren Master of Biochemical Engineering längst in der Tasche. Über kurz oder lang werde sie sicherlich in diesen Bereich des Arbeitslebens zurückkehren, sagt sie. Dann aber bitte nicht in die Forschung, sondern in die Produktion. Soll heißen: Rosalyn Harrison möchte das, was sie auf dem Grohner Uni-Campus nah an der Praxis gelernt hat, auch umsetzen.
Dafür ist sie bislang um die halbe Welt gereist: Vom ihrem Geburtsland Sambia zog es die junge Frau zuerst nach London und im Jahr 2005 schließlich in das beschauliche Bremen-Nord. Doch bereits als Kind zog sie viel mit ihren Eltern umher. Geboren wurde Rosalyn Harrison in Kalulushi, einer knapp 70000 Einwohner zählenden Stadt in der sambesischen Provinz Copperbelt. Sie wuchs in Sambias zweitgrößter Stadt Kitwe mit einer guten Million Einwohnern auf, dann ging es nach Botswana und Zimbabwe. Schließlich kam Rosalyn Harrison zurück nach Sambia und ging zum Studieren nach Großbritannien. Heute lebt die 29-Jährige, von Freunden Rose genannt, in einer gemütlichen Ein-Zimmer-Wohnung in Schönebeck. Der Weg zur Universität ist nicht weit.
Dort bekommt sie häufig Besuch, zum Beispiel vom 22-jährigen De-Joy Amankwah. Er stammt aus Ghana und hat an der Jacobs University gerade seinen Abschluss erreicht. Egal, wer bei Rosalyn Harrison aufschlägt: Es wird stets ein gutes Essen zubereitet. Dies gehöre in ihren Heimatländern einfach dazu.
Genau genommen bilden das Essen und Feiern so etwas wie eine unzertrennliche Einheit. "Einen Grund dafür gibt es immer", sagt De-Joy Amankwah augenzwinkernd, der übrigens am liebsten nur mit seinem Vornamen angesprochen werden möchte: "Entweder ist bei einem unserer vielen Verwandten etwas los, oder in der Nachbarschaft." De-Joy und Rose klären auf: Wer sich auf einer der Feiern nicht wenigstens kurz sehen lasse, verstoße gegen das Gebot der Höflichkeit. Überhaupt spiele sich in Sambia und Ghana, ja eigentlich überall in Afrika, der Alltag vielmehr miteinander ab. Kein Wunder, dass sich die beiden Jacobs-Absolventen erst einmal an den deutschen Alltag gewöhnen mussten. "Hier sagt man sich zwar höflich ,Guten Tag‘, aber eigentlich wissen die Menschen nichts voneinander", vergleicht Rosalyn Harrison das Leben in ihrem Heimatland mit dem in Bremen-Nord.
Während sie den Alltag und den Umgang der Menschen in Europa und Afrika miteinander vergleicht, achtet sie auf das Essen. Heute gibt es Kapenta, eine Süßwassersardelle, Spinat in Erdnussbutter, Ifisashi genannt, Nshima (Maismehl) und Bohnen, die in Sambia Kablangeti heißen.
Die Sardellen werden in Rosalyn Harrisons Heimat getrocknet und dann erst gegessen. Dies hat in erster Linie damit zu tun, dass Sambia ein Binnenland ohne eigenen Zugang zum Meer ist. "Frischer Fisch ist deshalb bei uns recht teuer", erklärt sie. Dies betreffe im Übrigen nicht nur den Fisch. Nahezu alle Lebensmittel würden zum Frischhalten getrocknet, erklärt sie, auch Pilze.
Und während sich in Deutschland vegetarisches Essen steigender Beliebtheit erfreuen, essen die Menschen in Sambia noch immer viel Fleisch. Allerdings müssen dafür nicht Schweine, sondern in erster Linie Hühner und Rinder ihr Leben lassen. Abgerundet wird der Speiseplan durch Beilagen wie Mais, Bohnen und Süßkartoffeln. Letztere nutzen die Menschen in Sambia, weil die Frucht wenig des kostbaren Wassers benötigt und sie praktisch überall vorkommt.
Wert legen die Menschen zudem auf frisches Gemüse. "Davon gibt es eine ganze Menge", sagt die Frau von der Jacobs University. Darunter sind Arten, die in Deutschland maximal ein Nischendasein führen. Hierzu gehört Okra, besser bekannt als Gemüse-Eibisch. Diese zur Familie der Malvengewächse gehörende Pflanze wird fast immer als Vorspeise gereicht und ist sehr typisch für Sambia – sie stammt aus dem Hochland Ostafrikas.
Gewöhnungsbedürftig für die hiesige Esskultur dürften die getrockneten Raupen sein, die Rosalyn Harrison über alles liebt. "Sie kommen nur in einem ganz bestimmten Baum vor und sind in Bremen nur ganz schwer zu bekommen. So war es übrigens bis vor einigen Jahren mit allen Zutaten, die in Sambia & Co. alltäglich sind. Doch inzwischen, freut sich Rosalyn Harrison, habe sich in der Stadt eine Gemeinde entwickelt, zu der auch Geschäfte gehörten, in denen die Gemüsesorten ihrer Heimat zu bekommen seien. "Ich muss nicht mehr bis nach Hamburg fahren", sagt die junge Frau.
Übrigens ist die Zubereitung sämtlicher Gerichte Frauensache. "In Afrika würde es keinem Mann einfallen, in die Küche zu kommen", sagt Rosalyn Harrison lachend, während sie ihren Gästen nach der Mahlzeit die Teller abnimmt.