Weg vom Campus, rein ins pralle Leben der Stadt – das ist ganz verkürzt das Anliegen eines Projektes der Jacobs University. Zurzeit läuft die Pilotphase des „Community Impact Projects“ (CIP). Studierende entwickeln dabei in fächerübergreifenden Gruppen Projekte, die der Gesellschaft und dem Stadtteil zugutekommen. „Wissenschaft ist nur im sozialen Kontext sinnvoll. Das ist Teil unserer Motivation“, sagt der Soziologe Jakob Fruchtmann, der das Vorhaben akademisch begleitet.
Die jungen Leute haben bereits Kontakte beispielsweise zu den Menschen in der Grohner Düne aufgebaut (siehe unten) oder eine Potenzialanalyse des Car-Sharing-Angebots in Bremen mit dem Verkehrsamt erarbeitet. „Wir machen uns auch in Schulen nützlich“, ergänzt Fruchtmann. Dort könne auf Englisch unterrichtet oder auf Arabisch Nachhilfe gegeben werden. Weitere Projekte sind in Arbeit oder werden folgen.
„Die Sprachen der Welt sind auf unserem Campus vertreten. Insofern können wir für die Bevölkerung Kontaktpartner bieten“, sagt Fruchtmann. Das geschehe innerhalb der Sprachgruppen weitaus unkomplizierter, als es der unterschiedliche Bildungsgrad vielleicht vermuten ließe. Auch für die Studierenden, die sich in den allermeisten Fällen fernab der Heimat befinden, bietet das Chancen. „Es wäre doch schön, wenn sich auf diesem Wege Freundschaften entwickelten“, sagt Fruchtmann. Denn eines dürfe nicht aus den Augen verloren werden. Die meisten Studierenden der Jacobs University seien „People of Color“ und mitunter selbst Anfeindungen ausgesetzt. Da könne Kontakt in die eigene Sprachfamilie Halt geben.
Einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen
Für die internationale Studierendenschaft ist das Modul ab kommenden Semester verpflichtend. Seit Start der Pilotphase beteiligen sich rund 100 Nachwuchsakademiker daran, demnächst werden es über 300 sein. Der Umfang für jeden einzelnen Studierenden wird 125 Stunden betragen. Zu den Lernzielen zählt, eigene Projekte zu entwickeln und regionale Partner dafür zu finden. „Die Studierenden sollen sich damit beschäftigen, welche Projekte einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen und welchen Beitrag sie leisten können“, sagt Alena Klein, die Koordinatorin des „Community Impact Projects“. Ganz automatisch erlangen sie so Qualifikationen für ihr weiteres Berufsleben und lernen soziale Verantwortung zu übernehmen. „Ich bin froh, schon im zweiten Semester Teil des Projektes sein zu können“, zeigt sich Paula Leonie Kunz, die als studentische Hilfskraft Teil des CIP ist, überzeugt von der Idee.
In Vegesack wird das Bemühen der Jacobs University, den eigenen Dunstkreis zu verlassen und sich dem Stadtteil und der Stadt zu öffnen erfreut zur Kenntnis genommen. "In vielen Köpfen steckt der Gedanke, das die Uni ein Eigenleben führt", sagt etwa Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt. "Dabei ist die Jacobs University in meinen Augen wild entschlossen, sich zu öffnen. Beispielsweise wolle sie sich im kommenden Jahr am Hafengeburtstag beteiligen. Andererseits sei es auch so, dass Veranstaltungen auf dem Campus von den Vegesackern durchaus gern besucht würden. "Nicht zuletzt ist die Uni für uns wichtig, weil sie mit rund 450 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber ist", betont Dornstedt.
Vom „Community Impact Project“ ist auch Jörn Gieschen, Geschäftsführer des Vegesack Marketing, ganz angetan. „Schon allein der Titel macht die Zielsetzung deutlich. Und die ist genau richtig“, sagt Gieschen. Die Impulse, die von den einzelnen Projekten ausgingen, seien gut für den Stadtteil. Zudem böte sich die Chance, dass Studierendenschaft und Restbevölkerung sich näher kämen und sich idealerweise sogar studentisches Leben in Vegesack entwickeln könnte.
Die Ideen für die studentischen Projekte entstehen nicht auf dem Campus, wie Fruchtmann betont: „Den Bedarf definiert und äußert die Region.“ Soll heißen: Ideen und Anforderungen sind willkommen und sollen an das „Community Impact Project“-Team herangetragen werden. Dann steigen die Studierenden ein und schauen, was sie anbieten und in welcher Gruppenzusammensetzung sie mit den Partnern welches Projekt entwickeln können. Für Jakob Fruchtmann ist das eine Zusammenarbeit, bei der beide Seiten profitieren. Denn: „Abstrakte Konzepte sind das eine, die reale Welt aber oft eine ganz andere Sache“, so Fruchtmann.
- Hood-Trainig auf dem Campus: In Kürze wird auf dem Campus ein Calisthenics-Parks errichtet. Dabei handelt es sich um einen Parcours mit Gymnastikgeräten an denen Eigengewichtsübungen ausgeführt werden können. Zudem soll dort ein sogenanntes Hood-Training angeboten werden. „Wir möchten, dass Jugendliche, beispielsweise aus der Grohner Düne mit unseren Studierenden zusammen trainieren und so ihre Persönlichkeit stärken“, erläutert Fruchtmann. Hood-Training verbindet körperliches Training, aktive Jugendkultur und Teamwork.
- Corona-Report Bremen auf Youtube: Sprachbarrieren können gerade in Problemvierteln das Infektionsrisiko erhöhen. Da setzt der Corona-Report Bremen an, der am Freitag vergangener Woche an den Start gegangen ist. Unterstützt vom Gesundheitsamt werden Informationen zur Pandemie, Gesundheitstipps und örtliche Statistiken aufgearbeitet. Das geschieht in sechs Sprachen: Russisch, Türkisch, Arabisch, Englisch, Französisch und Rumänisch. Veröffentlicht werden die etwa fünfminütigen Clips wöchentlich immer freitags auf der Videoplattform Youtube.
- Ideenwettbewerb für Vegesack: Die Pandemie hat speziell kleine und mittlere Unternehmen, aber auch kulturelle Initiativen vor große Herausforderungen gestellt. Mit einem Ideenwettbewerb sollen nun Projekte entwickelt werden, die dazu beitragen können, den Akteuren wieder auf die Beine zu helfen. „Wir denken hier auch in Richtung Digitalisierung“, sagt Jakob Fruchtmann. Ende des Semesters im Frühsommer wird eine Jury die besten Ideen prämieren. Im kommenden Semester sollen sie dann in Vegesack umgesetzt werden.