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Kultur in Bremen-Nord "Es läuft besser als jemals zuvor"

Corona, Krieg, Energiekrise - auch die Kulturszene ist zwischen zwei Senatswahlen arg gebeutelt gewesen. Allerdings: Politik und Besucher halten die Treue, so klingt das Vierjahresfazit erstaunlich positiv.
20.02.2023, 08:00 Uhr
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Von Iris Messerschmidt

Sind die Zeiten schlecht, wird am ehesten bei der Kultur eingespart. Das wissen auch Malte Prieser, programmatischer Geschäftsführer, sowie der kaufmännische Geschäftsführer Holger Wenke des Kulturbüros Bremen-Nord. Beim Rückblick über vier Jahre Nordbremer Kultur zwischen zwei Senatswahlen in der Hansestadt steht hauptsächlich ein "vor, während und nach Corona". Ein Rückblick, der gar nicht so schlecht aussieht. "Ich habe selten so viel positives Feedback zu Ideen und Kulturinitiativen, die aus Bremen kommen, gehört, wie in der letzten Zeit", stellt Malte Prieser fest. 

Er hat den direkten Vergleich. Als Tourmanager begleitet Malte Prieser grundsätzlich in seiner Freizeit befreundete Bands deutschlandweit auf deren Tourneen. "Da höre ich selbstverständlich, mit welchen Problemen Kulturschaffende in anderen Bundesländern zu kämpfen haben. Ich werde auch darauf angesprochen, wie gut wir Kulturschaffenden in Bremen sowohl von der Kulturbehörde als auch von der Wirtschaft unterstützt werden."

Positives hatte wie berichtet auch Johanna Schwarz zu erzählen. Von 11.000 Besuchern im vergangenen Jahr (4000 waren es während der heißen Corona-Phase) sprach Schwarz, die gemeinsam mit Kim Kraul das Dokumentations- und Kulturzentrum in Blumenthal leitet. Zum Vergleich: Mit rund 35.000 Euro an Projektgeldern für Veranstaltungen, Kursangebote und das Sommerfest auf dem Schillerplatz gab es zudem weitere Unterstützung und drei Mal so viel wie vor der Corona-Zeit. „Allerdings hängt das auch mit der besseren Ausstattung als Win-Gebiet zusammen und damit, dass wir nun zu zweit sind“, ordnete Schwarz kürzlich die Mehreinnahmen ein.

Positives Fazit über Grenzen hinweg

Über Ländergrenzen hinaus werde registriert, dass aus der Hansestadt nicht nur Negativbeispiele kommen. Angesprochen wird Malte Prieser da beispielsweise auf die Förderung junger Bremer Künstlerinnen und Künstler durch ein Stipendium der Kulturbehörde oder das Gemeinschaftsprojekt "Club 100". Das nannte auch Kristina Vogt, Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa schon als gutes Beispiel dafür, "dass sich die Menschen gegenseitig unter die Arme greifen, wenn es eng wird". Dass die Kulturszene in Bremen "von Berlin bis Kaiserslautern" so positiv dastehe, sei unter anderem ein Verdienst der Politik, "die so gut und besonnen gehandelt hat", lobt Malte Prieser.

Von anfänglichen Treffen in der Glocke, "mit Wirtschaftsbehörde und fast allen Kulturschaffenden der Hansestadt, wohl einmalig in der deutschen Kulturszene", über das Aufrüsten der Digitalisierung bis hin zu regelmäßigen Online-Zusammenkünften mit der Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz sowie Bremens Bürgermeister und Kultursenator Andreas Bovenschulte – "es gibt viele innovative Ideen zur Unterstützung der hiesigen Kulturszene".

Sorgenfalten auf der Stirn

Allerdings sei den beiden Geschäftsführern des Kulturbüros Bremen-Nord durchaus auch Sorgenfalten auf der Stirn gelegen. "Für uns als Unternehmen galt insbesondere die Sorge den mehr als 50 Mitarbeiterinnen sowie Mitarbeitern und deren Absicherung." Prieser und Wenke war klar, "wir sind die ersten, die zumachen, und die letzten, die wieder aufmachen". Das Signal seitens der Politik, "alle weiterbeschäftigen zu können, was auch so passiert ist", habe Hoffnung und neuen Antrieb gegeben.

Zwar habe es gerade zu Lockdown-Zeiten keine Veranstaltungen, kein offenes Haus oder eine geöffnete Cafeteria geben können. Dennoch, "durch Fördergelder gingen wir einen großen Schritt in Sachen Digitalisierung", schnelleres Internet half, Kontakte zu halten, "beispielsweise über und durch Frauke Winter" mit fast 300 Seniorinnen und Senioren aus 25 verschiedenen Gruppen im Bürgerhaus. Auch Volkshochschule und Kindergarten sind im Bürgerhaus vertreten, "im Hintergrund gab es da und dort immer etwas zu tun". Dazu gehört auch die Ausleihe von Utensilien für die Zirkuskinder Tohuwabohu und eine digitale Übungsanleitung. Corona habe auch das "Bürgerhaus-Rondell" los gestossen.

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Als großer Vorteil habe sich zudem der 2006 erfolgte Zusammenschluss der vier Häuser Kito, Kuba, Overbeck-Museum und Bürgerhaus zum Kulturbüro Bremen-Nord erwiesen. "Wir konnten verschiedenste Hygienekonzepte entwickeln und den Gegebenheiten anpassen." Immer, wenn es ging, hätten so Kinder eine Abwechslung im Overbeck-Museum gefunden. Veranstaltungen, die auf der Kulturetage im Kito geplant waren, seien "mit größtmöglichen Abstandsregelungen" in den Bürgerhaussaal verlegt worden und der Kulturbahnhof diente gleich noch nach "coronakonformen Regeln" dem Amtsgericht als Verhandlungsraum.

Bis 2024 gute Buchungszahlen

Im Übrigen vor 2024 braucht das Kulturbüro kein neues Programm aufzulegen. Durch die Verschiebungen wird erst einmal einiges an Angeboten nachgeholt. "Das verrückte, es läuft besser als jemals zuvor – aber bei völlig anderen Veranstaltungen", hat Malte Prieser beobachtet. Ein Viertel der Veranstaltungen sei schon ausverkauft, "das gab es bislang noch nie". Allerdings: "Entweder eine Veranstaltung läuft, ist sofort ausverkauft, oder sie läuft nicht, muss sogar wegen zu geringer Resonanz abgesagt werden."

Die 30- bis 60-Jährigen habe das Kulturbüro als Publikum verloren, dafür gebe es gar keine Probleme bei älteren und jüngeren Menschen. "Wir beobachten einen enormen Zuwachs bei unter 25-Jährigen." Als Erklärung sieht Prieser unter anderem auch, dass die junge Kulturszene sehr präsent in den sozialen Netzwerken ist. "Das macht bekannt, das zieht Publikum." Darunter litten allerdings unbekannte Künstlerinnen und Künstler. Die ältere Generation, die ab 70 Jahre, "die will nach den Lockdowns endlich wieder öffentliche Veranstaltungen genießen".

Suche nach Externen ist schwierig

Apropos Energiekosten und Teuerungsrate. "Die freien Unternehmen wie beispielsweise Security, Catering oder Technikverleih haben die letzten Jahre sehr gelitten und viele haben aufgegeben." Was laut Malte Prieser die Suche nach externen Veranstaltungs-Technikern und Caterern erschwert. "Das bedingt ebenso, dass die Preise steigen." Von doppelt und dreifach ist die Rede. Auch hier habe die Bremer Politik reagiert, beispielsweise durch die Umstellung auf energiesparendes LED-Licht. Fördergelder gibt es auf Bundesebene zur Um- und Aufrüstung der Ton- und Lichttechnik in den vier Einrichtungen in Bremen-Nord. "Damit werden wir zukunftssicher", ist Prieser überzeugt, selbst wenn Eintrittspreise ansteigen müssen.

Sein Wunsch an die Politik nach der nächsten Bremer Senatswahl? "Nicht aus dem Blick zu verlieren, dass wir schon jetzt in ganz Bremen viele tolle Kulturakteure haben. Und dass Neues nicht gleich das Bessere darstellt."

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