Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Pflanzen Die artenreichste Grünlandfläche Bremens

Das 28 Hektar große Naturschutzgebiet Hammersbecker Wiesen liegt auf der Vegesacker Geest und gilt mit 272 Pflanzenarten als das artenreichste Grünlandgebiet in ganz Bremen. 17 Arten stehen auf der Roten Liste.
03.06.2021, 12:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Jörn Hildebrandt

Hammersbeck. Mit 272 Pflanzenarten sind die Hammersbecker Wiesen das artenreichste Grünlandgebiet in ganz Bremen – dies ergaben die Erfassungen des renommierten Botanikers Jürgen Feder aus Bremen-Nord. Und 17 Arten stehen sogar auf der Roten Liste.

Das 28 Hektar große Naturschutzgebiet Hammersbecker Wiesen liegt auf der Vegesacker Geest, ist rund einen Kilometer lang und gut 500 Meter breit und wird von der Beckedorfer Beeke teils in Mäandern durchflossen. Zu der besonderen landschaftlichen Schönheit tragen auch die alten, teils engmaschig stehenden Hecken bei, die auf Wällen längs der Beeke stehen, aber auch der Wechsel aus Sümpfen, Fluren aus hohen Stauden und Wiesen auf eher trockenem Boden.

„In diesem Jahr haben Frost im Februar und das nasse, eher kühle Frühjahr dazu beigetragen, dass die Pflanzenwelt im Gebiet besonders prachtvoll und artenreich blüht“, sagt Andreas Nagler von der Bremer Naturschutzbehörde, „die Gräser wuchsen erst spät im Jahr hoch auf, und so konnten sich Kräuter nährstoffarmer Standorte, wie der Klappertopf, ungewöhnlich gut entfalten.“

Doch die Grundbedingungen für diese hohe Artenvielfalt schafft die landwirtschaftliche Nutzung, die genau auf die Ansprüche von Flora und Fauna abgestimmt ist: Nach den Vorgaben des Umweltressorts wird in den Hammersbecker Wiesen weder zu intensiv beweidet noch zu häufig gemäht, aber auch nicht in zu geringer Intensität. Der Artenreichtum ist also an ein genaues Austarieren der Grünlandnutzung gebunden.

Die Ökolandwirtschaft, die in den Hammersbecker Wiesen betrieben wird, kombiniert Mahd und Beweidung so, dass viele Kräuter zur Blüte gelangen und aussamen können, bevor die Flächen genutzt werden: Erst ab Mitte Juli dürfen nach den Vorgaben der Naturschutzbehörde die Rinder auf die Weiden gelassen werden, und dies auch nur in begrenzter Anzahl.

Jüngst wurde durch eine Bachelorarbeit an der Uni Göttingen nachgewiesen, dass es in den Hammersbecker Wiesen Pflanzengesellschaften gibt, die sonst in Nordwestdeutschland kaum noch existieren. Einen herausragenden Wert haben die Hammersbecker Wiesen für zahlreiche Seltenheiten in der Pflanzenwelt, darunter das Breitblättrige Knabenkraut, aber auch für die Fauna: Denn die Rinder schaffen durch ihre Kuhfladen winzige Kleinlebensräume für eine hochgradig bedrohte Insektenwelt. So konnte im Gebiet der seltene Behaarte Kurzflügelkäfer nachgewiesen werden – er wurde in Deutschland durch den Einsatz von Antiparasitenmittel für Rinder und ganzjährige Stallhaltung an den Rand des Aussterbens gebracht.

„In die Wiesen dringt sogar das Buschwindröschen vor, das eigentlich eine Waldart ist“, betont Nagler, „das ist ein Indiz, dass es sich um sehr altes Grünland handelt, das lange nicht umgebrochen worden ist.“ Nur wenn Flora und Fauna über Jahrzehnte oder Jahrhunderte Zeit haben, einzuwandern und sich zu etablieren, kann der große Artenreichtum wie in den Hammersbecker Wiesen entstehen.

„In ganz Niedersachsen wird man Schwierigkeiten haben, solche schönen, vielfältigen Grünlandflächen zu finden“, sagt Andreas Nagler von der Naturschutzbehörde.

Zur Sache

Extensive Beweidung fördert den Artenreichtum im Grünland und schützt zugleich das Klima

Wenn Grünland von Rindern, Schafen oder Pferden in geringen Besatzdichten beweidet wird, etabliert sich in der Regel ein besonders großer Artenreichtum in Flora und Fauna. Dies haben Untersuchungen in zahlreichen „wilden Weiden“ in mehreren Bundesländern gezeigt. „Alle unsere Tier- und Pflanzenarten lebten viele Jahrmillionen mit großen Pflanzenfressern zusammen und sind deshalb hocheffizient an Tritt und Fraß angepasst“, sagt Insektenexperte Herbert Nickel aus Göttingen, „und rund 99 Prozent der Geschichte unserer Kulturlandschaft wurde von extensiver Weidewirtschaft geprägt.“ Er betont, dass auf gut geführten Weiden häufig Arten wieder aufgetaucht sind, die jahrzehntelang als verschollen galten. Naturnahe Weiden würden sogar mehr Kohlenstoff im Boden speichern als Wald und deshalb ein enormes Potenzial für den Klimaschutz darstellen, so Biologe Herbert Nickel.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)