Angekündigt ist die Baustelle schon länger, jetzt steht sie kurz bevor: Ende Mai wird die Eisenbahnbrücke an der Hermann-Fortmann-Straße in Grohn für Autofahrer komplett und für Radler sowie Fußgänger teilweise gesperrt – und voraussichtlich erst in vier Jahren wieder geöffnet. Weil die schadhafte Stahlkonstruktion der Brücke nicht saniert werden kann, muss eine neue her. Und dafür das Kanal- und Leitungsnetz so lange an anderer Stelle verlegt werden. Nicht nur der Brückenbau ist ein Millionenvorhaben.
Arne Schmüser und Philipp Burkhardt sagen es beide: Das Projekt ist komplex. Wie vielschichtig es ist, machen der leitende Ingenieur von Hansewasser und der Projektverantwortliche der DB Netz AG an einer Jahreszahl anschaulich. Sie lautet 2017. So lange sind das städtische Entwässerungsunternehmen und die Bahntochter immer wieder in Gesprächen gewesen, um auszuloten, wie die Brücken- und Leitungsarbeiten vonstatten gehen sollen – und welche Firmen was wann machen. Alles in allem beschäftigt der Neubau fünf Unternehmen. Auch der Stromversorger Wesernetz sowie die Netzbetreiber EWE und Telekom werden auf der Baustelle sein.
Und das ist einer der Gründe, warum das Projekt ein komplexes Projekt ist. Die Baustelle ist nämlich eng. So eng, dass die Unternehmen selten zeitgleich, sondern meistens nacheinander arbeiten müssen, um das Kanal- und Leitungsnetz für die Dauer der Brückenarbeiten zu verlegen. Das Provisorium, das Hansewasser und andere Unternehmen dabei schaffen, macht gar nicht den Eindruck, als wäre es eins: Allein die Bauzeit der Übergangslösung beträgt ein Dreivierteljahr. Die Arbeiten sollen am 25. Mai beginnen und im Februar nächsten Jahres fertig sein. So der Plan. Ingenieur Schmüser sagt, dass er aufgehen muss, damit die Bahn mit dem Neubau der Brücke fristgerecht beginnen kann.
Bis dahin muss Hansewasser mehrere Leitungen aus dem Boden holen, um sie an anderer Stelle wieder einzugraben. Schmüser spricht vom Abwasser der Haushalte und vom Regenwasser des Straßenkanals, das umgeleitet werden muss. Und von einem Pumpwerk, das eigens fürs Provisorium entsteht. Denn das Gefälle der Fahrbahn, so wie bisher, kann nicht genutzt werden, wenn die Bahnbrücke zur Baustelle wird. Es sind auch nicht irgendwelche Leitungen, die fürs Regenwasser verlegt werden. Schmüser nennt sie Hochdruckleitungen, weil sie in der Lage sein müssen, 1600 Liter pro Sekunde in die Schönebecker Aue abzuleiten – so wie es vorgeschrieben ist.
Das Pumpwerk soll vorübergehend auf einer Grünfläche errichtet werden, die in der Nähe der Brücke zwischen der Hermann-Fortmann-Straße und den Bahngleisen liegt. 130 Meter wird der Schacht lang sein, in dem sämtliche Leitungen zeitweise verlegt werden. Schmüser sagt, dass die Haushalte und Firmen entlang der Straße und ihren Nebenstraßen nichts davon merken werden, dass Ab- und Regenwasser ab nächstem Jahr anders fließen – und auch nichts davon, dass sie später, wenn die Bahn mit ihrem Bauprojekt fertig ist, wieder den Weg nehmen wie zuvor. Fast zwei Jahre hat die DB Netz AG für den Brückenneubau veranschlagt.
Dass auch diese Baustelle nicht wie jede andere ist, erklärt Projektleiter Burkhardt damit, dass zwar der Verkehr auf der Straße pausiert, aber nicht der auf den Schienen. Bauarbeiten unter rollenden Zügen, nennt er das. Und für die gelten nicht bloß strenge Sicherheitsauflagen, sondern müssen auch spezielle Vorbereitungen getroffen werden: Bevor am eigentlichen Stahlgerüst gearbeitet werden kann, müssen drei Behelfskonstruktionen geschaffen werden – für jedes Gleis, das über die Brücke führt, ein Provisorium. Burkhardt sagt, dass das sein muss, damit es zu keinen Einschränkungen für den Pendler- und Güterverkehr kommt, während die Brücke ausgetauscht wird.
Auch wenn sie gerade mal zwei Straßenfahrbahnen und einen Fuß- sowie Radweg breit ist, kommt Burkhard auf einen Betrag von 18,3 Millionen Euro, den die neue Brücke kosten wird. Auch bei Hansewasser geht es um Millionen. Ingenieur Schmüser sagt, dass es vier sind, die fürs Provisorium veranschlagt wurden – und dafür, es zurückzubauen, wenn die neue Brücke steht. Er geht davon aus, dass damit im Frühjahr 2024 begonnen werden kann. Läuft alles glatt, sollen die Arbeiten im April 2025 abgeschlossen und alles wieder so sein, wie es vorher war. Auch der Fahrplan der Bremer Straßenbahn AG. Sie hat angekündigt, die Busse in der Baustellenzeit über die Uhthoffstraße umzuleiten.
Der Stahl der Brücke
Die Eisenbahnbrücke über der Hermann-Fortmann-Straße ist 102 Jahre alt. Sie besteht aus einem Stahl, der heute nicht mehr so hergestellt wird, wie er damals produziert wurde: Er enthält mehr Kohlenstoff als heutiger Stahl. So viel, dass er Schaden nimmt, wenn man versucht, ihn zu schweißen. Darum kann die Brückenkonstruktion, die genietet ist, nicht in einem vertretbaren Kostenrahmen saniert, sondern muss durch einen Neubau ersetzt werden. Bei Kontrollen ist festgestellt worden, dass die alte Eisenbahnbrücke nicht mehr so tragfähig ist, wie sie sein sollte.