Vegesack. Drei Freundinnen treffen sich auf der Straße. Eine sagt, sie schreibe bald eine Mathearbeit und verstehe von Dezimalzahlen absolut gar nichts. Also überlegt sich das Trio einen Rap-Song, mit dem sie die Inhalte verarbeiten und letztlich verstehen. Die Klassenarbeit wird danach ein voller Erfolg. Diese Szene stammt aus einem Videobeitrag, den Sofia, Amrita und Viola mithilfe ihres Tablets erstellt haben. Die Sechstklässlerinnen des Gymnasiums Vegesack nehmen am Projekt „Digital School Story“ teil und hatten jetzt Gelegenheit, ihr Vorhaben von Profis begutachten zu lassen.
Die Relevanz der Medien, speziell der sozialen, wird zunehmend in der Schule thematisiert. Wie berichtet, ist das Gymnasium Vegesack Pilotschule der „Digital School Story“ – als erste Bremer Schule ist es zugleich die erste Bildungseinrichtung, die das Projekt im Fach Mathematik in fünf Klassen durchführt. Das Ziel: die Aufnahme von kurzen Videogeschichten zu ausgewählten Unterrichtsthemen. Im Rahmen einer digitalen Fragerunde hat nun ein Austausch zwischen den beteiligten Schulklassen und den Projektpaten stattgefunden. Die Webvideoproduzenten „Monumentalmo“ sowie „Freddy von frechundfruchtig“, die beide als sogenannte Content-Creator über eine hohe Reichweite in den Netzwerken TikTok, Instagram und YouTube verfügen, stellten sich zusammen mit der Gründerin des Bildungs-Start-ups „Digital School Story“, Nina Mülhens, den Fragen der Vegesacker Schüler.

Projekt „Digital School Story“ am Gymnasium Vegesack.
Auftritt Seydi: Der Sechstklässler an der Kerschensteinerstraße ist seit langer Zeit Fan und Follower von „Monumentalmo“ und konfrontiert den Videospezialisten unter Beifall seiner Klassenkameraden mit dessen bekanntem Stil der schwierigen „Endgegnerfrage“: Was macht ein Mathematiker im Garten? Wurzeln ziehen, lautet sodann die richtige Antwort von „Mo“, wie sich der Content-Creator abkürzt. Es folgen weitere Fragen der interessierten Schüler, die sich vor allem für die Gründe des Erfolgs ihres Idols interessieren, den sie sich für ihre eigenen Videogeschichten ebenso erhoffen.
„Ihr braucht zuerst eine gute Planung. Am besten schreibt ihr Skripte. Dann kann es losgehen“, erzählt „Mo“ den gebannt lauschenden Vegesackern. Spaß stehe im Vordergrund, auch wenn die Klickzahlen einmal nicht so hoch ausfallen sollten. Die Rückmeldungen aus der Community seien ebenfalls wertvoll.
Lob des Profis
Im Anschluss an die allgemeine Fragerunde erhalten die Schüler Feedback zu ihren bisher erstellten Szenen. Ein weiteres Beispiel: Der Pizzabäcker hat vergessen, wie Bruchrechnung funktioniert, als ein Kunde eine „Zweidrittel-Pizza“ bestellt, und bekommt den Inhalt vermittelt. In einem anderen Beitrag geht es um die Entführung eines Mädchens von einem Fabelwesen, das durch Lösen von Matherätseln befreit werden kann. Fazit von Projektpate „Mo“: „In dieser Schule sprudelt die Kreativität. Ich glaube, ich bin in Influencer-Klassen gelandet!“ Den Schülern ist anzusehen, wie stolz sie das Lob des Profis macht.
Anne Sprink, Mathematiklehrerin in Jahrgang sechs, spricht von einem „besonderen Erlebnis für die Schüler“, weiß aber um das Risiko, dass die Videoproduktion zu sehr im Fokus stehen könnte, wodurch Fachinhalte zu kurz kämen. „Noch ist das Projekt ja noch nicht beendet, daher werden wir das zusammen reflektieren.“ Sie freut sich ebenso wie ihr Kollege Daniel Borowski auf die fertigen Videoprodukte.
Emotionaler Zugang zur Mathematik
Borowski, der auf einer Fortbildung von der „Digital School Story“ erfuhr, zeigt sich angetan von den ersten Ergebnissen seiner Neuntklässler, die mit dem Content-Creator „Freddy von frechundfruchtig“ in einen Austausch treten: „Dieses Format bietet den Schülern einen alternativen, kreativen und emotionalen Zugang zur Mathematik. Es gibt ihnen vor allem die Gelegenheit, zu prüfen, wo in der Alltagswelt Mathematik vorkommt.“
Dass hierbei ein Motivationsschub für das Fach entsteht, bestätigen die Gymnasiasten, die sich mit Parabeln beschäftigen. „Es ist aufregend und interessant, mal etwas anderes zu machen“, sagen Emma und Göksu, während sich Yoana und Ilayda besonders über die Unterstützung der Paten freuen, „weil man die Vorschläge direkt umsetzen kann.“ Ihre Mitschülerin Moana ergänzt: „Durch die Möglichkeit, das Thema selbst zu erklären, bleibt es einem noch besser in Erinnerung.“
Zurück zum Rap-Video der Sechstklässlerinnen Sofia, Amrita und Viola. Die kreative Arbeit mit dem Tablet hat die drei Mädchen nicht nur in Bezug auf Mathematik zusammengeschweißt. Viola verrät: „Mit dem Projekt sind wir richtig gute Freunde geworden.“ Wenn die „Digital School Story“ neben den digitalen Kompetenzen auch die Begeisterung der Schüler weiter nachhaltig fördert, sind vielleicht schon bald die ersten Kurzvideos aus Vegesack im Netz zu finden.