Vor kurzem veröffentlichte der Weltbiodiversitätsrat eine Studie, nach der rund 3.500 invasive Tier- und Pflanzenarten weltweit Schäden in Höhe von jährlich knapp 400 Milliarden Euro verursachen. Diese eingeschleppten oder absichtlich angesiedelten Arten aus anderen Regionen können einheimische Arten verdrängen oder ganze Ökosysteme zerstören und gehören zu den Hauptursachen für den weltweiten Artenrückgang. Und da immer mehr Menschen reisen und immer größere Warenströme ausgetauscht werden, dürfte das Problem in Zukunft noch zunehmen.
Wie steht es in unserer Region um invasive Tierarten? Es gibt die sogenannten „Neozoen“ längst quer durch das gesamte Tierreich, ob Insekten, Spinnen, Krebse, Fische, Vögel oder Säugetiere. Doch während die ökologischen Auswirkungen von Insekten wie Asiatischem Marienkäfer, Asiatischer Hornisse, Feuerlibelle oder Südlicher Eichenschrecke eher subtil sind, richten insbesondere größere Säuger sichtbare, teils massive Schäden an. Unter ihnen breiten sich in den Wäldern und Forsten im Landkreis Osterholz der Marderhund und der Waschbär mehr und mehr aus. „Beide Arten sind nachtaktiv und werden deshalb von Jägern meist nur in Fallen gefangen“, sagt Heiko Ehing, Kreisjägermeister der Jägerschaft Osterholz. Fänge des Marderhunds, der aus dem östlichen Asien stammt und in den 1960er Jahren in Westdeutschland nachgewiesen wurde, stiegen im Landkreis Osterholz von elf Tieren im Jahre 2015 auf 65 im Jahre 2022 an. Eine besonders drastische Zunahme zeigt derzeit der Waschbär: Waren es im Jahre 2015 nur drei Exemplare, so im Jahre 2022 bereits 33 im Landkreis. „Der aus Nordamerika stammende Waschbär ist besonders in Feuchtgebieten ein Problem, da er die Gelege auch gefährdeter Vogelarten ausnimmt oder auch Amphibien frisst“, sagt Ehing. Auch beim Marderhund stehen Eier und Jungvögel auf dem Speisezettel.
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Besonders dramatisch können die Schäden bei einer an Wasser gebundenen invasiven Art sein: Die aus Südamerika stammende Nutria stellt besonders für den Hochwasserschutz eine Bedrohung dar: Das große Nagetier gräbt Gänge und Löcher in Uferböschungen und Deichen und kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass ein Deich bricht. „In Bremen-Nord halten sich die Schäden durch Nutrias allerdings in Grenzen“, sagt Rolf Dülge, technischer Leiter beim Bremischen Deichverband am rechten Weserufer, „Nutrias richtet in Bremen vor allem im Blockland und an der Wümme massive Schäden an.“ Auch Heiko Ehing weiß vom Zerstörungswerk der Nutrias vor allem in der Hammeniederung zu berichten.
Bereits zu Anfang des 20. Jahrhunderts tauchte an der Aller die Chinesische Wollhandkrabbe auf, die inzwischen in allen größeren Flüssen und Kanälen in Deutschland lebt. Wie die Nutria gräbt dieser Krebs Gänge an Ufern und Böschungen. „Wollhandkrabben kommen besonders an der Wümme häufig vor und können ähnliche Probleme bereiten wie Nutrias“, sagt Rolf Dülge. Auch Anglern ist die Krabbe ein Dorn im Auge, weil sie Köder vom Haken knabbern oder Angelschnüre und Reusen durchbeißen kann.
Die Liste invasiver Tierarten, die unsere Region bevölkern, umfasst auch Vogelarten wie die Nilgans oder die Kanadagans, die an Gewässern oder im Grünland längst einen vertrauten Anblick bieten – ob und wieweit sie heimische Vogelarten zurückdrängen, ist unter Fachleuten umstritten.
Manche Arten dürfen gejagt werden
Schließlich bleibt auch die aquatische Tierwelt von invasiven Arten nicht verschont: Die Schwarzmund-Grundel, eine Fischart aus dem Schwarzen, Kaspischen und Asowschen Meer stammend, wurde vom Ausbau der Flüsse offenbar begünstigt: Die höheren Salzgehalte der Weser und auch Blocksteinschüttungen an den Ufern haben die Ausbreitung diese Fischart, die heimische Bodenfische dezimieren kann, vorangetrieben. Nach Professor Thomas Klefoth von der Hochschule Bremen ist die Art, die im Jahre 2012 erstmals auch in Bremen nachgewiesen wurde, längst auch in Gewässern in Bremen-Nord zu finden. Thomas Klefoth hat jüngst auch den Wolga-Zander in der Unterweser nachgewiesen und weist auf mehrere invasive Arten unter den Krebstieren hin, wie den Roten Amerikanischen Sumpfkrebs – er und weitere Neozoen unter den Krebsen übertragen die Krebspest, die den heimischen Edelkrebs an den Rande des Aussterbens gebracht hat.
Was kann man gegen invasive Tierarten tun? Seit 2015 gibt es eine rechtsverbindliche EU-Verordnung zum Umgang mit invasiven Arten. Die Mitgliedsstaaten haben sich verpflichtet, bestimmte Arten nicht mehr zu handeln, zu transportieren und sie vor allem nicht freizusetzen, ihre Ausbreitung zu überwachen und wo möglich zu verhindern. Und in Bremen ist seit dem Jahre 2019 die Jagd auf Nutria, Marderhund, Waschbär und Nilgans erlaubt, um die heimische Tierwelt zu schützen.