Von seinem Büro aus hat Antonio Loprieno neuerdings die Bremer Speckflagge im Blick. Der Schweizer Ägyptologe hat diese Woche seine Arbeit als Präsident der Jacobs-Uni in Grohn aufgenommen. In einer Begrüßungsmail an die 1400 Studenten und 400 Angestellten kündigte er einen Richtungswechsel an. In seinem ersten Interview sagte Loprieno unserer Zeitung: „Ich habe keine 200 Millionen Euro, hoffe jedoch, dass wir ein plausibles Modell der Jacobs-Uni entwickeln, mit dem wir mehr Geld mobilisieren können.“
Loprieno, Jahrgang 1955, ist der sechste Präsident der privaten Fakultät. Er studierte an der Universität Turin in Italien Ägyptologie, Sprachwissenschaft und Semitistik. Er war Professor für Ägyptologie an der University of California und später Professor an der Universität Basel, die er bis 2015 als Rektor führte. Der Präsident des europäischen Dachverbandes der Akademien der Wissenschaften wurde 2018 auch zum Vorsitzenden des Board of Governors der Jacobs-Uni gewählt. Hausintern gilt er als ideale Besetzung für den Posten.

Antonio Loprieno, Präsident Jacobs University
Loprieno hat einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschrieben. Die Jacobs-Uni in die Zukunft zu führen, sei für ihn auch eine subjektive Herausforderung. „Ich bin Wissenschaftler und wollte mich testen, ob ich für die Privatuni etwas Gutes herausholen kann“, sagt Loprieno.
Sein Vorgänger Michael Hülsmann hatte der Universität zusammen mit Ex-Präsidentin Katja Windt einen harten Sparkurs verordnet. Loprieno nennt keine Zahlen, sagt aber, dieser Konsolidierungskurs sei vorbei. Nach einer „extremen Rosskur“ müsse die Universität nun an Wachstum denken. „Es hilft nur, mehr Geld zu akquirieren. Aber weder der Bremer Steuerzahler noch die Hansestadt Bremen haben jetzt etwas zu befürchten. Aber beide sind gefordert, dieser Uni als Unterstützer zur Verfügung zu stehen.“
Bekanntlich hat Bremen der Jacobs University in der Vergangenheit immer wieder in Millionenhöhe finanziell unter die Arme gegriffen. Zuletzt sicherte der Finanzausschuss der Stadt die Liquidität der Uni, indem er 3,9 Millionen Euro bewilligte. Dass es unter einer Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt, die der Linkspartei angehört, schwer werden könnte, mit Bremen über weitere Unterstützung zu verhandeln, glaubt Loprieno nicht. Das Modell der rein privaten oder rein staatlichen Universitäten sei nicht mehr aktuell. Auch die guten staatlichen Universitäten seien auf private Geldgeber angewiesen, da Forschung immer teurer werde. Andererseits seien private Universitäten auf die Einbettung in die Gesellschaft angewiesen. Auch die Jacobs University müsse sich dem Stadtteil mehr öffnen. „Jede Uni – unabhängig von der Trägerschaft – generiert volkswirtschaftlich einen Riesenerfolg im Vergleich zu dem Geld, das investiert wird. Die Frage ist nicht, wie stehe ich zu einer Privatuniversität. Die Frage ist, was mache ich, damit eine Ressource, die schon da ist, noch besser funktioniert.“
Möglicherweise wird der neue Präsident der Jacobs-Uni schon bald wegen eines College-Neubaus in Bremen vorsprechen müssen: Die Uni hat so viele Studenten wie nie zuvor. Vorübergehend sollen diese in Hotels und in einem Studenten-Wohnheim in der Innenstadt untergebracht werden. Doch mittelfristig „müssen wir bauen“: „Das Problem ist das liebe Geld.“
Hauptaufgabe des neuen Präsidenten wird es sein, Geldquellen zu suchen, „aber nicht mit ausgestrecktem Arm“. Ein realistischer Ausbau sei nur mit dem privaten Sektor möglich. „Aber wenn wir uns in puncto Digitale Transformation gut positionieren, dann finden wir Menschen, die bereit sind, uns zu begleiten und uns zu finanzieren. In der Hoffnung, dass dann auch die Freie Hansestadt Bremen zu uns kommt und fragt, wie viel Geld wir brauchen.“
Digitaler Wandel ist für den Präsidenten nicht nur ein Schlagwort, sondern soll Schwerpunkt einer inhaltlichen Ausrichtung sein. Es wird unter dem Schweizer voraussichtlich kein „von jedem etwas“ geben. „Wir müssen Fächer entwickeln, die diesen Übergang von der analogen Welt zur digitalen Welt ermöglichen, da wir die junge Generation von Welt-Leadern ausbilden, für die das das Abc sein wird.“
Loprieno selbst leitet ein Projekt des Schweizer Nationalfonds im Bereich digitale Geisteswissenschaften. „Wir versuchen, Fragmente von ägyptischen Papyri durch maschinelles Lernen zu kombinieren, also Informatik und Ägyptologie zu kombinieren. Es gehört zwar nicht zu meinem Vertrag, aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass ein minimaler wissenschaftlicher Beitrag auch von hier aus dazu geleistet werden kann.“ Noch betreut der Jacobs-Präsident einige seiner Doktoranden in Basel. Er werde deshalb phasenweise auch in der Schweiz arbeiten. In den Weihnachtsferien, kündigt Antonio Loprieno an, werde er aber mit seiner Frau nach Bremen kommen und auf Wohnungssuche gehen.