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Pferdezucht und -haltung "Es geht nur noch nachhaltig"

Der Hammersbecker Hippologe Dietbert Arnold ist der einzige Bremer Sachverständige für Pferdezucht und -haltung.
18.08.2022, 17:00 Uhr
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Von Karsten Hollmann/kh

Was macht eigentlich ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Pferdezucht und -haltung? Diese Frage bekommt der Hippologe Dietbert Arnold häufiger gestellt. Schließlich ist der Hammersbecker der einzige Bremer Sachverständige dieser Art. Die meisten Aufträge erhält der 69-Jährige von Gerichten. Er wird damit beauftragt, Gutachten zu erstellen, wenn zum Beispiel ein Pferd oder ein Reiter verunglücken, oder wenn jemand den Kauf eines Pferdes rückabwickeln möchte.

„Dafür braucht man eine überdurchschnittliche Sachkunde, die dem neusten Stand der Wissenschaft entspricht und muss zudem neutral sein“, sagt der in Bremerhaven geborene und in St. Magnus aufgewachsene Arnold. Den Sachverstand weist er auf, weil er Biologie und Agrarwissenschaften studiert hat, viele Jahre Berufsschullehrer für Pferdewirte war, selbst Pferde züchtet und reitet, weil er diesbezügliche Fachbücher verfasst und weil er als Dozent von Fachvorträgen im Bereich Pferdefütterung, Stallklima, Stallbau, Gründlandmanagement und Nachhaltigkeit im Einsatz ist. Sein Vorgänger war im Übrigen der bekannte Hippologe Rudolf Lessing. Der Tierarzt erhielt am Ende des Zweiten Weltkrieges die Lipizzanerzucht der Spanischen Reitschule. „Doktor Lessing hat mich als väterlicher Freund an die Hand genommen und mich darum gebeten, sein Nachfolger zu werden“, berichtet Dietbert Arnold – und, dass die Arbeit für die verschiedenen Gerichte nicht immer leicht sei.

Wichtig: Ein hieb- und stichfestes Gutachten

„Während die eine Partei immer hochzufrieden ist, bin ich für die Gegenseite der schlechteste Gutachter überhaupt“, gibt der Pferde-Experte zu bedenken. Dies dürfe man als Gutachter aber niemals persönlich nehmen. Es sei aber eben wichtig, ein gut recherchiertes, hieb- und stichfestes Gutachten zu erstellen, dass den Anwälten keine Angriffspunkte biete. „Sonst würden sie mich vor Gericht zerreißen“, so Arnold. Er versuche die Gutachten stets in einer allgemein verständlichen Sprache, aber dennoch nicht zu lau zu verfassen. „Es ist auch das gute Recht der Anwälte, nach einem Haken in meinen Gutachten zu suchen“, betont Dietbert Arnold. Er müsse auch darüber hinwegsehen, dass die Rechtsanwälte häufig eine recht deutliche Sprache bei Gericht finden würden. „Das muss ich alles ausblenden und souverän bleiben, damit die Neutralität gewahrt bleibt“, spricht Arnold aus Erfahrung.

Auch in Süddeutschland im Einsatz

Da in der Reiterszene einer Region jeder jeden kennt, wird Dietbert Arnold auch schon mal im Süden der Republik beauftragt, damit beide Streitparteien nicht das Gefühl haben, der Gutachter sei befangen. Arnold ist auch viel in Niedersachsen tätig, da es in Bremen alleine nicht genügend Gerichtsfälle gebe. Dietbert Arnold ist selbst nie professionell, sondern nur freizeitmäßig geritten. „Ein guter Fußball-Trainer muss aber auch nicht zwangsläufig Torschützenkönig in der Bundesliga gewesen sein. Ich kann bewerten, ob jemand gut reitet, ohne es selbst können zu müssen“, urteilt der zweifache Familienvater. Strittig sei häufig, wer Schuld habe, wenn ein Reiter vom Pferd gefallen ist, ob ein Pferd fachgerecht umzäunt war, wenn es zu einem Unfall komme und was ein Pferd dem anderen angetan habe.

Berater für Pferdesportmagazine

Ein zweiter beruflicher Schwerpunkt ist die Tätigkeit für Versicherungen. „Ich erstelle Schiedsgutachten, wenn sich Versicherungsgeber und Versicherungsnehmer nicht darüber einigen können, was die Versicherung im Schadenfall zu zahlen hat“, lässt Arnold wissen. Er könne anhand vieler Kriterien den objektiven Wert eines Pferdes ermitteln. „Bei den Pferdebesitzern ist es wie mit Eltern: Die eigenen Kinder sind immer die besten“, sagt Dietbert Arnold. Diesen Zahn müsse er den Pferdebesitzern aber oft ziehen. „Ich muss ihnen dann klar machen, dass sie nur ein ganz normales Pferd und keinen Champion im Stall haben“, erklärt der Berater für verschiedene Pferdesportmagazine.

Das Thema eines seiner neusten Bücher ist hochaktuell. Es geht um die Fütterung der Pferde im Zuge des Klimawandels. „Dabei ist es erst einmal wichtig zu begreifen, dass der Klimawandel nicht irgendwann kommt, sondern jetzt schon da ist“, versichert der pensionierte Berufsschullehrer. Die Pferdebesitzer müssten sich darauf einstellen, dass sie in Zukunft weniger Nahrung für ihre Vierbeiner zur Verfügung hätten und diese auch noch wesentlich teurer werde. „Wenn zu viele Pferde sich auf einer Weide auf einer kleinen Fläche befinden, führt dies zu einer Verdichtung des Bodens. Dann läuft das Wasser zur Seite ab, wenn es dann mal regnet. Dadurch entsteht ein Teufelskreis“, so Arnold.

Schlösser an Pferdezäunen

Deshalb müssten sich „normale“ Familien mit zwei Kindern in Zukunft immer mehr überlegen, ob das finanzielle Budget noch für einige Pferde reicht. „Es darf nicht zu einer Mangelernährung und Verwahrlosung der Pferde kommen“, warnt Dietbert Arnold. In England sei es bereits dazu gekommen, dass Pferdebesitzer ihre Tiere einfach auf eine fremde Weide verbracht hätten. „Das ist mit einer illegalen Altautoentsorgung zu vergleichen, nur dass hier auch noch die Kosten für die Fütterung dazu kommen“, sagt der Experte. Deshalb werde den Pferdebesitzern in Groß Britannien schon dazu geraten, Schlösser an die Zäune anzubauen.

Auch in Deutschland würden Besitzer von vielen Pferden künftig an Grenzen gelangen. „Die Preise für Düngemittel sind bereits jetzt stark gestiegen. Wir stehen in dieser Hinsicht vor riesigen Herausforderungen, die wir nur meistern können, indem wir nachhaltiger werden“, betont der Nordbremer. Einen typischen Arbeitstag gebe es bei ihm nicht. „Wenn ich kein aktuelles Gutachten auf dem Tisch habe, dann ist es Zeit für die Auswertung der zahlreichen Fachzeitschriften, aktuell erschienener Fachbücher, Regelwerke, technischer Vorschriften sowie Gesetze und Verordnungen“, informiert Arnold.

Zur Sache

Der objektive Wert zählt

Häufig geht es bei der Tätigkeit von Hippologe Dietbert Arnold darum, den objektiven Wert eines Pferdes zu ermitteln. „Dabei werden klare Kriterien gesammelt“, sagt der Sachverständige für Pferdezucht und -haltung. In diesem Zusammenhang würden zum Beispiel die sportlichen Erfolge herangezogen, die ein Pferd bei einem Verband im Hinblick auf Reit- und Springturniere aufweist.

„Dann muss ein Pferd zum Beispiel auch gekört sein“, so Arnold. Bei einer Körung werden die verschiedenen Rassemerkmale der Pferde von Richtern beurteilt. „Die entsprechenden Daten werden von den Richtern dann alle dokumentiert“, berichtet Dietbert Arnold.

Die so gesammelten Daten könnten dann auch mit einer großen Zuverlässigkeit im Hinblick auf den zu erwartenden Nachwuchs eines Hengstes angewandt werden. „Man kann mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 80 Prozent voraussagen, wie der Nachwuchs eines Pferdes wird, sofern das entsprechende Pferd nicht krank wird“, versichert Arnold.

Rein theoretisch könne man auch die Gene des Pferdes auswerten, wie es bei Rindern bereits geschehe. „Das wäre finanziell aber zu aufwendig“, teilt der 69-Jährige mit. Die Gutachtenerstellung dauere durchschnittlich mindestens drei, meist aber sechs bis acht Wochen.

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