In Kleiderkammern finden Bedürftige nicht nur Anziehsachen. Zum Teil können auch Möbel, Spielsachen und Bücher umsonst oder gegen einen kleinen Beitrag abgeholt werden. Ob Wundertruhe, Anziehungspunkt oder Kleiderkammer – hinter jedem dieser Namen steht eine gemeinnützig betriebene Einrichtung, die Menschen auffängt, die nicht genug haben. Doch wie ist die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung? Gibt es ausreichend engagierte Ehrenamtler, die aushelfen?
Sybille Vollmer ist 77 Jahre alt. Seit dem Gründungsjahr 2015 arbeitet sie bei der "Ökumenischen Starthilfe Grohn" in Vegesack. An einem Vormittag schleuse sie "locker Mal 100 Menschen durch", erzählt sie. Die Zahl der Besucherinnen und Besucher wachse stetig. Waren es im Gründungsjahr noch 1400 Kunden, rechnet Vollmer damit, dass sie dieses Jahr die 5000-Personen-Marke knacken. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es knapp 3000.
"Der Bedarf ist riesengroß und wird höher." Das erklärt sich Vollmer so: "Die Armut wächst in der Breite der Gesellschaft. Das spüren wir." Überwiegend versorgten sie Geflüchtete. In jüngster Zeit kommen aber auch immer mehr Deutsche. "Es gibt überall Menschen, die nicht genug haben", sagt Vollmer. "Letztens hat sich eine Frau gemeldet, der auffiel, dass andere Kinder im Kindergarten ihres Kindes unzureichend bekleidet waren. Sie holte bei uns Kleidung für die Familien ab." Vollmer schildert einige solcher Fälle. Auch Magdalena Dippe (84), Ehrenamtlerin bei der Wundertruhe Schwanewede, erzählt, dass immer mehr Menschen kommen, die bedürftig seien.
Doch nicht bei allen Einrichtungen erhöht sich die Zahl der Kundinnen und Kunden. Hannelore Werner von der Kleiderspendenaktion Himmelskamp "Anziehungspunkt" in Blumenthal sagt: "Donnerstags kommen bei uns um die 20 Menschen, aber ich muss ehrlich sagen, das sind häufig Stammkunden." Die Anzahl bleibe konstant. Seit einiger Zeit habe der Anziehungspunkt die Begrenzung der Ausgabe abgeschafft.
Was fehlt den Kleiderkammern?
Was weiterhin bleibe, ist die Spendenbereitschaft der Bevölkerung, da sind sich die Vertreterinnen einig. Dadurch seien sie in Bremen-Nord gut ausgestattet. Was jedoch immer Mangelware sei, ist männliche Bekleidung. Werner sagt: "Irgendwie trennen sich Frauen lieber von ihrer Kleidung." Insbesondere Winterbekleidung für Männer fehle in der Wundertruhe, so Dippe.
Dagegen fehlen den Kleiderkammern Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler, die aushelfen. Vollmer erzählt, dass sie ab und an Probleme haben, die Spenden abzuholen. "Vor allem bei Haushaltsauflösungen fehlen Menschen, die die Sachen transportieren", so Vollmer, "manchmal schaffen wir das zeitlich nicht." Sie spüre eine tiefe Dankbarkeit ehemaliger Kundinnen und Kunden. Viele seien im Nachhinein ehrenamtlich eingetreten und helfen in ihrer freien Zeit aus.
Auch die anderen Einrichtungen klagen über zu wenig Helferinnen und Helfer. Hannelore Werner vom "Anziehungspunkt" berichtet, dass rund 15 Frauen in ihrer Kleiderkammer mithelfen. Viele von ihnen seien jedoch schon etwas älter. "Wir brauchen ein paar junge und starke Menschen, die bei Haushaltsauflösungen mittragen können", sagt sie.
Persönliche Beratung inklusive
Die kleine Kleiderkammer in Lemwerder hat einen besonderen Ansatz. Insbesondere Geflüchtete besuchen die Kleiderkammer. Kundinnen und Kunden müssen sich vorab anmelden und werden dann betreut. "Das läuft bei uns persönlicher", sagt Mitgründerin Christiane Half. "Die Menschen genießen es, mit uns zu reden, stellen Fragen oder erzählen uns ihre Geschichte. Bei uns gehen alle glücklich raus – auch die Spender."
- Lesen Sie auch: Sie halten dem "Klederschnoor" die Stange
Ehrenamt anerkennen
Die Kleiderkammern werden von Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern getragen. Was Vollmer fehlt, ist Anerkennung für die Arbeit. "Im Sozialen wird vieles vom Ehrenamt getragen, aber ich habe manchmal das Gefühl: Da ist nichts zu wollen." Eine Möglichkeit wäre es, ehrenamtliche Arbeit steuerlich geltend machen zu können. "Wir stecken hier nicht nur Zeit, sondern natürlich auch Geld rein." Dann würde sich das für mehr Menschen rentieren.
Vollmer ärgere sich über den öffentlichen Diskurs: "Mit Flüchtlingshilfe kann man keinen Blumentopf gewinnen. Ich kann keine Berichte mehr sehen über Migrationsbedingungen oder Verhandlungen. Die Menschen sind hier und wir müssen Verantwortung übernehmen."