In diesem Jahr findet Deutschlands bekanntester Nachwuchswettbewerb „Jugend forscht“ zum 57. Mal statt. Die Corona-Pandemie konnte die vielen experimentierfreudigen Jungforscher nicht stoppen. Im Gegenteil: Für manch einen kam der Stein zum eigenen Projekt erst zwischen Homeschooling und Lockdown ins Rollen. Dazu gehört auch der Schönebecker Hendrik Ridder, der mit seiner 2,5 Meter langen Wasserrakete zuerst Landessieger im Bereich Technik wurde. Damit reiste er vom 26. bis 29. Mai nach Lübeck und trat gegen die 50 besten Projekte aus ganz Deutschland an. Hendrik Ridder gewann, bekam den mit 3000 Euro dotierten Preis für eine außergewöhnliche Arbeit, ausgelobt von Schirmherr und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Oberstufenprofil: Luft- und Raumfahrt
Dabei besaß der Fünfzehnjährige anfangs keinerlei Wettbewerbsambitionen. „Ich hatte zu Beginn der Coronazeit wenig zu tun und mir war langweilig. Also bin ich zu meinem Opa in den Garten gefahren und habe dort gewerkelt“, berichtet Ridder. Dass es eine Wasserrakete war, mit der er experimentierte, war jedoch keine spontane Idee. Der Gymnasiast hatte das Oberstufenprofil Luft- und Raumfahrt belegt, das das Gymnasium Vegesack in Kooperation mit der Hochschule Bremen anbietet.
Den Abschluss bildet das Projekt „Wasserraketen“, in dessen Rahmen jeder Schüler eine Rakete auf Basis von PET-Flaschen baut. Dann kam jedoch Corona und Ridder beschloss, die Aufgabe eigenständig zu Hause zu realisieren. „Dabei habe ich das Ganze für mich etwas verkompliziert“, erklärt Ridder. Aus einer Aufgabe, die bereits Fünftklässler bewältigen können, wurde so ein vielschichtiges, hoch komplexes Projekt.
Es blieb nicht beim klassischen Aufbau bestehend aus Flaschen, Schlauch, Klebeband und anderen Haushaltsgegenständen. „Ich wollte alles an Technik reinpacken, was geht“, erklärt Ridder. Er integrierte eine Fülle an Mess- und Steuergeräten, ließ sich zusätzliche Elemente anfertigen oder druckte sie im schuleigenen 3-D-Drucker. Entstanden ist eine Rakete, mit der auf umweltfreundliche Art Wetterdaten in einer Höhe von bis 270 Meter zugemessen werden können.
Technik in Startrampe und Spitze
Der Flugkörper umfasst neben dem aus 16 Flaschen bestehenden, mit Glasfaser und Carbon verstärktem Korpus eine mit verschiedenen Sensoren, einer Kamera und weiterer Technik gespickte Spitze. „Durch die Verstärkung hält die Rakete den fünffachen Druck eines Autos aus“, erklärt Ridder. Hinzu kommt eine große technische Anlage, die unter anderem in der Startrampe verbaut ist. Um alle Vorgänge vom Start über die Messungen bis zur Landung einsehen und steuern zu können, begann Ridder im August vergangenen Jahres zudem eine betriebssystemübergreifende App zu entwickeln. In Echtzeit empfängt sie alle Daten. Was davon relevant ist und wohin zugeordnet wird, entscheidet ein ebenfalls von dem Jungforscher entwickeltes ID-System. Per künstlicher Intelligenz (KI) werden verschiedene Parameter berechnet und übersichtlich dargestellt.
„Bevor ich angefangen habe, wusste ich nicht mal, was es bei der Elektrik mit Plus und Minus auf sich hat“, berichtet Hendrik Ridder. Fachkundige Unterstützung holte er sich bei seinem Großvater und versierten Bekannten. Auch mit dem Programmieren hatte sich der Fünfzehnjährige bisher nicht beschäftigt. Im Laufe von zwei Jahren lernte er sechs Programmiersprachen und arbeitete sich in seinem Projekt bis zu einem Punkt vor, an dem selbst Fachleute und Lehrer ihm nicht mehr weiterhelfen konnten. „Ich habe mir viel selbst beigebracht, mir Youtube-Videos angeschaut und herumprobiert. Man muss einfach viel ausprobieren, bis etwas klappt und darüber auch mal verzweifeln“, so Ridder.
Mutter lobt Durchhaltevermögen
Verzweiflungsmomente traten immer wieder auf, berichtet seine Mutter. „Es gab häufig Stellen, an denen es nicht weiter ging und irgendwann konnte ihm niemand mehr helfen. Auch Youtube-Videos nicht. Ich weiß nicht, wo er dieses Durchhaltevermögen hernimmt." Hendrik Ridders Mutter erinnert sich an einen Moment, als sie ihren Sohn im Kreis seines Großvaters und Bekannten neben der Rakete stehen sah. „Da standen ein Ingenieur, ein Elektrotechnik-Meister und ein Berufsschullehrer und nickten nur anerkennend, während Hendrik etwas erklärte."
Fünf Prototypen sind seit dem Projektstart entstanden. Rund 4000 Arbeitsstunden und 5500 Euro Entwicklungskosten flossen dabei ein. Das Projekt sei aber lange noch nicht abgeschlossen, berichtet Hendrik Ridder. Einen Sprachassistenten möchte er beispielsweise noch integrieren. Das benötigte Geld verdiente sich der Schüler unter anderem durch Rasen mähen. Einen kleinen Zuschuss steuerten Sonderpreise dazu, die im Rahmen des „Jugend forscht“-Wettbewerbs vergeben werden. Dass Ridder an diesem teilnahm, ist seinem Mathe- und Physiklehrer zu verdanken. Er erkannte das Potenzial von Ridders Projekt. „Ich hatte nie die Absicht, bei einem Wettbewerb mitzumachen. Ich wollte für mich einfach nur Theorie und Technik verknüpfen“, berichtet Hendrik Ridder, der sich schließlich überreden ließ teilzunehmen.