"Am liebsten lese ich lustige Bücher, in denen Kinder viele Abenteuer erleben“, sagt Amina aus der dritten Klasse und teilt diese Vorliebe mit ihrer Klassenkameradin Nalan. Ihre beiden Mitschüler Luke und Liam haben dagegen andere Präferenzen: Der eine mag Harry Potter, der andere begeistert sich für Bücher über Tiere und Natur.
Entsprechend unterschiedlich sind auch die Texte, die die Kinder zum Vorlese-Wettbewerb an der Grundschule Hammersbeck mitgebracht haben: Amina berichtet aus dem „Lotta-Leben“ mit vielen herrlich verrückten Geschichten. Nalan schildert den lustigen Wahnsinn, in dem Alvinn aufwächst, Luke lässt mit dem kleinen Drachen Kokosnuss die Zuhörer in fremde Kulturen und Epochen eintauchen, und Liam schildert, wie ein Dinosaurier aussieht und sein Leben gestaltet.
Jeweils drei Minuten haben die vier Kinder Zeit, aus einem selbst gewählten Buch vorzulesen, wobei sie zu Hause schon mal üben konnten. Doch danach steigert sich der Schwierigkeitsgrad: Sie erhalten einen Text, den sie vorher nicht einüben konnten.
Nach zwei Jahren coronabedingter Pause ging es an der Grundschule Hammersbeck wieder mit dem schulinternen Vorlese-Wettbewerb los, der einen ganzen Vormittag dauerte. Kinder aller Jahrgangsstufen, die von der gesamten Klasse ausgewählt wurden, konnten ihre Lesekompetenz unter Beweis stellen. Und zur Siegerehrung trafen sich am Ende alle auf dem Schulhof: Jedem der Erstplatzierten aus den Klassen Eins bis Vier wurde ein kleiner, silberner Pokal überreicht.
Für die vier Jahrgänge standen Vorlese-Übungen auf dem Programm, die sich in ihrem Schwierigkeitsgrad unterschieden: Die Erst- und Zweitklässler lasen drei Minuten lang nur eigene Texte. Für sie ist das Vorlesen auf einer Bühne vor großem Publikum eine völlig neue Erfahrung, die viel Mut erfordert. Die Dritt- und Viertklässler wurden hingegen auch mit Texten konfrontiert, die sie nicht kannten – für viele eine besondere Herausforderung. Alle Vorleser mussten außerdem einen Gegenstand mitbringen und vorstellen, der zu ihrem Buch passt. „Die Erstklässler haben Stabpuppen mitgebracht und damit sogar eine kleine szenische Lesung gestaltet“, sagt Kathrin Hoyer-Rosendahl, Lehrerin an der Grundschule Hammersbeck.
Mit einem großen Zettel in der Hand sitzen zahlreiche Kinder und drei der sogenannten Lesehelfer – Erwachsene, die an der Schule beim Lesen unterstützen – in der Aula und machen sich Notizen: Sie bilden die Jury, die über die Gewinner entscheiden und die vorlesenden Kinder nach vier Kriterien bewerten: Wie wurde das Buch vorgestellt? Welchen Gegenstand hat das Kind mitgebracht? Wurde flüssig und deutlich vorgelesen? Wie waren Lautstärke und Betonung? Dabei vergaben sie Noten in vier Stufen.
Als die vier Kinder aus der dritten Klasse, gemeinsam an einem langen Tisch auf der Bühne der Aula sitzend, an der Reihe sind, werden die Unterschiede in der Qualität des Vorlesens deutlich: Vom flüssigen, betonten und gut artikulierten Vortrag bis zu einem Lesen, das doch hin und wieder stockt und langsam wird, zeigt sich, wie verschieden das Lese-Niveau innerhalb eines Jahrgangs sein kann. Aus den Texten, die die Drittklässler noch nicht kennen, wird nur der Anfang vorgelesen – für die zuhörenden Kinder wird es damit umso spannender, wie es wohl mit der Geschichte weitergeht.
„Der Vorlese-Wettbewerb ist ein wichtiger Baustein, um die Lesekompetenz an der Schule zu fördern“, sagt Kathrin Hoyer-Rosendahl, „und er fördert die Lust am Lesen insgesamt.“ Doch eine große Rolle spielen für die Leseförderung auch die Lesehelfer, die einmal in der Woche in die Grundschule kommen und die teilweise schon seit vier Jahren dabei sind. Karin Grunwald, Deutschlehrerin an der Schule, betont die Wichtigkeit der ehrenamtlich tätigen Lesehelfer: „Zuhause wird in der Regel gar nicht mehr vorgelesen. Die Lesehelfer unterstützen die Kinder sehr, indem sie auf die Stärken und Schwächen der Schüler eingehen.“