Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Leichtathletik Einfach immer weiterlaufen

Der Schwaneweder Jens Greulich hat alle sechs Marathons der World-Majors-Serie absolviert
05.04.2024, 15:18 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Rainer Jüttner

Das Objekt der Begierde hat einen Durchmesser von 13 Zentimetern und erinnert mit Form und Gewicht an einen Krustenkranz aus dem Brotregal. Für Marathonläufer ist sie wahrscheinlich die wichtigste Trophäe, die als Hobbyathlet überhaupt gewonnen werden kann. Die Rede ist von der „Six-Star-Medaille“. Diese besondere Plakette mit den sechs verbundenen kleineren Medaillen bekommt nur, wer alle sechs großen Marathons der World Majors-Serie absolviert hat. Einer von den weltweit mittlerweile rund 11.000 Läuferinnen und Läufern, die dieses einzigartige Stück ihr eigen nennen dürfen, ist seit kurzem der Schwaneweder Jens Greulich.

Sechs Marathons – New York, London, Berlin, Chicago, Boston und Tokio – müssen bei der 2006 gegründeten Laufserie „World Marathon Majors“ (WMM) absolviert werden. „Six Star Finisher“ müssen also insgesamt 253,17 Kilometer laufen, dabei gibt es keine Vorschriften, in welchem Zeitraum alle sechs Marathons absolviert werden müssen.

Jens Greulich ist ein Ausdauersportler durch und durch. Bevor ihn die Laufleidenschaft packte, war er zehn Jahre lang im Vegesacker Ruderverein (VRV) aktiv. „Eine tolle Zeit, die mit viel Spaß verbunden war“, erinnert er sich gerne an diese Zeit zurück. Einziger Haken an der Sache war für ihn: „Es kam bei zu viel Aufwand, zu wenig Nettozeit für das Rudern heraus. Für eine Stunde im Boot waren gefühlt zwei Stunden Vorbereitung notwendig“, sagt der 51-Jährige. Das war spätestens nachdem Umzug mit Frau und Kindern nach Schwanewede zuviel Aufwand für ihn. Da war die Sache mit dem Laufen schon etwas ganz anderes. „Laufklamotten und Schuhe anziehen und dann geht es raus“, fasst Greulich die gesamte Vorbereitung vor jedem Lauftraining zusammen.

So ganz nebenbei hatte er inzwischen auch das Mountainbike-Fahren für sich entdeckt und hat mittlerweile auch seine Ehefrau Sandra dafür begeistern können. Klar, dass es auch dabei nicht bei einfachen Touren blieb. Auch in diesem Bereich musste schon etwas Anspruchsvolleres her. Die Greulichs entschieden sich schließlich für eine einwöchige Alpen-Überquerung, die sie nun schon zweimal absolviert haben.

Jens Greulich ist seit 2013 im Lauftreff Schwanewede aktiv. Als er dort 2013 gefragt wurde, ob er nicht nach New York mitkommen wolle, hatte er noch nicht einmal einen Halbmarathon gelaufen. „Doch die Idee, einen Marathon zu laufen und dann in New York, gehörte für mich sofort auf die Liste der Dinge, die man im Leben gemacht haben muss“, erinnert sich der 51-Jährige. Gesagt, getan und auf dem Weg dorthin half ihm auch der Lauftreff. „Sich dort regelmäßig zu treffen und mal in lockerer Runde und mal auf Tempo zu laufen, gab mir Struktur“, erinnert er sich.

Schließlich war es soweit und gemeinsam mit einem Riesentross weiterer Lauf-Enthusiasten wartete Jens Greulich 2015 tatsächlich in New York auf das Startsignal. Diese Veranstaltung als „tolles Erlebnis“ zu beschreiben ist wohl extrem untertrieben. Jens Greulich beschreibt seine Eindrücke so: „In der Stadt, die niemals schläft, wird für über 50.000 Läufer einmal alles auf Stopp gesetzt. 137 Bands auf der Strecke. Über eine Million Zuschauer vor einer grandiosen Kulisse, die man schon dutzende Male im Fernseher gesehen hat, machen das Laufen zu einem einmaligen Erlebnis. Und wenn man den Amerikanern eines lassen muss, Großveranstaltungen können sie. Super organisiert, einmaliger Support vom Start an bis zum Rückweg ins Hotel. Wenn man den Lauf geschafft hat und mit der Medaille durch die Stadt geht, bekommt man immer wieder Great Job oder you did it zu hören. Da denkt man nicht an die Strapazen oder Wehwehchen, die man hat. Da ist man stolz wie Oskar und hat ein Lächeln im Gesicht.“

Klar, dass er danach endgültig der Faszination dieses Langstreckenlaufs erlegen war. 2016 lief er die 42.195 Kilometer in Amsterdam, 2018 in Berlin und 2019 in Bremen. Spätestens danach hatte Jens Greulich auch den Entschluss gefasst, sich der Herausforderung der Majors-Serie zu stellen. Auch bedingt durch die Corona-Pandemie stand erst 2022 die nächste Majors-Etappe in London auf dem Programm. Der Schwaneweder hatte zwischendurch den Amsterdam- und Bremen-Marathon absolviert und machte an der Themse mit einer ganz anderen Art von Marathon Bekanntschaft. „London war wieder eine tolle Veranstaltung mit vielen verrückten Läufern. Ein Mann mit einem Bügelbrett und Bügeleisen ist zum Beispiel die 42 Kilometer gelaufen, hat jeden Kilometer angehalten und kurz gebügelt. Da gab es gefühlt Hunderte, die ähnlich skurril angezogen waren und ungewöhnliche Dinge taten“, sagt Jens Greulich.

Weiter ging es mit den Läufen in Boston und Chicago, die er beide in 2023 absolvierte. Auch dafür bereitete er sich wieder rund drei Monate lang vor, inklusive vierwöchigem Verzicht auf jeglichen Alkohol und natürlich besonderem Augenmerk auf die Ernährung. Das normale Wochenpensum von etwa 30 bis 50 Kilometer wird dann auf 70 bis 90 Kilometer erhöht. „Ich laufe während der Woche beim Lauftreff und am Wochenende regelmäßig mit meinem Laufbuddy Jörn, der auch schon Marathon gelaufen ist und regelmäßig fitter und schneller als ich bin, aber sich den Marathon nicht mehr antut. Mit ihm habe ich am Wochenende manche Stunde verbracht und bin dankbar, mit einem Freund die langen Stecken gelaufen zu sein.

Den Abschluss seiner Marathon-Reise bildete der Lauf in Tokio in diesem Jahr. Er gehört seit 2012 zu den Majors und findet immer am ersten Sonntag im März statt. Für Jens Greulich war die Teilnahme mental schon eine ganz besondere Herausforderung. „Da die komplette Vorbereitung im Winter, also im Dezember, Januar und Februar, läuft man fast immer im Dunklen und das ist schon ziemlich anstrengend“, erklärt er. Für ihn wäre die Reise ohne Marathon früher „undenkbar“ gewesen. „Das Laufen hat mich dazu gebracht, dass ich mich auf den Weg nach Japan gemacht habe. Am Anfang hätte ich das nicht gedacht, aber es passiert. Lauf für Lauf. Dem nächsten Ziel entgegen. Auf einmal läuft man Marathon. Im Anschluss haben wir dann noch eine tolle Rundreise gemacht“, sagt Jens Greulich.

Mittlerweile steht seine Bestzeit über die Marathon-Distanz bei 3:38 Stunden. Diese Entwicklung ist schon bemerkenswert. Sicher – Jens Greulich bringt körperlich bereits eine nahezu optimale Physis für seine sportlichen Ambitionen mit, doch auch er, der sich selber als „Späteinsteiger“ bezeichnet, hatte in seinen läuferischen Anfängen mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie so viele andere auch. „Als ich anfing zu laufen, so um die vier bis fünf Kilometer, musste ich gefühlt sechs Pausen einlegen und nach den ersten 500 Metern fing der Puls an zu klopfen“, sagt Greulich. Doch sukzessive wurden die Strecken länger, die Pausen weniger und die Zeiten schneller.

Hinzu kommt bei dem Wahl-Schwaneweder eine ordentliche Portion Ehrgeiz, der ihn immer wieder angetrieben hat und immer noch antreibt. In diesem Zusammenhang gab es da schon Initialzündung, wie beispielsweise bei seinem allerersten Start in Hambergen über die Halbmarathonstrecke. Jens Greulich war Anfang 40 und hatte dann auf der Strecke ein einschneidendes Erlebnis. „Ich erinnere mich genau, als plötzlich ein Herr mit grau-meliertem Haar an mir vorbeirannte und ich nur noch dachte, das kann doch jetzt nicht sein, dieser gefühlt deutlich betagtere Mann kann mich doch nicht einfach so überholen.“ Fortan bestimmte nur noch die eine Frage sein sportliches Denken: Was muss ich tun, um genau da hinzukommen?“ Diese Fragestellung wurde mittlerweile durch den Einstieg beim Lauftreff Schwanewede 2013 und zahlreiche Fachgespräche mit anderen Laufkollegen beantwortet. Jens Greulich fasst das so zusammen: „Man muss einfach immer dran bleiben.“

Ein Satz, der für ihn mittlerweile auch zu einem Lebensmotto geworden ist. Ein Ziel hartnäckig zu verfolgen, nicht aufzugeben und sich auch von Rückschlägen nicht vom Weg abbringen zu lassen, sind wohl für jeden Langstreckenläufer unabdingbare Voraussetzung. Bei Jens Greulich zeigt sich diese Ausdauer auch in seinem beruflichen Werdegang. Nach der Realschule absolvierte er eine Ausbildung zum Seegüterkontrolleur, merkte aber schnell, dass ihn das nicht ein ganzes Berufsleben lang ausfüllen würde. Er machte sein Fachabitur, schloss gleich zwei Studiengänge erfolgreich ab und ist mittlerweile seit dreieinhalb Jahren Betriebsleiter des Instandhaltungsbetriebes am Hamburger Burchartkai bei der HHLA.

Der große Traum von den Majors hat sich Jens Greulich also erfüllt, welche Ziele können da denn jetzt noch folgen? „Jetzt kommt erst einmal eine Phase, in der all das Private dran ist, was zuletzt liegen geblieben ist“, sagt er. Mit seiner Frau Sandra plant er Starts über die Halbmarathon-Distanz, unter anderem in Valencia. Und der Hamburg-Marathon steht natürlich auch auf dem Plan. „Allein schon wegen der Hamburger Kollegen“, wie er verrät. Eile hat Jens Greulich dabei nicht. Und bis er sich tatsächlich wieder neuen Herausforderungen stellt, wird er einfach das machen, was er am liebsten macht. „Ich werde einfach immer weiterlaufen."

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)