Vegesack. Es ist ein kleiner Raum an der Jacobs University, aus dem Nachrichten in die Welt heraus gesendet werden. Eine riesige Studioleuchte strahlt Gini Adeh an, die vor einer grünen Leinwand steht und noch ihr Mikrofon zurechtzupft. Ein bisschen Creme auf die Lippen, dann ist auch das Make-up fertig – professionelle Maskenbildner gibt es hier nicht. Dafür wirkt alles andere an diesem Set ziemlich professionell: An der Wand stehen etliche Computer, mehrere Lampen sorgen für die richtige Belichtung, in einem Fernsehbildschirm können sich die Sprecher und Sprecherinnen so sehen, wie sie auch später im Video erscheinen werden. Auf einer Tafel ist eine lange Liste von englischen Begriffen niedergeschrieben, „Soundcheck“ oder „Greenscreen“ stehen da zum Beispiel.
Gini Adeh wird abwechselnd mit einer anderen Kommilitonin die Corona-Regeln auf Englisch vortragen. Damit ist sie in einem von sechs Moderatoren-Teams aus Studierenden, die sich jeweils einer Sprache widmen: Englisch, Russisch, Rumänisch, Französisch, Türkisch oder Arabisch. In dieser Folge der sogenannten Corona-Reports geht es um Schutzmasken, wie man sie trägt und welche es gibt. Außerdem geben die Moderatorinnen einen Überblick über die aktuellen Corona-Zahlen.
Es wird hektisch, die Aufnahme beginnt. Die Projektleiterin läuft noch einmal etwas aufgeregt zum Computer, um den Livestream zu überprüfen, der intern übertragen wird. Dann geht der Dreh los, Adeh fängt mit ihrer Moderation an. Ein paar Mal verspricht sie sich, dann beginnt sie den Satz noch mal von vorn – später, im Schnitt, kann das Technik-Team so etwas anpassen. Jeden Donnerstag gegen 19 Uhr starten die Studierenden mit dem Dreh und hören meist um 22 Uhr auf; dann steht noch das Schneiden an. Freitagmittags sind die Videos dann auf Youtube für jedermann zu sehen, als „Korona Raporu Bremen“ oder „Rapport de Corona Brême“ zum Beispiel. Genau das ist das Ziel der Corona-Reports. Sie sollen vor allem diejenigen erreichen, die die Regeln nicht verstehen, weil sie nicht so gut Deutsch können oder keinen Zugang zu Informationen haben.
Geflüchtete oder Menschen mit Migrationshintergrund. In drei Wochen hat ein Team aus etwa 45 Studierenden in Zusammenarbeit mit der Landesvereinigung für Gesundheit Niedersachsen (LVG) und Quartiersmanagern das Projekt aufgezogen. Damit möchten die Studierenden vor allem auf ein Problem reagieren: „Die Stadtbezirke mit einem hohen Migrationsanteil haben auch eine hohe Anzahl an Corona-Fällen zu verzeichnen“, sagt Paula Kunz, die im Team für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Sprachbarriere solle kein Hindernis sein, um an wichtige Informationen wie neue Corona-Regeln zu kommen, sagt sie. Selbst die Informationen, die das Robert-Koch-Institut auf Englisch bereitstelle, seien nicht so detailliert wie die deutschen Angaben.
Die Studierenden arbeiten in ihrem Projekt eng mit der LVG zusammen: Wöchentlich bekommen sie ein Skript von der Vereinigung, das sie dann in sehr einfaches Englisch übersetzen, mithilfe von Muttersprachlern. Der Faktencheck stehe dabei stark im Vordergrund, betont Kunz. Der Report werde dann von Übersetzer-Teams aus Studierenden in die anderen fünf Sprachen übertragen und dann noch einmal von Gesundheitsfachleuten gegengelesen. „Wir möchten nutzen, dass wir so viele verschiedene Sprachen an der Universität sprechen und in Kontakt mit den Menschen im Stadtteil treten.“ Noch stünde die Verbreitung über verschiedene Kanäle in der Anfangsphase, aber die Studierenden haben nach eigenen Angaben viele Kontakte zu den jeweiligen Zielgruppen, zum Beispiel zu Flüchtlingsheimen.
Die Reports, wie sie am nächsten Tag auf Youtube erscheinen, sehen dort noch einmal deutlich anschaulicher aus als beim Dreh: Die Zahlen sind in Grafiken verdeutlicht und zwischendurch werden 3D-Elemente eingeblendet. Auch dafür gibt es ein separates Team, das sich um die Ästhetik kümmert.
Zur Sache
Die Corona-Reports sind Teil des sogenannten Community Impact Projects (CIP) an der Jacobs University. Die Studierenden entwickeln Studiengang-übergreifend Projekte, die dem Stadtteil zugutekommen. Ein weiteres Projekt ist zum Beispiel ein Calisthenics-Park auf dem Campus, bei dem ein Parcours mit Gymnastikgeräten für Eigengewichtsübungen entstehen soll. Dort soll dann ein Hood-Training organisiert werden, bei dem zum Beispiel Jugendliche aus der Grohner Düne mit den Studierenden zusammen trainieren können.