Vegesack. Seit 30 Jahren besteht das Vegesacker Statt-Theater. Als Hauptproduktion in diesem besonderen Jahr entschieden sich die Verantwortlichen für Shakespeares „Sommernachtstraum“. Es gilt als eines der weltweit meistgespielten Stücke des englischen Dramatikers und ist zumindest in englischsprachigen Ländern auch Standard für Laien- und Schultheatergruppen. Für Regisseur und Übersetzer Walter Schimmler bot der „Sommernachtstraum“ noch einen weiteren Vorteil: Die hohe Anzahl an Bühnencharakteren sorgte im Team für viel Motivation.
Trotz der Neuübersetzung aus der Feder des Regisseurs unterzog das Ensemble den Klassiker keiner allzu drastischen Modernisierung, bewegt sich stattdessen in vielerlei Hinsicht recht nahe an der Aufführungspraxis zu Lebzeiten des Autors.
Doch der Reihe nach: Nur kurz wies die Vereinsvorsitzende Ute Schimmler das Premierenpublikum im ausverkauften Kulturbahnhof am Dienstag auf das dreißigjährige Bestehen des Theaters hin. Statt einer Umrahmung der Produktion mit Erinnerungen aus 30 Jahren Vereinsgeschichte lag der Fokus des Premierenabends ausschließlich auf dem „Sommernachtstraum“ und dem Hier und Jetzt.
Ohne weitere Umschweife folgte das Premierenpublikum also den Akteuren ins antike Athen an den Hof des Herzogs Theseus, von dem aus die Geschichte um die beiden unglücklichen Liebespaare ihren Lauf nimmt. Infolge ihrer Flucht und Verfolgung verschlägt es die Paare in einen magischen Wald, in welchem sie sich Foppereien und Manipulationen durch Elfen und anderen unsichtbaren Zauberwesen ausgesetzt sehen.
Sowohl der royale Hof als auch der Zauberwald werden in der Inszenierung eher spartanisch stilisiert. So auch beim Auftritt der Handwerkergruppe, die als „Stück im Stück“ ein Theaterstück anlässlich der bevorstehenden royalen Hochzeit des Theseus mit der Amazone Hippolyta einstudiert. Lediglich ein links der Bühne befestigtes Ortsschild dient den Zuschauern neben den Bühnendialogen als Hinweis auf den jeweiligen Spielort.
Dieses Stilmittel darf indes historische Authentizität für sich beanspruchen, schließlich gilt diese Art der „Wortkulisse“ unter Theaterhistorikern als Charakteristikum der elisabethanischen Aufführungspraxis, in deren Ära auch die Uraufführung des „Midsummer Night's Dream“ stattfand.
Umso bunter und fantasievoller fallen dafür die Kostümierungen der magischen Waldbewohner aus, die ihren Schabernack sowohl mit den Liebenden als auch mit den zeitgleich im Wald probenden Handwerkern treiben. Hier werden die elisabethanische Praxis indes gänzlich umgekehrt und die theateraffine Handwerkertruppe ausschließlich weiblich besetzt.
Textlich ist Schimmlers Übersetzung der Respekt vor dem großen englischen Dramaturgen deutlich anzumerken: Sprachliche Modernisierungen wurden moderat vorgenommen und auch das Versmaß wann immer möglich beibehalten. Dafür erlaubt Schimmler seinen Darstellern die Verwendung gelegentlicher Kraftausdrücke.
So ist der „Sommernachtstraum“ in der aktuellen Inszenierung des Statt-Theaters vor allem ein heiteres Lustspiel mit gelegentlich geradezu boulevardesker Attitüde ohne allzu große Tragik. Weder die nächtliche Flucht des verzweifelten Liebespaares noch deren Ursache werden sonderlich dramatisiert, der tyrannische Vater Hermias wirkt in seiner Verkörperung durch Heiner Howald geradezu ebenso liebenswert wie der gerechte Herzog Theseus.
Die komischen Aspekte der Vorlage kommen dafür vollends zur Geltung: Katy Wonnenberger verkörpert den Weber Nick Bottom, dessen Nachname in Schimmlers Übersetzung folgerichtig „Gesäß“ lautet, mit einem ausgeprägten Hang zum gnadenlosen Overacting, während Kai Howald als Demetrius wann immer möglich sein Talent für Slapstick und Situationskomik ausspielt. Die schelmische Durchtriebenheit Pucks, Hofnarr des Elfenkönigs, wird durch Laura Schimmler sichtlich genussvoll umgesetzt.
Weitere Informationen
Das Statt-Theater spielt „Ein Sommernachtstraum“ bis zum 10. Mai. Bereits an diesem Freitag, 22. März, folgt um 20 Uhr eine weitere Aufführung im Kulturbahnhof an der Hermann-Fortmann-Straße. Informationen zu Terminen und Karten im Internet auf statt-theater-vegesack.de.