Vermüllte Hauseingänge, ungepflegte Grünanlagen, Lärm und Vandalismus bemängeln die einen, andere loben die kurzen Wege, den sozialen Zusammenhalt und die renovierten Wohnungen. In den Quartieren an den Straßen Hünertshagen und Kaspar-Ohm-Straße gehen hinsichtlich der Wohnqualität die Meinungen auseinander. Das haben 40 Studierende des Studiengangs "Soziale Arbeit" der Hochschule Bremen unter Anleitung ihrer Professorin Annette Harth in zahlreichen Interviews mit Bewohnern festgestellt. Dabei konzentrierten sie sich vor allem auch auf die Mehrparteienhäuser von Vonovia, Gewoba und Brebau.
Der Startschuss für das Projekt fiel im Juli 2021. Im November und Dezember bildeten die jungen Männer und Frauen acht Gruppen und wurden nach dem Zufallsprinzip den Wohngebäuden zugewiesen. In der Folgezeit zogen die Studierenden von Block zu Block und sammelten in direkten Gesprächen mit Bewohnern kritische und positive Rückmeldungen. Die Resultate ihrer Arbeit sind eine Studienleistung, die benotet wird.
Ruhiges Wohnen in grüner Lage
Gleichzeitig riefen sie die Menschen aber auch dazu auf, sich für ihr Quartier zu engagieren. Möglich ist dies dank des Förderprogramms „Lebendige Quartiere“, das künftig dazu beitragen soll, die Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern. Annette Feldkamp, die neue Quartiersmanagerin für Hünertshagen, ist im Auftrag der Hans-Wendt-Stiftung tätig und bezeichnet die Kooperation mit der Hochschule angesichts der Herausforderungen als "richtiges Geschenk".
Die Umfrage-Ergebnisse der Studierenden präsentierte die Stiftung während einer ersten Informationsveranstaltung in der Grundschule Borchshöhe. Anwesend waren auch interessierte Bewohner aus dem Quartier. Das Zepter übernahmen dabei die beiden Studentinnen Néle Kirschstein und Patricia Finke. In ihrer Präsentation fassten sie die Rückmeldungen zusammen, wobei sie die positive von der negativen Kritik trennten. Überrascht zeigten sich die Frauen dabei von der Diskrepanz der Wahrnehmung. Gelobt worden seien beispielsweise die ruhigen Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaften in grüner Lage mit renovierten Balkonen und Fassaden, so Nelé Kirschstein. Gleiches gelte für die nahe gelegenen Einkaufsmöglichkeiten und die gute Anbindung an den ÖPNV. Es gebe ausreichend Kita-Plätze, viele junge Menschen und ein gutes Miteinander. Erfreulich sei auch die ruhige Lage ohne Bars, aber mit nahe gelegenen Freizeitmöglichkeiten.
Zu viel Müll im Quartier
Konträr waren hingegen die negativen Rückmeldungen, die Patricia Finke vorstellte. Es gebe zu viel Müll im Quartier, sowohl am Straßenrand, aber auch aufgrund unregelmäßiger Leerungen. Eine Rattenplage gehe damit einher. Auf Spielplätzen lägen zudem Kothaufen und Spritzen, die Straßen im Quartier seien zu abschüssig, das Laub werde nicht entfernt, es gebe keinen Winterdienst. Die Studentin hatte aber noch mehr Kritikpunkte im Köcher: dunkle Zuwegungen und Hauseingänge und zu wenig Grünflächen. Busse und Bahnen seien schlecht getaktet, es gebe zu wenig Parkplätze und die Einfahrten seien zu eng. Zudem seien die Ärzte und Einkaufsmöglichkeiten – vor allem für Kleidung – sowie die nächste Moschee zu weit entfernt. Bedauert wurde auch die mangelnde Präsenz der Polizei und des Impfbusses. Dadurch würden Behinderte benachteiligt, referierte Finke.
Unter dem Stichwort "Soziale Beziehungen" wünschten sich viele der Befragten einen besseren Austausch der Kulturen, die aufgrund der Sprachbarrieren aber scheiterten. Dadurch gebe es wenig Zusammenhalt, viele Konflikte und auch Gewalt. An öffentlichen Plätzen würden Alkohol und Drogen konsumiert, es gebe zu wenig Bars, Imbissbuden, Grillplätze und Begegnungsräume. Und Finke nannte noch mehr Wünsche der Bewohner: Stauraum für Kinderwagen, Sitzgelegenheiten und Rollatoren. Rasenflächen für gemeinsame Treffen und kulturell übergreifende Feste.
Zu wenig Kontakt
Vegesacks Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt zeigte sich nach dem Vortrag überrascht "von den Gegensätzlichkeiten". Auch er sei der Meinung, dass das Quartier zu schlecht an den ÖPNV angeschlossen sei. Auch fehlten definitiv die Freizeitangebote für junge Menschen. "Die älteren haben die Siedlergemeinschaft, aber das Jugendfreizeitheim ist zu weit weg."
Eine Bewohnerin beklagte den mangelnden Austausch zwischen jüngeren ausländischen Bewohnern mit alteingesessenen. "Da gibt es leider gar keinen Kontakt. Die grenzen sich voneinander ab." In diesem Zusammenhang übten die Referentinnen auch Selbstkritik. Angesichts der multikulturellen Struktur im Quartier und der sprachlichen Vielfalt sei es an sich erforderlich, auch muttersprachliche Interviews zu führen, betonte Néle Kirschstein.
Zu Wort meldete sich auch Frank Oetjen, Mitarbeiter der Brebau. Die Themen in Hünerthagen seien nicht ungewöhnlich und "typisch für solche Wohnquartiere". Es sei ein "langer Prozess, die Ordnung, Rücksichtnahme und Zuverlässigkeit", zu fördern. Ein positives Beispiel für den Effekt sei Lüssum. Hier ist das Quartiersmanagement seit 30 Jahren unterwegs und hat viele positive Spuren hinterlassen."