Im Hintergrund spielt aus den Boxen dezent Musik. Die Bee Gees trällern „Night Fever“ aus dem 70er-Jahre-Tanzfilm „Saturday Night Fever“. So ganz passt es nicht, denn es ist Mittwochabend und in der Freizeitgemeinschaft (FZG) Grambke wird gerade auch nicht das Tanzbein geschwungen. Zigarettengeruch liegt in der Luft. Die Hauptakteure des Abends nehmen das alles in ihrem kleinen, leicht abgetrennten Raum höchstens im Unterbewusstsein wahr. Ihr Blick fixiert diese eine Scheibe, um die es in den nächsten gut zwei Stunden geht: Sie haben sich dem Steeldart verschrieben.
Es ist ein Punktspieltag in der Bezirksliga, der tiefsten Spielklasse des Bremer Dartverbandes, in der mit dem Grambker DC eine recht ungewöhnliche Combo an den Start geht. Fast keiner aus diesem Team hatte vorher mit dem Dartspiel größere Berührungspunkte, es ist eine Clique von aktiven und ehemaligen Fuß- und Handballern, die hier ihrem zweiten Hobby nachgeht.
Ein illustres Team
Der Handballtrainer Stephan Rix (Landesliga Frauen) zählt genauso mit dazu wie die Fußballer Sascha Steinbusch (Trainer TuSG Ritterhude, Bezirksliga), Malte Randecker, Phil Greulich (beide FC Burg, Landesliga) und Luca Steinbusch, der früher unter anderem für Ritterhude und Burg gekickt hat und jetzt in der Landesliga beim KSV Vatan Sport spielt.
Aus der Mini-Arena ist ein „Jawoll“ zu hören, und Chris Lubczyk kommt strahlend heraus. Der Co-Trainer der SVGO-Handballfrauen hat seinen Gegenspieler nach einem 0:2-Rückstand mit 3:2 niedergerungen. „Das 2:2 war befreiend“, meint er und klatscht seine Mitspieler zufrieden ab.
Sascha Steinbusch macht mit seinem Gegner kurzen Prozess. Die drei Pfeile fliegen innerhalb von nicht einmal acht Sekunden auf die Scheibe, sodass das dritte Leg nach nur zwei Minuten und 40 Sekunden zum 3:0-Endstand zu seinen Gunsten entschieden ist. Mittendrin bleibt Zeit für eine kurze Trinkpause. Er beugt sich zum auf dem Tisch stehenden Glas Cola und stößt sich dabei prompt an der tief hängenden Lampe den Kopf. „Das passiert mir bei jedem Heimspieltag“, verrät er schmunzelnd.
Topspieler Sascha Steinbusch
Dass es den Grambker DC gibt, verdankt er dem Coronavirus und dem „Shortys Inn“, quasi der Keimzelle des Teams. Das „Shortys Inn“ ist die Kellerbar im Haus von Stephan Rix, der von vielen nur Shorty genannt wird. „Ich hatte mir während des Lockdowns eine Dartscheibe zugelegt“, plaudert er. Viel Ablenkung gab es während der tristen Zeit ja auch nicht. Reihum bekam er von seinen Freunden Besuch. „Wir haben etwas getrunken und ab und zu ein paar Pfeile geworfen. So gesehen sind wir von der Theke an die Scheibe gekommen“, erinnert sich Malte Randecker, der Darts bis dahin nur vom Fernsehen kannte.
Es entwickelte sich eine Dynamik, die sich nach dem Ende des Lockdowns fortsetzte. Aus einer losen Gruppe wurde ein Team, das sich personell Stück für Stück vergrößerte und zum Trainieren ins FZG Grambke umzog. Im Sommer 2023 meldete der Teamkapitän Torben Dause schließlich den Grambker DC zum Ligabetrieb an. „Irgendjemand musste das ja mal tun, da wir schon seit Längerem darüber gesprochen hatten“, so Dause, dessen Frau Sonja beim SVGO im Handball-Landesligakader steht.
Sascha Steinbusch wirkt in der Spielklasse unterfordert. Er ist einer der Topspieler der Bezirksliga und entschied im Einzel bislang alle zwölf Sets für sich (36:4 Legs). Sein schnellstes Leg gewann er mit einem 15-Darter, sein bestes High Finish lag bei 100. Das überrascht nicht, wenn man einen Blick auf seine Dart-Vita wirft. Denn er war im Jahr 1999 im südafrikanischen Durban Junioren-Vizeweltmeister geworden, im Jahr 2000 holte er sich den Titel des deutschen Juniorenmeisters. Hinzu kamen mehrfache Teilnahmen mit der deutschen Nationalmannschaft an Europameisterschaften. „Das war eine geile Zeit, die ich nicht missen möchte“, blickt der heute 41-Jährige zurück.
Erinnerung an James Wade
Mit dem Eintritt ins Erwachsenenleben zog sich Sascha Steinbusch aus dem Dartsport zurück. „Die Gegner hatten eine andere Qualität, außerdem war die Unterstützung des Verbandes weggefallen. Dadurch wurde es in den jungen Jahren ungleich schwerer, die Fahrt- und Hotelkosten aufzubringen.“ Deshalb konzentrierte er sich von da ab voll auf das Fußballspiel. Zwei seiner früheren Gegner nahmen den anderen Weg und bogen in Richtung Dart-Profi ab. Der Engländer James Wade, dem Sascha Steinbusch 1999 in der zweiten Runde der World Masters mit 0:3 unterlegen war, wurde unter anderem vier Mal PDC-Weltmeister. Und der Belgier Kim Huybrechts, den Steinbusch 1999 im Halbfinale der Junioren-Weltmeisterschaft mit 2:1 bezwang, schaffte es 2012 ins Viertelfinale der PDC-Weltmeisterschaft, die aktuell im legendären „Ally Pally“ in London ausgetragen wird.
Sascha Steinbusch bereut seine damalige Entscheidung nicht. „Ich bin mit dem zufrieden, was ich erreicht habe.“ Die Darts von damals hat er mittlerweile wieder aus dem verstaubten Karton vom Dachboden geholt und nutzt sie zum Spielen. „Mit denen fühle ich am wohlsten, die gebe ich nicht her“, betont Steinbusch. Die Spielgeräte haben zwar über die zwei Jahrzehnte einiges an Grip verloren, mit einem Ultraschallbad, alternativ mit Correga Tabs, soll sich der jedoch wieder verbessern lassen, hat er jüngst erfahren.
Seinen Sohn Luca hat er mittlerweile auch mit dem Darts-Virus infiziert. Dem 17-Jährigen fehlt jedoch noch etwas Routine, sich blitzschnell im Kopf gute Finish-Szenarien durchzurechnen. „Bei mir dauert das ab 200 Punkten manchmal einen Tick länger, sodass ich gelegentlich aus meinem Rhythmus komme“, verrät Luca Steinbusch. Allein steht er damit in der Liga beileibe nicht da. Um das zu verbessern, übt er zu Hause im 170er-Modus, um Automatismen zu schaffen und das für ihn beste Finish herauszuarbeiten.