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Protziger Giebel des Theresienhauses erinnert nur noch ein paar Monate an ein Stück Vegesacker Stadtgeschichte Mit dem Abbruch beginnt das Vergessen

An der Stelle des Theresienhauses an der Weserstraße soll in der zweiten Jahreshälfte eine exklusive Wohnanlage mit dem Namen Bellevue entstehen. Mit dem geplanten Abriss des früheren Kinderheims der katholischen Kirche geht auch ein Stück Vegesacker Stadtgeschichte verloren.
10.06.2013, 05:00 Uhr
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Von Ulf Fiedler

An der Stelle des Theresienhauses an der Weserstraße soll in der zweiten Jahreshälfte eine exklusive Wohnanlage mit dem Namen Bellevue entstehen. Mit dem geplanten Abriss des früheren Kinderheims der katholischen Kirche geht auch ein Stück Vegesacker Stadtgeschichte verloren.

Vegesack. Die Tage sind gezählt für das prunkvoll überladene Patrizierhaus an der Weserstraße mit der Hausnummer 80. Allgemein bekannt als Theresienhaus war es jahrzehntelang im Besitz des katholischen Bistums Hildesheim und wurde als Kinderheim geführt. Nach sieben Jahren Leerstand wurde nun der Abbruch zugunsten eines Neubaus beschlossen. Architektonisch mag man der im überbordenden Historismus ausgeführten Villa vielleicht nicht nachtrauern. Mit deren Abbruch allerdings wird das Gesamtbild der Weserstraße um ein typisches Element ärmer.

Bauherr des historischen Hauses war Hermann Danziger, zu seiner Zeit ein wohlhabender Vegesacker. Als Teilhaber der Firma Schröder & Co, die direkt am Utkiek zwei Lagerhäuser betrieb, brachte er dem Handelsunternehmen neuen Schwung. Er heiratete die Schwester des Firmeninhabers und hatte erheblichen Gewinn am aufstrebenden Unternehmen. Gehandelt wurde mit allem, was gut lief, vom Genever bis hin zu Schiffsfarben.

1886/87 ließ Hermann Danziger sich zwischen der Villa seines Schwagers und dem Hotel Bellevue an der Weserstraße ein prunkvolles Domizil bauen. Verantwortlich dafür waren die renommierten Architekten Klingeberg & Weber, die auch für das Haus seines Kompagnons verantwortlich zeichneten. Wer in dieser Eins-a-Lage baute, durfte sich nicht lumpen lassen. Im Stil der Zeit ließen die Architekten deshalb den protzigen Giebel mit allerlei Zierrat einer imitierten Renaissance versehen. Wie die meisten Villen des 19. Jahrhunderts an der Weserstraße, etwa die von Friedrich Schröder oder Reeder Bischoff, sollte die Straßenfront repräsentieren. Der eigentliche Reiz und Wohngewinn lag in der offenen Rückseite des Gebäudes mit Blick auf die Weser. Beispielhaft ist dieses Prinzip zu erkennen bei dem Gebäude von Senator C.W.A. Fritze, in dem bis vor kurzem noch das Ortsamt residierte.

Aber zurück zu Hermann Danziger: Das Portal seiner Villa flößt Respekt ein. Das sollte es auch, denn Danziger war zu seiner Zeit ehrenamtlicher Direktor der freien Vegesacker Sparkasse. In dieser Funktion förderte er seine Heimatstadt in vielfältiger Weise. Die Sparkasse unterstütze etwa das Hartmannsstift, das Schulwesen und die Badeanstalt.

Sein wichtigstes Vermächtnis aber ist der Bau des Ausflugslokals Strandlust. 1879 kaufte das Vegesacker Geldinstitut den verlassenen Werftplatz von Peter Sager. Nach der Weserkorrektur lag das Grundstück zwei Meter über dem Hochwasserstand. Zugleich war es zur Begradigung der Vegesacker Weserbiegung in den Fluss hinein vergrößert worden.

Man hätte das so aufgewertete Grundstück sehr wohl zu gewerblicher Nutzung veräußern können. Aber Hermann Danziger wollte durch einen Gewerbebetrieb nicht die Wohnqualität auf dem Weserhang beeinträchtigt sehen. So wurde "zur Verschönerung Vegesacks" das großzügige Ausflugslokal Strandlust erbaut. Über dem Haupteingang befand sich der in Stein modellierte Kopf von Hermann Danziger. Ein Indiz dafür, dass er wesentlich für diese Entscheidung verantwortlich war.

Der Vegesacker Hermann Danziger starb 1900. Nach seinem Tod wurden von Nachbesitzern an seinem Haus an der Weserstraße einige Änderungen und Umbauten vorgenommen. Gleichwohl blieb die Prunkfassade als Beispiel des Historismus erkennbar.

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