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Inklusion in Bremen-Nord „Wir müssen lauter werden“

Um die Inklusion in Bremen-Nord ging es bei einem Themen- und Aktionstag in Vegesack. Über welche Themen diskutiert wurde und was Betroffene fordern.
09.07.2023, 20:00 Uhr
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Von Christian Pfeiff/cp

„Im Bremer Norden wohnen fast zehntausend Menschen mit Behinderung. Das sind etwa zehn Prozent der Gesamteinwohner und somit ein prozentualer Anteil über dem Bundesdurchschnitt“, weiß Frank Schurgast. „Während wir jedoch im Stadtgebiet sehr viel über Inklusion sprechen, ist dies im Bremer Norden bislang noch nicht der Fall“.

Um diesem Umstand entgegenzuwirken und diesem Bevölkerungsanteil ein öffentlichkeitswirksames Forum zu schaffen, initiierte Schurgast mit Unterstützung unter anderem seiner SPD-Parteifreundin Ute Reimers-Bruns das Projekt „Inklusion Nord“. Erste große Veranstaltung war jetzt ein Themen- und Aktionstag in Vegesack.

So stand das Bürgerhaus am Sonnabend ganz im Zeichen der Inklusion und der Belange und Anliegen hiesiger Bürger mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen. Acht Stunden wurden im Rahmen von Podiumsdiskussionen und Workshops verschiedene Themen, Anliegen und Projekte diskutiert, analysiert und präsentiert.

Noch viel zu tun

„Inklusion ist erst dann gelungen, wenn wir dieses Wort überhaupt nicht mehr verwenden müssen und Veranstaltungen wie diese überflüssig sind“, meint Ute Reimers-Bruns. Bis dahin sei noch viel zu tun – zumal es sich bei den Betroffenen keineswegs um eine homogene, sondern überaus heterogene und vielfältige Gruppe mit ebenso vielfältigen Bedürfnissen und Anliegen handelt.

Dies zeigt sich bereits im Foyer vor dem Saal, in dem sich an Infoständen neben der SPD auch die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe, der inklusive „Nordic Campus“ vom Sozialverband Deutschland, der Deutsche Rollstuhl-Sportverband, die Sehberatungsstelle „Blickpunkt Auge“, Selbsthilfegruppen für Hörgeschädigte, die Filmproduktionsfirma "Compagnons Cooperative inklusiver Film" und weitere präsentieren.

Sie alle eint das Anliegen, mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen gesellschaftlich wahrgenommen zu werden und ohne Einschränkungen am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Die Veranstalter versuchen nach Kräften, mit gutem Beispiel voranzugehen und möglichst allen Rechnung zu tragen: Neben Barrierefreiheit werden sämtliche Podiumsdiskussionen von zwei Dolmetschern simultan in Gebärdensprache übersetzt.

Vernetzung ist ein Ziel

Das Themenspektrum kann dabei trotz stattlicher Veranstaltungsdauer naturgemäß nur einen kleinen Teil der Gesamtproblematik abdecken. Auf der Bühne diskutieren Schurgast und Reimers-Bruns unter anderem mit Regisseur und Gründer der „Compagnons Cooperative“ Jürgen Köster, EU-Parlamentarier Joachim Schuster, SPD-Bundesvorstandsmitglied Julia Maiano und weiteren Teilnehmenden mit und ohne Beeinträchtigung über Themen wie Inklusion durch Sport, Sexualität und Behinderung sowie Probleme durch Gehwege zuparkende E-Scooter. In Workshops geht es unter anderem um barrierefreies Wohnen, den DB-Medibus und verständliche Sprache für Menschen mit kognitiven Einschränkungen.

„Wir fordern nur das, was ohnehin der Normalzustand sein sollte“, befindet Schurgast im Gespräch. Der Thementag im Bürgerhaus soll dabei unter anderem dazu dienen, die hiesige Betroffenen-Gemeinschaft untereinander zu vernetzen, ihre Bedürfnisse zu ermitteln und öffentlich zu artikulieren.

Vereinsgründung geplant

„Es geht nicht zuletzt auch um die Frage, welche Art Inklusionsmaßnahmen wir im Bremer Norden überhaupt brauchen: Sind es dieselben wie in der Stadt – oder vielleicht doch ganz andere?“, konstatiert Schurgast, der den Tag als Auftaktveranstaltung weiterer Aktionen und Veranstaltungen begreift.  „Wir werden in Kürze einen Verein gründen, der diese Themen im Bremer Norden vorantreibt; weitere Aktionen werden folgen."

Entsprechend freut es die Initiatoren, dass neben Parteiprominenz aus den eigenen Reihen auch Repräsentanten der CDU und Grünen, vor allem aber zahlreiche Gäste aus der Community selbst den Weg ins Bürgerhaus auf sich nahmen – auch wenn die Gesamtteilnehmerzahl etwas hinter den Erwartungen zurückblieb. „Wir wollen schließlich nicht über, sondern mit den Menschen sprechen und sie mit ihren Anliegen ernst nehmen, so wie ich auch selbst als Mensch mit Behinderung ernst genommen werden möchte“, sagt Frank Schurgast. Und ergänzt: „Inklusion ist ein gesellschaftlicher Prozess; die Politik ist dabei die kleinste Kraft und kann dabei unterstützen – mehr aber auch nicht. Deshalb müssen wir als Community lauter werden“, so Schurgast.

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