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Das Porträt Von der Schreibmaschine zum Computer

Als Henry Beitzel vor 55 Jahren seine Lehre als Büromaschinenmechaniker begann, sah die Bürowelt noch anders aus. Trotzdem repariert er bis heute Maschinen aller Art, und das, obwohl er bereits in Rente ist.
22.05.2020, 10:22 Uhr
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Von Jörn Hildebrandt

Vegesack. 55 Jahre bei einer Firma, ohne je den Arbeitsplatz gewechselt zu haben? Wie geht das? „Das ist kein Problem, wenn einem die Arbeit solchen Spaß macht wie mir, weil sie viel Abwechslung und auch Kontakt zu anderen Menschen bringt“, sagt Henry Beitzel, der seit 1965 in der Firma Sonnekalb Bürotechnik in Vegesack beschäftigt ist. Eigentlich befindet sich der 1949 geborene Büromaschinenmechaniker im Ruhestand, doch bis heute arbeitet er noch stundenweise im Betrieb.

„Ich habe drei Generationen der Firma durchlaufen, vom Großvater Waldemar Sonnekalb bis zum heutigen Geschäftsführer Cord Sonnekalb“, sagt Henry Beitzel, der dort auch seine Lehre begann. Obwohl er eigentlich gern Fernsehmechaniker geworden wäre. „Mich hat als Kind die Arbeit an den ersten TV-Geräten fasziniert“, sagt er. Die diffizilen Reparaturen waren gleichsam eine höhere Stufe der Bastelarbeiten, wie Papierschiffe bauen, die ihn schon als kleinen Jungen faszinierten. Und er gibt seinem Hang zu technischen Basteleien auch heute noch nach, wenn er mit seinen beiden Enkelkindern zusammen ist.

In vor-digitalen Zeiten befasste sich Henry Beitzel in den 1960er-Jahren beruflich mit mechanischen Schreibmaschinen, kleinen Diktiergeräten und Matrizendruckern, bei denen mittels Trommel und Spiritus eine Papiervorlage mehrfach vervielfältigt wurde – Fotokopierer waren damals erst im Anmarsch. Und es gab auch noch keine Taschenrechner, sondern nur einfache Addiermaschinen, die mittels einer Kurbel betrieben wurden.

„Ich lernte, wie verschiedenste Arten von Büromaschinen funktionieren und vor allem, wie man sie repariert“, sagt Henry Beitzel, „und Reparaturen bedeuteten damals oft noch einen hohen Aufwand: Etwas war verbogen, eine Feder war kaputt oder die Maschine verschmutzt.“ Für die Reparaturen musste er immer wieder nach draußen, direkt zu den Kunden, gehen. Und auch Wartungsarbeiten, zum Beispiel für den Bremer Vulkan oder die Tauwerke, standen jedes Vierteljahr an. „Da ging ich dann in die Schreibstuben, in denen die Sekretärinnen an ihren Maschinen tippten, und so hatte ich viele Kontakte, konnte oft einen kleinen Klönschnack halten und auch mal einen kleinen Scherz machen“, blickt Beitzel zurück. In den Chefetagen ging es anders zu, dort herrschte mehr Druck, den er manchmal auch zu spüren bekam.

Die Arbeit mit den Kunden ist neben den technischen Arbeiten für Henry Beitzel genauso wichtig, und dabei folgt er klaren Regeln: „Ungeduld ist im Umgang mit Kunden unangebracht. Man sollte nie jemanden anschwärzen und zu erreichen versuchen, dass jeder zufrieden ist.“

Doch die Bürotechnik änderte sich im Laufe der Jahrzehnte rasant und immer schneller: von der Mechanik über die Elektrik bis zur Elektronik – was für einen Bürotechniker eine enorme Lernbereitschaft bedeutete. „Man muss Interesse daran haben, sonst geht der Spaß an der Arbeit verloren“, sagt Henry Beitzel. So musste er sich in immer neuen Lehrgängen ständig weiterbilden. Zu den rein mechanischen Schreibmaschinen kamen die elektrischen Kugelkopf-Maschinen hinzu, die 1961 von IBM entwickelt wurden. „Die waren besonders empfindlich, und ich musste besonders oft raus, um sie zu reparieren“, sagt Henry Beitzel. Und auch die ersten mit Toner betriebenen Kopierer waren störanfällig: „Die frühen Geräte hatten noch eine eingebaute Heizung, und da kam es nicht selten vor, dass das Papier zu kokeln anfing“, sagt er.

Im Arbeitsraum von Henry Beitzel, gleich hinter dem Verkaufsraum der Firma Sonnekalb in der Reeder-Bischoff-Straße, stapeln sich Schreibmaschinen, Fotokopierer, Drucker oder Faxgeräte – aber auch Nähmaschinen. „Ich hatte vom Nähen keinerlei Ahnung, als die Firma sie auch ins Angebot aufnahm“, sagt Henry Beitzel, doch er konnte sich schnell in die Technik einarbeiten, die zu seinen Anfangszeiten noch über das Treten von Pedalen funktionierte. „Diese uralten Nähmaschinen funktionieren heute noch. Damals waren sie Anschaffungen fürs ganze Leben und wurden dementsprechend robust und langlebig gebaut“, sagt Henry Beitzel.

Mit der Einstellung „Geht nicht, gibt‘s nicht“ machte er auch die Revolution im Büroalltag im Zuge der Digitalisierung mit. „Ich musste mich auch auf die Elektronik einlassen“, sagt er. Vor einer Reparatur auch der modernsten Geräte schreckt er nicht zurück. „Heutige Drucker oder Kopierer haben Selbstdiagnosesysteme“, sagt er, „die anzeigen, wo das Problem liegt, und dem kann ich dann nachgehen.“ Auch wenn sich das Berufsbild so stark gewandelt hat, dass ein Büromaschinenmechaniker sich heute Büroinformationselektriker nennt, sind mechanische Kenntnisse in der Bürotechnik noch gefragt. „Es gibt durchaus noch Kunden, die ihre alten Schreibmaschinen reparieren lassen und nicht auf Computer umgestiegen sind“, sagt Henry Beitzel.

Bis heute lässt ihn die Arbeit nicht los, wobei er als Rentner auch turnt und sich im Schützenverein engagiert. Henry Beitzel sagt: „Ich habe bisher noch keinen Strich unter die Arbeit gezogen. Solange ich gebraucht werde und gesund bin, werde ich weitermachen.“

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