15 Minuten vor Spielende schlenderte Kevin Schindler zu seinem Trainerkollegen herüber. Der Interimscoach des A-Junioren-Bundesligisten Werder Bremen erkundigte sich nach dem Geburtsjahr von Alen Mustedanagic, dem Schlussmann des zwei Klassen tiefer spielenden JFV Bremen. Soll heißen: Werder hätte womöglich Interesse an dem 18-Jährigen, wenn er ein 2005er gewesen wäre. Ein Ritterschlag für Alen Mustedanagic, der sich diese Anerkennung verdient hatte. Denn bei der 0:7-Niederlage des Verbandsligisten JFV Bremen im Lotto-Pokal-Halbfinale gegen den Tabellensechsten der Fußball-Bundesliga Nord/Nordost war er der beste Mann auf dem Platz und sorgte mit unglaublichen Reflexen und gutem Stellungsspiel dafür, dass die Nordbremer bis kurz vor der Halbzeit im Spiel blieben.
Gerade in der ersten Viertelstunde sahen sich die Werder-Verantwortlichen mehrmals verwundert an, wie es dem JFV-Keeper gelang, immer wieder eine Hand oder einen Fuß an den Ball zu bekommen und Hochkaräter im Zwei-Minuten-Takt unschädlich zu machen. Alen Mustedanagic war allerdings der einzige Akteur der Platzherren, der von Beginn an hellwach war und seine Topleistung abrufen konnte. Angst, Respekt und Müdigkeit in den Beinen, die vom zwei Tage zuvor ausgetragenen Derby beim Blumenthaler SV (1:1) stammte, machte JFV-Trainer Mario Vukoja dafür verantwortlich, dass sein Team wie verwandelt auftrat. Neben der körperlichen Frische fehlte augenscheinlich auch die geistige, denn es dauerte immer wieder eine gefühlte Ewigkeit oder es gelang gar nicht, die Räume auf den Flügeln zuzuschieben. Mit Leichtigkeit drangen Werders Offensivkräfte von links und rechts in die Box ein und beschworen einen Gefahrenmoment nach dem anderen herauf. Es war nur eine Frage der Zeit, wann auch Alen Mustedanagic seinen 2,44 Meter hohen und 7,32 Meter breiten Arbeitsbereich nicht mehr würde sauber halten können.
Dieser Moment datierte aus der elften Minute, neun Minuten später legte Werder das 2:0 nach. Ein Rückstand, der für den JFV Bremen scheinbar befreiende Wirkung hatte. Gedanklich und körperlich warmgelaufen, zeigten die Nordbremer, warum sie die Tabelle in der Verbandsliga anführen. Plötzlich wurde von hinten heraus kombiniert und im Mittelfeld ordentlich Dampf gemacht. Und auch Noel Olszak zeigte jetzt, warum er in der Verbandsliga-Sommerrunde schon elf Buden gemacht hat. Mehrmals musste Werder-Schlussmann Ben Käuper jetzt sein Können präsentieren, um bei guten Gelegenheiten von Abdo Alan und Noel Olszak den Anschlusstreffer zu verhindern. „Wer weiß, was passiert wäre, wenn wir da getroffen hätten?“, fragte Mario Vukuja nach Spielende. Ein Treffer wäre jedenfalls der gerechte Lohn gewesen. Er fiel jedoch auf der Gegenseite per Foulelfmeter kurz vor der Halbzeit, damit war die Hoffnung auf spannende 45 Minuten unter der Leitung der guten Schiedsrichterin Sharline Heyer dahin.
Einer Schiedsrichterin, die nicht nur gute Augen hat, sondern offenbar auch eine aufmerksame Zuhörerin ist. Mit den Worten „ich habe es gehört“, schickte sie nämlich JFV-Abwehrchef Shefik Osmani in der 68. Minute wegen Gegenspielerbeleidigung vom Feld. „Unnötig“, schüttelte Trainer Mario Vukoja den Kopf, der nach eigener Aussage genau diese Problematik vor der Partie thematisiert hatte. „Ich habe Shefik gesagt, dass ihn eine Rote Karte 150 Euro kostet.“ Wenn er sie denn tatsächlich zahlen muss, dann würde sich die Mannschaftskasse genau im richtigen Momentfüllen. Denn am Mittwochmittag machte sich die Mannschaft per Bus auf den Weg nach Kroatien – zu einer vorgezogenen Abschlussfahrt gewissermaßen. Mario Vukoja will die Gelegenheit nutzen, um sein Team für den Verbandsliga-Endspurt wieder aufzurichten. Zum Zeitpunkt des Osmani-Platzverweises hieß es bereits 5:0 für Werder, bis zu diesem Zeitpunkt und auch danach hatte der Bundesligist Ball und Gegner laufen lassen und teilweise sehenswerte Tore erzielt, bei denen es für Alen Mustedanagic nichts zu halten gab.
Trotz der sieben Gegentreffer hatte Alen Mustedanagic beeindruckt und nahm das Schulterklopfen nach Spielende aus allen Richtungen gerne entgegen. Not amused war er indes darüber, dass sich Shefik Osmani den Platzverweis eingehandelt hatte. „Shefik und ich sind die wichtigsten Spieler“, erklärte der Keeper mit Blick darauf, der der Abwehrchef nun in bedeutsamen Spielen im Aufstiegskampf fehlen wird. Für Alen Mustedanagic bedeutet das, dass er noch ein bisschen mehr Verantwortung tragen muss. Der Blick zurück auf die gegen Werder gezeigte bärenstarke Leistung wird ihm dabei sicher helfen.