Exakt 17.077 Menschen in Bremen-Nord sind in diesem Jahr auf Leistungen des Jobcenters angewiesen. „Das sind 17 Prozent der Einwohner, diese Zahl ist sehr hoch“, sagt Volker Wöhlmann, Geschäftsstellenleiter des Jobcenters in Vegesack. Die Pandemie habe den Arbeitsmarkt nördlich der Lesum weiter verändert. Vor allem Frauen mit Kindern seien benachteiligt. 2022 wolle das Jobcenter deshalb gegensteuern, kündigt Wöhlmann an.
Warum ist die Arbeitslosenzahl in Bremen-Nord so hoch?
„Je weiter Sie in Bremen nach Norden kommen, desto höher ist die Arbeitslosenquote“, sagt Volker Wöhlmann, Chef im Vegesacker Jobcenter. Den Grund dafür sieht er im strukturellen Wandel der Region, aber auch in den weiten Wegen. „Für einen Mini-Job fährt niemand von Bremen-Nord bis nach Arbergen.“ Von den 17.077 Leistungsempfängern im November 2021 sind nach seinen Worten 6876 Langzeitbezieher, das bedeutet, diese Menschen haben in den vergangenen zwei Jahren mindestens 21 Monate Geld vom Jobcenter bekommen. 43 Prozent derjenigen, die Arbeit suchen, haben Migrationshintergrund.
Welche Branchen sind besonders betroffen?
Zu den Pandemie-Verlierern zählt das Jobcenter in erster Linie die Gastronomie, die während des Lockdowns Personal nach Hause geschickt hat. Wie Jürgen Möller vom Arbeitgeberservice des Jobcenters sagt, hätten besonders kleine Gastronomie-Betriebe „böse kämpfen“ müssen. „Und die, die es bis jetzt geschafft haben, haben Probleme, Personal zu finden.“ Möller weist in diesem Zusammenhang auf die Hotline des Jobcenters für Arbeitgeber hin. Es gebe diverse Fördermöglichkeiten, ebenso Ausbildungsplatzsicherungssysteme. Doch: „Bei den Gastronomen können wir uns anstrengen wie wir wollen, das ist schwierig.“
„Das Personal, das vorher da war, ist abgewandert. Die Mitarbeiter haben sich neu orientiert“, erklärt Volker Wöhlmann das Problem. „Die Gastronomie in Bremen-Nord ist fast zusammengebrochen.“

Im Jobcenter in Vegesack finden inzwischen deutlich weniger Gespräche statt. Die Arbeitsvermittler setzen auf Videoberatung.
Insgesamt 400 Selbstständige aus Bremen-Nord wandten sich in der Pandemie ans Jobcenter. Darunter neben Gastronomen auch Frisöre und Golflehrer. „Eben alle die, die ihr Gewerbe plötzlich nicht mehr ausüben konnten“, so Wöhlmann. Diesen Selbstständigen sei mit vereinfachten Anträgen finanzielle Unterstützung gewährt worden. Nach Einschätzung des Jobcenters werden rund 350 dieser Selbstständigen weitermachen, etwa 50 jedoch geben laut Wöhlmann auf oder orientieren sich gerade um.
Problematisch sei für einige Geschäftstreibende zurzeit auch, dass Rohstoffe wie Chips für Maschinen fehlten. „Einige Tischler haben volle Auftragsbücher, können aber nicht produzieren“, erläutert Jürgen Möller vom Arbeitgeberservice.
Wie will das Jobcenter Frauen in die Berufe bringen?
Julia Kwetschlich gehört im Jobcenter zu einem Team von vier Vollzeitkräften, das sich auf die Vermittlung von Alleinerziehenden konzentriert. „Wir betreuen 1200 Alleinerziehende, die meisten sind Frauen “, berichtet die Arbeitsvermittlerin. 332 Frauen konnten 2021 vermittelt werden, exakt 52 mehr als im Jahr zuvor. Doch: „Frauen mit Kindern waren vor der Pandemie schon benachteiligt und die Pandemie hat das noch verstärkt“, sagt Julia Kwetschlich. Hier machten sich der Mangel an Kita- und Hortplätzen in Bremen-Nord bemerkbar. Ebenso starre Arbeitszeitmodelle der Arbeitgeber. Geschäftsstellenleiter Volker Wöhlmann nennt das Beispiel der Ansiedlung von Amazon in Achim: Gesucht würden aktuell nur Vollzeitkräfte.
Durch den Fachkräftemangel finde jedoch langsam ein Umdenken auf Arbeitgeberseite statt, ergänzt Jürgen Möller vom Arbeitgeberservice. Die Arbeitgeber stellten zunehmend fest, dass die Frauen in Teilzeit oft besonders motiviert seien – „und Organisationstalente sind sie sowieso, sonst würden sie das alles nicht schaffen“, so Volker Wöhlmann. Zumindest die klassischen Träger nehmen auf die besonderen Belange von Alleinerziehenden inzwischen mehr Rücksicht: Es würden immer mehr Weiterbildungsmaßnahmen inklusive Kinderbetreuung geboten. Wöhlmann hofft, hierdurch 2022 weitere Alleinerziehenden aus der Arbeitslosigkeit helfen zu können.
Wie arbeitet das Jobcenter in der Pandemie?
Vor Beginn der Pandemie haben sich täglich circa 200 Kunden aufgemacht, um sich im Jobcenter an der Hermann-Fortmann-Straße beraten zu lassen. Pandemiebedingt finden nach Angabe der Behörde zurzeit 50 Termine pro Woche statt. Die meisten Beratungsgespräche laufen aktuell telefonisch. Allerdings will das Jobcenter in Zukunft verstärkt auf Videoberatung setzen. „Die meisten haben heutzutage ein Smartphone, das ist kein Problem“, ist Geschäftsstellenleiter Volker Wöhlmann überzeugt. Insgesamt habe die Zahl der Vermittlungen in der Corona-Pandemie nicht ab-, sondern sogar zugenommen: 966 Menschen konnten demzufolge in Arbeit gebracht werden, 149 mehr als in 2020. 2000 Frauen und Männern hat das Jobcenter Maßnahmen vermittelt. So wurden beispielsweise Bildungsgutscheine vergeben.