Tauben, die hinter einem Netz verzweifelt nach einem Ausweg suchen und andere, die in dem engmaschigen Geflecht hängen geblieben und bereits verendet sind. Dieser traurige Anblick hat kürzlich bei Tierschützern und Anwohnern für Aufregung gesorgt. Das Drama spielte sich unter der Brücke ab, die in Burg über die Lesum führt. Den vermeintlich Schuldigen hatten Mitglieder des Vereins Bremer Taubenhaus und des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) in Bremen schnell ausgemacht, weil er für die Installation des Vogelschutznetzes verantwortlich ist: das Amt für Straßen und Verkehr (ASV). Das reagierte schnell, befreite die Tauben und sagte zu, das Netz unter der Brücke kurzfristig zu entfernen.
In der vergangenen Woche hatten Anwohner Julia Seekamp, die sich im Verein Bremer Taubenhaus engagiert, darüber informiert, dass in einem Taubenabwehrnetz unterhalb der Lesumbrücke mindestens zwei verendete Tauben hängen. Gemeinsam mit anderen Tierschützern und Vertretern des Bremer Nabu machte sie sich vor Ort selbst ein Bild. „Viele weitere Tauben befanden sich hinter den Netzen und kamen dort alleine nicht heraus“, schildert sie die Situation. Die Tierschützer erstatteten Anzeige bei der Polizei. Auch das Veterinäramt wurde informiert. Handeln musste jedoch das Amt für Straßen und Verkehr, das für die Brücke und somit auch das Netz verantwortlich ist.
„Dieses Netz war nicht tierschutzkonform angebracht, was schnell ersichtlich war“, sagt Seekamp. Vor dem Hintergrund, dass der Verein im vergangenen Jahr mit dem zuständigen ASV-Vertreter grundsätzlich über die Installation eines Netzes und über alternative Möglichkeiten gesprochen hat, ist sie entsetzt, dass überhaupt ein Netz unter der Brücke angebracht wurde. „Ich hatte sogar einen Vor-Ort-Termin mit dem Mitarbeiter des ASV“, sagt Seekamp.
Aus mehreren Gründen ist der Verein gegen Vogelschutznetze: „Man nimmt den Tauben damit ihr Zuhause und ihren Lebensraum“, sagt Seekamp. „Es handelt sich nicht um Wildtauben, sondern um verwilderte Haustauben und die sind ortstreu. Die fliegen nicht einfach woanders hin.“ Auch der Schutz vor der Witterung und der Sonne werde den Tieren genommen. „Die Tauben versuchen trotz des Netzes unter die Brücke zu kommen und schaffen das auch durch jede kleine Lücke, denn Tauben sind Nischen- und Felsenbrüter“, erläutert Seekamp.
Als Alternative hatte der Verein vorgeschlagen, ein Taubenhaus in der Nähe der Brücke aufzustellen. Nach Angaben von Andrea Voth, Referentin für Kommunikation beim ASV, war dieser Vorschlag auch in Erwägung gezogen worden. Durch das „fehlende Einverständnis von dritter Seite“ konnte das Projekt nicht realisiert werden, so Voth. Deshalb sei das Vogelschutznetz unter der Brücke bereits im vergangenen Jahr angebracht worden, „und hat bislang ohne Beanstandungen funktioniert“. Das Netz sei „in Abständen“ auf möglicherweise eingedrungene Tauben und Schäden geprüft worden.
Voth erläutert auch den Hintergrund, warum das ASV überhaupt nach Lösungen sucht, die Tauben unter der Brücke zu vertreiben. „Aufgrund der Verschmutzung durch den Taubenkot sind einerseits die Arbeiten wie zum Beispiel die regelmäßige Prüfung des Bauwerks erschwert, da jedes Mal mit hohem Aufwand der Unterfahrwagen gereinigt werden muss. Andererseits gefährdet der Kot die Gesundheit der betreffenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – Stichwort Arbeitsschutz.“
Während die Tierschützer und der Nabu Bremen, der sich dazu auch in einer Pressemitteilung äußert, davon überzeugt sind, das Netz sei fehlerhaft gespannt und nicht tierschutzkonform angebracht gewesen, betont Voth, das Netz habe bisher funktioniert. Ihre Erklärung für die Lücken: „Brücken werden durch den Verkehr in Schwingung versetzt. Das hat sich in diesem Fall anscheinend derart auf das Netz übertragen, dass sich durch Bewegungen und Windturbulenzen Schlupflöcher für die Tauben ergeben haben – so erklären wir uns jedenfalls das Eindringen der Tiere in dem hinter dem Netz liegenden Bereich im Nachhinein.“
Das ASV reagierte schnellstmöglich auf die Situation, betont Voth. Die Tiere wurden befreit, die verendeten Tiere eingesammelt und die Polizei sowie das Veterinäramt darüber informiert, so die ASV-Sprecherin. Die kleineren Löcher, durch die die Tauben offenbar hinter das Netz gekommen waren, seien wieder verschlossen worden.
Leider hätten Unbekannte in der Zwischenzeit zusätzlich zwei große, jeweils zwei mal einen Meter große Löcher in das Netz geschnitten. Außerdem sei das Schloss am Unterfahrwagen geknackt worden. „Auf diese Löcher waren wir nicht vorbereitet und haben uns zum Wohle der Tiere darauf geeinigt, das Netz abzunehmen.“ Weil das erst in dieser Woche möglich war, vergrößerten Mitarbeiter des ASV die vorhandenen Löcher am Freitag noch einmal. Am Wochenende sei dann zusätzlich nach den Tauben gesehen worden.
Das ASV nimmt den Vorfall laut Voth zum Anlass, in Absprache mit dem Veterinäramt, mit dem das Amt ohnehin seit Längerem in regelmäßigem Austausch sei, die anderen Taubenschutznetze und -konstrukte, die im Auftrag des ASV angebracht wurden, noch häufiger zu überprüfen als bislang.
Häuser für Tauben gefordert
Tierschützer vom Verein Bremer Taubenhaus und der Nabu Bremen fordern die Einrichtung von betreuten Taubenschlägen, da es auf Dauer keine Lösung sei, die Vögel mit Vergrämungsmaßnahmen von einem zum anderen Ort zu treiben. Konkret in Planung ist ein Taubenhaus am Bahnhof Vegesack. Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) hat im März dieses Jahres in einem Interview mit der NORDDEUTSCHEN in Aussicht gestellt, das Pilotprojekt in Vegesack könnte noch im ersten Halbjahr dieses Jahres starten. Es fehle lediglich das Okay der Deutschen Bahn. Sollte sich der Pilotversuch in Vegesack als erfolgreich erweisen, sollen weitere Taubenhäuser in Bremen eingerichtet werden.