„Ich finde es herzzerreißend schön, am Leben zu sein“, sagt die Sängerin Soffie und lächelt. Sie sitzt im Backstagebereich des Vegesacker Kulturbahnhofs, hat gerade ihren Soundcheck hinter sich und wartet auf ihr Essen. Es ist kurz nach sechs am Donnerstagabend und in ein paar wenigen Stunden wird sie auf der Bühne stehen und mit ihren Liedern, ihre Fans aus Bremen und umzu begeistern. „Es gibt nie nur Schwarz und Weiß. Immer, wenn etwas fantastisch schön ist, gibt es da so eine kleine Melancholie drin, weil das Schöne vorbeigehen kann. Und wenn etwas traurig ist, findet man kleine Lichtblicke. Dieses Wechselspiel finde ich so faszinierend. So eine Sehnsucht nach mehr Leben habe ich auf jeden Fall in meinen Texten drin“, erzählt sie und man kann in ihrer Stimme bereits die Leidenschaft hören. Die 25-jährige Künstlerin aus der Nähe von Stuttgart steckt voller Ideen, Gedanken und Gefühle, die sie schon allein im Gespräch nach außen bringen möchte. All das findet man auch in den poetischen Texten ihrer Lieder wieder.
Das Wechselspiel, das sie so fasziniert, hat sie im vergangenen Sommer am eigenen Körper erfahren können, bevor es sie mit ihrer zweiten Tour unter anderem bis nach Vegesack verschlagen konnte. Mit ihrem Song „Für immer Frühling“ ging sie von einem Tag auf den anderen auf Social Media viral; stieß auf viel Gehör, Liebe und auch Hass. In dem Lied geht es um Frieden; um eine Welt, in der es jedem Menschen gut geht. „Der einzige Grundgedanke war, dass ich etwas mit Haltung schreiben wollte, welche wusste ich da noch gar nicht“, erzählt Soffie. „Der Song ist eigentlich gar nicht so polarisierend, eigentlich recht zahm. Er hat eine superfriedliche Grundaussage, weshalb ich mir da nie Sorgen gemacht habe, dass er jemanden vor den Kopf stoßen könnte.“
Ein Konzertbesuch als Ausdruck von Gemeinschaft
Gespielt wird ihr Song mittlerweile auf Demos gegen Rechts und findet sich dort auch auf diversen Protestschildern wieder. Das Lied hat eine liberale, politische Botschaft, die gerade zu Zeiten der Proteste gegen den Rechtsruck und Parteien wie die AfD schnell Anklang finden konnte – ganz zum Missmut eben jener, die mit Hass kontern. „Diese Hasskommentare waren teilweise total organisiert und gezielte Hetze von irgendwelchen Gruppen, die Wort für Wort dasselbe kommentiert haben, wo man sich denken konnte, dass das irgendwo angestiftet wurde“, erklärt die Musikerin. Auch diese Erfahrungen verarbeitete Soffie wieder in der Musik, um mit der Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung umgehen zu können.
Für ihre Fans ist es genau das, was ihre Musik so besonders macht. „Sie schreibt eine sehr poetische Art der Lieder, sie verbildlicht die Sachen sehr schön. Dabei zeigt sie soziale und soziologische Aspekte auf. Ihre Stimme ist total besonders – man könnte sie aus Tausenden heraus erkennen“, sagt Chantale Schumacher aus Bassum, die bereits seit 13 Uhr auf der Treppe vorm Kulturbahnhof auf ihre Lieblingsmusikerin wartet. Wenige Stunden später hat sich dort ein kleiner Zirkel an jungen Frauen gebildet, die ebenfalls rechtzeitig für den Einlass da sein wollen. Sie nehmen sich mit offenen Armen auf, spielen gemeinsam Karten und bereiten Schilder vor. Ein Konzertbesuch bedeutet für sie Gemeinschaft.
Tränen der Freude
„Ich bin so aufgeregt! Ich habe fast geweint“, erzählt Evelyn Kriger, nachdem sie zufällig vorab ein Foto mit Soffie machen konnte. Es ist ihr fünfzehnter Geburtstag und der Abend soll für sie zu einem unvergesslichen Ereignis werden. Als sich die Türen öffnen, kann sie sich die Gruppe an neuen Freundinnen einen Platz in der ersten Reihe sichern. Die Aufregung und Erwartungen sind groß. Bereits bei der Vorband fließen die ersten Tränen, weil der Künstler Herbst mit viel Stimmgewalt überzeugen kann.
Als Soffie dann auf der Bühne steht, wird die Stimmung im Kulturbahnhof immer hitziger. Textsicher singen die Fans mit; es wird getanzt, gesprungen und in den letzten Reihen Arm in Arm zu den Liedern der Sängerin getanzt. Als es fast vorbei ist, wünscht das Publikum sich mehr. Laut wird nach einer Zugabe gerufen und Soffie und ihre Band kehren für dreieinhalb Songs zurück auf die Bühne. Der Halbe? Evelyns Schwester hält ein Schild hoch und bittet Soffie darum, „Happy Birthday“ zu singen. Auf einmal feiert der gesamte Saal Evelyns Geburtstag und sie bekommt auch noch einen pinken, blinkenden Cowboyhut von ihrer Lieblingssängerin geschenkt.