Eine neue Crew hat der alte Vulkanschlepper "Regina" bereits. Jetzt geht der Verein MTV Nautilus an die Überholung des Vegesacker Wahrzeichens am Ende der Maritimen Meile. Bis zum Festival Maritim Anfang August soll Vulkans Baunummer 900 wieder so aussehen wie im Baujahr 1965, als die Lehrlinge der Werft das firmeneigene Arbeitsschiff ablieferten.
Vegesack. Das Schwarz-Weiß-Bild zeigt den Kapitän Hermann Gronau, der nachdenklich aus dem Brückenfenster der "Regina" schaut. Sein Sohn Horst Gronau hat zum Arbeitseinsatz auf dem Schlepper das Familienalbum mitgenommen: "Mein Vater ist den Schlepper zu Vulkanzeiten gefahren. Für mich gehört es zum Andenken an meinen Vater, dass ich heute hier mitmache. Ich habe einfach nicht mehr mit ansehen können, wie das Schiff immer mehr vergammelt," sagt Horst Gronau über seine Motivation, in der neuen Crew an dem 100-Tonnen-Stahlbrocken zu arbeiten.
Mitte Juni hatte Anke Krohne vom MTV Nautilus nach mehreren Aufrufen die neue ehrenamtliche Crew zusammen, jetzt braucht der Verein Spenden, damit die Schleifmittel und die Farben nicht ausgehen. Und zu tun ist noch reichlich. Überall blüht der Rost. Hein Deggert ist im Berufsleben unter anderem Kraftfahrzeugmechaniker, U-Boot-Fahrer, Funker und Rettungsassistent gewesen. An Bord sind aber besonders die Fähigkeiten des Lackierers Deggert gefragt, sein erster Lehrberuf: "Wir müssen jetzt erst einmal überall Grund reinkriegen. Es ist praktisch alles zu machen."
Neue Crew aus fünf Personen
In dem Moment steht er gerade in der Kombüse, trocknet das Frühstücksgeschirr ab und erläutert grinsend die Aufnahmekriterien für neue Leute, die noch in der "Regina"-Crew mitmachen wollen: "Man muss die richtige Sprache sprechen und sich zu benehmen wissen: Hier gibt es keine Tische, keine Türen und keine Küche – das heißt Back, Schotts und Kombüse," so der Mann, der sechseinhalb Jahre auf einem Taucheisen gelebt hat, wie er U-Boote nennt. Vier Männer und eine Frau haben sich bisher als "Regina"-Crew engagiert, zählt Anke Krohne zusammen: "Aber da sind noch welche im Wartestand, die auch noch mitmachen wollen."
Ein Crewkapitän ist noch nicht gewählt worden, aber Horst Gronau versucht feixend schon einmal Fakten in Richtung U-Boot-Fahrer zu schaffen: "Ich mache hier bei der Befragung weiter. Hein, du kannst schon mal das Deck abschleifen gehen. Das dauert bei Dir ja immer so lange." Es geht lustig, rau und nordisch zu an Bord.
Dass das knapp 20 Meter lange Schiff nie wieder seine 600 PS ausspielen wird, sondern hoch und trocken im Gras am Stadtgartenrand steht, stört hier keinen. Gemeinsam schwelgt man in Erinnerungen. Horst Gronau: "Oft genug haben wir uns als Lehrjungs auf die "Regina" verdünnisiert und gewartet, dass der Tag rumgeht. Ich hoffe mal, dass liest jetzt nicht mein alter Meister. Das gäbe sonst heute noch einen Satz heißer Ohren," meldet sich bei ihm ein spätes schlechtes Gewissen.
Bis zum Februar 1987 tat der Brummer mit dem Voith-Schneider-Antrieb seinen Dienst auf der Werft. Gronau erinnert sich, wie sein Vater ermittelte, wann die Weser zwischen Hoch- und Niedrigwasser ohne jede Strömung still stand: "Mein Vater hat dann immer Flaggen ins Wasser gelassen und so konnte man sehen, wann der Fluss still stand. Dann erst war alles klar zum Stapellauf vom Helgen." Mit jedem neuen Schiff sei immer auch eine Menge Bauholz ins Wasser gerutscht: Die "Regina" fuhr dann raus zum Holzfischen. Auch für Bugsier- und Transportarbeiten nutzte die Werft den Schlepper, etwa wenn der werfteigene Schwimmkran verholt werden musste.
Altes Inventar zu verkaufen
Seit November 1990 steht das rot-schwarz-weiße Schiff schon an seinem Platz vor der Gläsernen Werft. Jetzt soll der Charakter als technisches Denkmal neu aufleben. Beim MTV denkt man über Wochenendöffnungszeiten wie bei der Signalstation nach. Auch ein Akkordeonorchester hat das Schiff schon als Proberaum angefragt. Vorher muss nach den Worten des MTV-Vorsitzenden Norbert Krause aber erst einmal gründlich entrümpelt werden: "Wir haben damals beim Vulkan einiges gerettet, von einer Vulkanuhr bis zu alten Gussmodellen der Werft. Die Sachen lagern unten in der "Regina" und wir würden sie gerne gegen Spenden in gute Hände weggeben." Wer sich dafür interessiert oder sich bei der Wiederbelebung der "Regina" beteiligen möchte, sollte folgende Rufnummer wählen: 0421/ 9586786.
In diesen Tagen der Renovierung sind aber häufig auch Leute auf dem Schiff, die man einfach ansprechen kann. Eine Mutter mit ihrem Achtjährigen tut das gestern Mittag mal, und Minuten später guckt sich der Filius die Weser hoch oben von der Brücke der "Regina" an.