Die Achterbahnfahrt der HSG Schwanewede/Neuenkirchen war irre. Innerhalb von sechs Minuten hatten die Verbandsliga-Handballer ihren Sieben-Tore-Vorsprung gegen den TSV Daverden fast komplett verspielt. Schon standen dem dieses Mal in größerer Zahl als üblich mitgereistem HSG-Anhang die Haare beim hauchzarten 23:22-Vorsprung zu Berge. Dem Adrenalinausstoß folgte die Ausschüttung der Glückshormone, denn nach einer weiteren Berg- und Talfahrt durfte ein 32:28 (17:12)-Erfolg des Favoriten aus dem Landkreis Osterholz beklatscht werden.
„Meine Mannschaft hat mir nach dem Abpfiff zurückgespiegelt, dass sie das Spiel zu jeder Zeit im Griff hatte“, sagte HSG-Trainer Tizian von Lien. Ja, wenn das so ist! Die Nerven bewahrt man in solch heiklen Phasen aber auch nur, wenn man im Flow ist, wenn man nach 12:2 Punkten in Folge nur so vor Selbstbewusstsein strotzt. Ergo gesellten sich beim Tabellenvierten die nächsten beiden Zähler auf der Habenseite hinzu.
Das Gegenteil solch eines Flows ist den „Schwänen“ noch aus der vergangenen Saison durchaus geläufig, als sie in der Rückrunde in eine Abwärtsspirale geraten waren und aus der Oberliga Nordsee abstiegen. Die Schnellspur dorthin zurück werden sie vermutlich nicht mehr nehmen können: ihr Rückstand auf die Honigtopf-Plätze beträgt zehn Spieltage vor dem Saisonende fünf Minuspunkte, die Konkurrenz bleibt konstant widerstandsfähig. Trotzdem haben die „Schwäne“ ihr Empfehlungsschreiben für das bevorstehende Topduell beim OHV Aurich II eingetütet und abgeschickt. „Wir wollen beim Tabellenführer gewinnen“, gibt Tizian von Lien vor.
Wer vor dem Auftritt der HSG Schwanewede/Neuenkirchen im Schulzentrum Langwedel lediglich einen flüchtigen Blick auf das Tableau geworfen hatte, der drohte in die Irre geleitet zu werden. Zwischen den beiden Konkurrenten lagen zwar neun Plätze, in heimischer Umgebung spielen die Grün-Weißen aber anders und vor allem ohne „Backe“ auf. „Der TSV Daverden kämpft über 60 Minuten lang und gibt nicht auf“, beschrieb Tizian von Lien den Gegner. Die Topteams aus Schiffdorf (35:35) und Wilhelmshaven (34:33-Erfolg) können das bezeugen – und der Trainerwechsel vor drei Wochen auf der TSV-Bank macht dem Tabellenvorletzten zusätzlich Beine.
Dennoch hatte die HSG Schwanewede/Neuenkirchen den TSV Daverden schon vor dem Anpfiff in guter Erinnerung behalten, da ihr 31:26-Hinspielerfolg die saisonübergreifende Pleitenserie von 0:24 Punkten am Stück endlich beendet hatte. Im zweiten Aufeinandertreffen dauerte es zwar einige Zeit, bis sich die „Schwäne“ in der Abwehr auf den TSV einstellten, dafür spielten sie „im Angriff einen guten Ball“, wie Tizian von Lien fand. Viel wurde über oder mit dem Kreisläufer Lars Winkel erarbeitet, der beim 9:6-Vorsprung schon vier Treffer auf seinem Konto hatte (16.).
Als Marco Wilhelms nicht einmal vier Minuten nach dem Seitenwechsel zum 20:13 zugunsten der HSG Schwanewede/Neuenkirchen traf, schien alles nur noch eine Frage der Höhe des Sieges zu sein. Falsch getippt. „Wir haben uns im Angriff zu viele technische Fehler und Fehlwürfe erlaubt, außerdem bekamen wir in der Abwehr keinen Zugriff mehr“, erklärte Tizian von Lien den radikalen Einbruch seines Teams.
Das Match wurde hitziger und der Schwaneweder Vorsprung knapp und knapper (23:22/44.). Die Hausherren ließen sich auch nicht abschütteln, als Marco Wilhelms (zwei Tore) und Marcel Behlmer nach dem 26:24 auf 29:24 für ihre Farben erhöhten. Daverden klebte weiter wie eine Klette an ihnen (27:29/56.).
Dominik Koppenstein zog den Hausherren schließlich mit einem parierten Tempogegenstoß den Zahn, danach sorgten Marco Wilhelms und Marcel Behlmer mit ihren Treffern zum 31:27 tatsächlich für die Vorentscheidung (58.). „Am Ende hat sich die Qualität durchgesetzt“, meinte Tizian von Lien nach dem Spiel.